Der CDU-Politiker Friedrich Merz will, dass die Deutschen ihr Geld in Aktien anlegen. So sollen sie vom „Erfolg der Marktwirtschaft“ profitieren. Geprüft werden müsse, so Merz, ob es eine Verpflichtung zur Aktien-Altersvorsorge geben soll, zitierte die „WELT“ im Juni 2019.

Der Gedanke hört sich gut an, denn mit der deutschen Aktienkultur steht es offenbar nicht zum Besten, wie folgende Grafik des AI (Deutsches Aktieninstitut) zeigt.

   

   

Mit diesen Gedanken schlief ich ein.

In meinem Traum begann ich gleich mit dem Recherchieren.

Die Deutschen haben 6,17 Billionen Euro Geldvermögen

Die Geldvermögen der Deutschen sind im ersten Quartal 2019 auf einen Rekord gestiegen. Wie die Deutsche Bundesbank mitteilte, erreichte das Geldvermögen Ende März 2019 einen Stand von 6,17 Billionen Euro (Eine Zahl mit zwölf Nullen). Auf die 83 Millionen Einwohner des Landes umgerechnet, ergibt dies ein Durchschnittsvermögen von gut 74.000 Euro.

Laut einem Artikel von n-tv Ende Märzsteckten insgesamt 2.494 Milliarden Euro in Bargeld und Einlagen. Das wären also im Schnitt ca. 30.000 EUR pro Einwohner. Etwa noch einmal soviel befinden sich in Versicherungen.

Woher soll nun für Merz´ Vorschlag das Geld stammen? Sollen dafür die gesetzlichen Rentenbeiträge reduziert werden? Sollen die Beträge aus Beiträgen stammen, die bisher in klassische betriebliche oder private Rentenversicherungsverträge geflossen sind?

Oder sollen die Deutschen doch lieber einen Teil ihres Sparguthabens in die neue Altersvorsorge stecken? Denn schließlich sind die Renditen klassischer Lebens- und Rentenversicherungen - und voran die auf Sparguthaben - so gering wie nie zuvor. Wie es momentan aussieht, wird sich an der anhaltenden Niedrigzinsphase so schnell auch nichts ändern.

Ich mache grob fifty-fifty, dann gründen wir eine Volks-Holding AG

und rechne mit 2,5 Billionen Euro (2.500.000.000.000 EUR) – also 40 % des Vermögens bzw. knapp 30.000 € pro Durchschnittsbürger, die in Aktien angelegt werden könnten. Dazu gründen wir eine Volks-Holding AG und gehen auf Shoppingtour.

Was kaufen wir zuerst?

Natürlich deutsche Aktien, denn wir leben in Deutschland und arbeiten in Deutschland.

Immer noch arbeiteten Millionen deutscher Beschäftigter in börsennotierten Aktiengesellschaften, deren „Erfolg von Millionen ausländischer Aktionäre vereinnahmt“ werde. Kaum ein börsennotiertes Unternehmen in Deutschland habe noch mehrheitlich deutsche Aktionäre.“

so Merz in einem Gastbeitrag für „Zeit online“.

Schau her! Das ist ja unerhört!

Ich rechne

Die 30 DAX-Unternehmen haben aktuell einen Börsenwert von ca. 1.154 Mrd. Euro. Hmmm… Da bleiben von meinen 2,5 Billionen ja noch 1,35 Billionen übrig?!?

Dann kaufen wir weiter und sehen uns beim M-Dax um. Der Börsenwert dieser Unternehmen liegt derzeit bei ca. 385 Mrd. EUR. Das ist doof, denn wir haben dann immer noch fast 1.000 Milliarden Euro über. Aber dann können wir ja weiter shoppen.

Land & Ackerflächen als Sachwertanlage

Land! Ja Land und Ackerflächen sind gute Sachwertanlagen. Die Preise steigen seit Jahren kontinuierlich nach oben. Die Preise für Acker- und Grünland lagen in Deutschland laut einem Artikel im „Wochenblatt“im letzten Jahr bei ca. 25.000 EUR für einen Hektar.

100 Hektar sind ein km². Somit könnten wir für 1.000.000.000.000 EUR etwa 400.000 km² Grün- und Ackerland kaufen. Deutschland hatte im Jahr 2017 eine Fläche von 357.582 Quadratkilometern. Davon sind etwa 50 % Ackerland und ca. 31 % Wald und Gehölze. Insgesamt stehen uns hier nur etwa 290.000 km² zum Kauf zur Verfügung. Bleiben immer noch 275 Mrd. Euro übrig, die es anzulegen gilt.

Was machen wir nun? Kauf von Kliniken und Immobilien

Da habe ich noch eine Idee! Wir kaufen die Kliniken und Krankenhäuser, die sich nicht mehr im kommunalen Besitz befinden, und die Wohnungen, die früher einmal Sozialwohnungen waren und in den letzten Jahren an teils dubiose Immobiliengesellschaften verkauft wurden. Und wenn dann noch etwas übrigbleibt, behalten wir den Rest als strategische Liquidität. Muss auch sein!

Wow – war das ein Einkauf!

Nun gehören der Volks-Holding AG die größten Unternehmen Deutschlands, alle Äcker und Wälder, alle Krankenhäuser und viele Häuser und Wohnungen.

Und das Spannende dabei ist, dass alle Bürger nun Mitspracherechte besitzen und damit direkten Einfluss auf die Geschäftsentwicklung und sogar auf die Vorstände und die Geschäftsführung haben. Auch an dem Gewinn der Unternehmen, an den Pachterlösen für die Acker- und Waldflächen sowie an den Mieteinnahmen aus den Wohnungen werden alle Bürger beteiligt.

Obendrauf gibt es direkten Einfluss und Gewinnbeteiligungen

Die Ausgaben für das Gesundheitswesen könnten sinken, wenn wir auf eine Gewinnerzielung im Gesundheitswesen verzichten. Es wäre unsere Entscheidung!

Wir hätten Einfluss auf die ökologische Ausrichtung der Energieriesen und der Automobilindustrie, auf die Lebensmittelindustrie (Metro, Normagroup), den Wohnungsmarkt (Deutsche Wohnen, LEG) auf die Presse (Axel Springer, Pro Sieben Sat1), gar auf die Rüstungsindustrie (Thyssen Krupp, Rheinmetall). Wir könnten entscheiden, wie die Großbanken von morgen aussehen sollen. Und und und …

Allein aus den DAX-Unternehmen fließen in diesem Jahr über 38 Mrd. Euro an Dividenden an die Aktionäre. Und wir wären dabei. Juchuuuuu…

Aber Stopp!!! Haben wir dann Volkseigentum?

Wikipedia sagt dazu: In der DDR war das Volkseigentum eine inhaltlich besonders ausgestaltete Form von Staatseigentum. Offizieller Eigentümer waren dabei alle Menschen. Es bildete zusammen mit dem genossenschaftlichen Eigentum und dem Eigentum gesellschaftlicher Organisationen das sozialistische Eigentum.

Die Rechtsmacht, den Gegenstand, an welcher das Eigentumsrecht bestand, zu nutzen, zu verarbeiten, umzugestalten, zu zerstören, zu veräußern, zu belasten und dergleichen war von Gesetzes wegen stark eingeschränkt. Das Volkseigentum konnte nur nach Maßgabe staatlicher Pläne genutzt werden. Die Nutzung des Volkseigentums wurde vor allem volkseigenen Betrieben, Kombinaten, wirtschaftsleitenden Organen, sozialistischen Genossenschaften und gesellschaftlichen Organisationen sowie Bürgern eingeräumt.

Im Gegensatz zum sozialistischen Volkseigentum wären wir im obigen Modell tatsächlicher rechtlicher Eigentümer an Grund und Boden, an Unternehmen und Immobilien, mit allen Rechten und Pflichten.

Ist das dann sozialistischer Kapitalismus?

Meint Merz tatsächlich, dass das ein zukunftsträchtiges Wirtschaftssystem sein könnte? Dass es gewollt wäre, dass alle Bürger Mitspracherechte bei der Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung haben sollten?

Ich komme ins Schwitzen. Mein Herz pocht. Was für eine Vision? Was für eine Zukunft?

Und dann?

Dann wache ich schweißgebadet auf. Der Gedanke lässt mir keine Ruhe. Ist das Fiktion? Utopie? Oder doch nur sinnlose Spinnerei?

Die Realität sieht zumindest anders aus.

Die DAX- und M-DAX-Unternehmen können wir gar nicht komplett kaufen

Wie Merz schon richtig erkannte, gehören die Unternehmen zu einem nicht unerheblichen Teil ausländischen Investoren. 2016 waren das gut 50 % des Grundkapitals der DAX-Konzerne. Nur der Rest befindet sich in Streubesitz und ist damit über die Börse handelbar. Freiwillig würden diese Investoren ihre Anteile nicht verkaufen, da sie diese Anteile im Gegensatz zum deutschen Kleinanleger in der Regel als langfristige und teils auch strategische Investition betrachten.

Grund und Boden befindet sich bereits zu einem Teil in Privatbesitz

Wie hoch der Anteil der Fläche Deutschlands ist, der sich bereits im Privatbesitz befindet und wie sich dieser verteilt, habe ich nicht herausgefunden. Da die Politik jedoch weiterhin bestrebt zu sein scheint, Land-, Wald- und Nutzflächen zu veräußern, um Schulden zu begleichen und Haushaltslöcher zu stopfen, dürfte sich der Anteil weiter erhöhen.

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

So steht es im Grundgesetz. Doch der Staat sieht es offenbar anders. Man könnte annehmen, dass sich der Staat mit dem Verkauf von Eigentum (zum Teil auch an ausländische Investoren) seinen Verpflichtungen entledigen möchte? Ist das nicht mit ein Grund dafür, dass bezahlbarer Wohnraum immer knapper, die medizinische Versorgung immer löchriger und teurer und die natürlichen Ressourcen immer schonungsloser ausgebeutet werden?

Oder heißt das, dass Großunternehmen (voran börsennotierte Unternehmen) mit Eigentum zum Wohle der Gemeinschaft verantwortungsvoller umgehen als der Staat dies je machen könnte?

Den Durchschnittsbürger gibt es nicht

Statistiken können in die Irre führen. Stellen Sie sich vor, ein Millionär steigt in einen Bus, in dem sich 13 mittellose Bürger befinden. Mit einem Schlag verfügen alle im Bus über knapp 74.000 EUR an Vermögen. Statistisch betrachtet natürlich! Die Vermögensverteilung in Deutschland ist nicht homogen und entspricht nicht mehr einer Normalverteilung (Gaußsche Glockenkurve).

Über die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen wurde hier und in der Presse zu genüge debattiert. Eine echte Lösung dieser zunehmenden sozialen Spannungen will man offensichtlich nicht herbeiführen.

Somit wäre bei diesem Modell (Volks-Holding AG) – wie auch beim Merz-Modell – in der Realität eine breite Bevölkerungsschicht ausgeschlossen. Genau die, die von diesem Modell am meisten profitieren würden. Da nützen auch keine Steueranreize. Wer täglich überlegen muss, wofür er sein Geld ausgeben kann, hat meist keine freien Mittel für eine zusätzliche Altersvorsorge über.

Keine Aktien – kein Markt!

Wenn sich alle Aktien im Besitz der Volks-Holding AG befinden, kann kein Handel mehr stattfinden. Die Wertermittlung kann dann nur noch über die Erstellung einer Bilanz und G/V-Rechnung erfolgen.

Aber das muss ja nicht schlecht sein. Die mittelständischen, nicht börsennotierten Unternehmen (das wahre Herz der deutschen Wirtschaft) machen das ja schon seit Jahrzehnten so.

Das Gleiche gilt dann auch für das „Merz-Modell“. Da die Altersvorsorge in Aktien seiner Meinung nach nur dann steuerlich gefördert werden soll, wenn eine Verfügung erst ab dem Rentenbeginn erfolgt, würden auch hier perspektivisch große Aktienbestände dauerhaft dem Markt und damit dem Handel entzogen. Die Märkte könnten dann noch volatiler werden, da es noch einfacher ist, diese durch gezielte Strategien zu beeinflussen.

Oder man erfindet nach den Zertifikaten und synthetischen ETF´s weiterhin neue und sinnlose Finanzprodukte, die man dann dem uninformierten Anleger anbieten kann.

Es ist nicht genug für alle da

Wie schwierig es ist, 2,5 Billionen Euro Geldvermögen in Sachvermögen zu wandeln, haben wir feststellen können. Da wir Exportweltmeister sind, können wir uns ja auch an fremdem Eigentum bedienen. Früher hat man Länder militärisch erobert. Heute geht das mit Geld. Moderner ausgedrückt – mit Investitionen. Aber dann würden wir auch die anderen Länder daran hindern, in ihre eigene Wirtschaft zu investieren.

Schade – irgendwie hatte diese Spinnerei doch einen gewissen Charme.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"