Mit den Briten 28 EU-Länder unter einen Hut zu bringen, ist offensichtlich genauso schwierig wie einen Sack Mücken zu hüten. Apropos Briten: obwohl man nicht weiß, inwieweit sie ab 1. November noch zu Europa gehören, wählen sie absurderweise mit. Laut Wahlumfragen ist die neugegründete „Brexit Party“ des besten Grimassenschneiders der Insel - Nigel Farage - doppelt so stark wie die Konservative und die Arbeiterpartei zusammen. Kein Wunder angesichts des Schmierentheaters, das beide beim Brexit-Prozess aufgeführt haben.
Nach der Europawahl wird Farage mit anderen EU-Skeptikern zwar keine Mehrheit im Europa-Parlament haben, aber dennoch lautstark europäische Wehrkraftzersetzung betreiben. Darüber sollten sich Politiker der Altparteien nicht theatralisch empören, sondern sich fragen, warum sie es so weit haben kommen lassen. Ein Schnitzel macht man ja auch nicht dafür verantwortlich, wenn es verbrannt ist.
Wie soll Europa gut funktionieren, wenn es schon in EU-Ländern nicht rund läuft
Wäre die große Koalition in Deutschland eine Ehe, wäre sie völlig zerrüttet. In Berlin wird nur noch gestritten, z.B. über die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. Für dringend notwendige Standortreformen, die mindestens das Niveau der Agenda 2010 haben müssten, fehlt die gestalterische Kraft. Die Folge ist langsame, aber sichere Wettbewerbsunfähigkeit, die früher oder später zu Wohlstands- und Arbeitsplatzverlusten und dann zu politischem Verdruss führt.
Und wenn jetzt in Deutschland der Sozialismus wieder aus der Versenkung geholt wird, der immer gut gemeint war, jedoch auch immer wieder komplett scheiterte, erinnert mich das an Grisu. Das ist der kleine Drache aus einer Zeichentrickserie, der zwar ein guter Feuerwehrmann werden will, aber ein ums andere Mal seine Umgebung in Brand steckt.
Was national schon schwierig ist, wird auf der Europa-Bühne nicht einfacher. Es gibt noch immer keine gemeinsame Migrationspolitik und bei Steuer- und Wirtschaftsfragen kocht jeder am liebsten sein eigenes Süppchen. Und Reformpolitik? Jetzt sind wir im Reich der Utopie. Um die ansonsten unvermeidlichen Zentrifugalkräfte in der EU zu mildern, ist die EZB im dauernden Rettungseinsatz. Die Konsequenzen sind Blasenbildungen u.a. am Wohnungsmarkt, die bereits zu sozialem Unmut geführt haben.
Selbst dem deutsch-französischem Motor wurde Zucker in den Tank geschüttet. Merkel-Macron sind nicht mehr die starke Zugmaschine der Machart Schmidt/Giscard d’Estaing oder Kohl/Mitterrand, die Europa früher aus Krisen ziehen konnten.
„We Are Family“ von Sister Sledge ist wohl kaum das Mottolied Europas.
Amerika fällt als Friedensrichter aus
Früher hatte Europa auch noch einen Joker. Gab es gravierende Auseinandersetzungen, sprach der Gottvater der westlichen Welt, Amerika, ein Machtwort. So war es im Jugoslawien-Krieg und so war es bei der deutschen Wiedervereinigung, die Briten und Franzosen partout verhindern wollten. Danach war wieder Ruhe im europäischen Karton.
Leider wird aus dem Friedensstifter mehr und mehr ein Scharfrichter. Und selbst wenn Trump spätestens ab Januar 2025 nicht mehr US-Präsident ist, wird sich daran - abgesehen von einem wohl freundlicheren Umgangston - nichts ändern. Amerika interessiert sich heute vor allem für sich und die die Pazifikregion, wo der größte Konkurrent sitzt. Für Europa fühlt man sich immer weniger zuständig.
Die abgekühlte Liebe Amerikas zu Europa zeigt sich z.B. in der Kanonenbootpolitik von des Teufels General: US-Außenminister Pompeo. Er verlangt, dass Europa Männchen macht und wir Amerikas Iran-Politik kritik- und willenlos hinterherlaufen und abnicken. Anderenfalls droht man unverhohlen mit handelspolitischer Mobilmachung, mit Car Wars. Schließlich gilt der Außenhandels-Waffenstillstand zwischen den USA und der EU nur noch bis 18. Mai.
Im Extremfall können wir unsere in guten Zeiten noch mühelos in die USA exportierten Autos dann auf dem Gelände des garantiert CO2-freien Großflughafens in Berlin parken. Man muss schon ein unverbesserlicher Optimist sein, wenn man noch an seine Eröffnung glaubt.
Jetzt alternativ mit China fremdzugehen, könnte sich für die EU als Beziehung ohne Lustgewinn erweisen. Peking weiß, dass Europa an der Wand steht und wird als neuer platonischer Liebhaber Europas eine hohe Mitgift in Form unserer verbliebenen Industriegüterkultur verlangen.
Was will Europa zukünftig sein: Hammer oder Amboss?
Will sich Europa also mit dem Schicksal abfinden, dass es auf dem internationalen Schachbrett nur noch die Bauern stellt, aber nicht mehr Springer, Turm, Dame oder König?
Das wäre erbärmlich. Daher brauchen wir zunächst eine möglichst hohe Wahlbeteiligung, um der Welt zu zeigen, dass Europa seinen Bürgern nicht egal ist, sondern eine hohe Bedeutung hat. Ohnehin, wer nicht wählt, darf auch später nicht über das Ergebnis meckern. Wir brauchen aber ebenso Politiker, die nicht nur von Schicksalswahl sprechen, sondern das Schicksal Europas nach der Wahl in die Hand nehmen:
• Fruchtbare statt furchtbare Politik
• Europa geostrategisch mittendrin statt nur dabei
• Entscheidungsmacht statt Ohnmacht
• Realitätssinn statt Wunschdenken
• Digitalisierung statt Industriemuseum
• Soziale Marktwirtschaft statt Sozialismus
• und damit Europäische Aktienleit-, statt -leidindices
Das sind sicherlich dramatische Herausforderungen. Aber für europäische Politiker sollte es selbstverständlich sein, diese offensiv anzugehen. Wenn man das nicht will, kann man es ja als Feuerwehrmann bzw. -frau versuchen. Keiner wird gezwungen, Volksvertreter zu sein.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Kommentare
Ich bin schon seit 30 Jahre Wahlberechtigt und habe dann in den ersten 20-25 Jahren gerne und Überzeugt gewählt, aber leider hat dies nur zur massiven Enttäuschung und Ärger bei mir geführt (Bin hier bei Herr Müller ein Automat mit Bunten Knöpfen die man drücken kann aber da nicht angeschlossen passiert nichts Stichwort Scheindemokratie oder Plutokratie). Hier passen für mich zwei Zitate von dem Genie Albert Einstein
1. Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.(Z.B. Wählen gehen in diesem Politischem System)
2. Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
(Ich glaube nicht dass unsere Politiker ihren Denkweise plötzlich ändern.mit der sie das ja mit verantworten. Ich sage nur jeder kocht sein eigenes Süppchen)
Gruß
Vom pfälzer
Politik zu brechen ,und den Menschen der Länder wieder zu dienen und nicht sie zu beherrschen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Jedoch halte ich es für akzeptabel, ungültig zu wählen, wenn man keine der Parteien wählen "kann".
Die Frage die sich mir stellt ist, wieso kann ich als Österreicher nicht Parteien aus Deutschland, den Niederlanden oder Estland wählen, wenn diese doch für das selbe Parlament kandidieren.
Ich möchte die Möglichkeit haben, UKIP in GB, die Linke in D bzw. Die Partei oder die NEOS in Aut wählen zu können. Wir sind ja alle Bürger Europas.
warum so negativ so kurz vor den Wahlen....??
In Brüssel werden doch wichtige Themen wie die Schnullerketten-Verordnung besprochen...
https://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article107439358/DIN-EN-12586-die-Schnullerkettenverordnung.html
Die EZB rettet den Tag an der börse und wenn irgendwann nichts mehr hilft... kann man sich immer noch auf die Toilette für das dritte Geschlecht zum Weinen zurückziehen ...
In Paris genießt man das Knistern des Feuers vor dem Élysée-Palast auch im Sommer..
Es wird interessant den Tag zu sehen, an dem Frau Merkel oder eine andere Marionette vor den Propaganda-Apparat tritt und sagt, die Einlagen auf den Bankkonten sind nichts mehr Wert aber sicher
Beste Grüße
Striker
Das erinnert mich an einen Satz: Wenn Wahlen etwas verändern wurden, wären Sie schon längst verboten.
Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass die EU Wahlen etwas verändern werden. Sie werden genauso manipuliert, wie alle anderen Wahlen auch.
Die Gesetze gehen auch nicht vom Parlament aus, sondern von der EU-Kommission, die von niemandem gewählt ist. Die EU-Kommission setzt fast ausnahmslos die Vorschläge multinationaler Konzerne um. Alle drei Gewalten wie Legislative (normalerweise Parlament), Exekutive (Regierung) und Judikative (Gerichte) werden mehr oder weniger von der EU-Kommission ausgeübt. Nur in einer Diktatur sind alle drei Gewalten in einer Hand.
Die Beteiligung an der Wahl zum europäischen Parlament könnte man dem Bürger so auslegen, dass er mit den Defiziten der EU-Struktur einverstanden sei. Die Feinde der Demokratie sind also nicht diejenigen, die laut werden, sondern die, diese undemokratische Struktur auch noch unterstützen.
Also ich wähle nicht Protest sondern Vernunft deshalb AFD ....
Ich wähle ein System, von dem ich von vorneherein weiß, das die Entscheidungen nicht zum Wohle der
Bürger des Landes oder hier Europas sind. Die Partei entscheidet über die Listenplätze. Also wem ist der ins Parlament einziehende Politiker verpflichtet? Wieviel Einfluß meine Stimme gerade bei der EU Wahl hat, wurde ja mal von "Der Anstalt" hervorragend herausgearbeitet.
Herr Halver, haben Sie tatsächlich USA und das Wort "Friedensstifter" in einem Satz genannt, dessen Vorsatz auch noch "Jugoslawien" enthielt?
Wem Europa nicht egal ist, muss eine EU-kritische Partei wählen.
Diese EU hat nicht ein Problem gelöst, dafür aber bestehende verschlimmert und reihenweise neue geschaffen. Ich halte es mit Cato, denn diese EU schadet den Bürgern seit dem Jahr 2000: ceterum censo EU esse delendam.