Der Verfall der Infrastruktur in Kombination mit dem Abbau der Fähigkeiten, diese wieder instand zu setzen oder auch nur am Laufen zu halten, ist eine gefährliche Mischung. Die Infrastruktur, also unter anderem Straßen, Brücken, Gebäude, Wasserversorgung und Kommunikationssysteme, sind das Rückgrat der Gesellschaft und aller ökonomischen Prozesse. Sind diese Systeme marode, dann hat das nicht nur schwerwiegende Folgen für die Sicherheit. Ein einmal eingeschlagener, nach unten gerichteter Pfad kann zu einem Teufelskreis aus sich verschlechternder Infrastruktur, geringerer Lebensqualität und weniger Wohlstand führen.

Jeder der einmal als Kind einen Hügel heruntergelaufen ist, erinnert sich an den Punkt, an dem man gemerkt hat, dass man zu schnell ist, es aber nicht möglich war, noch kontrolliert anzuhalten und man sich zwischen Brombeerbusch und Brenneselhain entscheiden musste. Die Frage, die sich damals dem Kind und heute der Gesellschaft stellt, ist lediglich, wie gesund man nach dem Sturz sein wird.

Derzeit ist leider nicht einmal mehr an eine vernünftige Instandhaltung der Infrastruktur zu denken.  Für eine Verbesserung der Infrastruktur reichen die vorhandenen Qualifikationen schon lange nicht mehr aus. Dies zeigen zahlreiche Bauprojekte, von denen der BER zwar das bekannteste, aber bei weitem kein Einzelfall ist. Eine Politik, die das Wissen und den Erfolg von Bildung an der Zahl der Abschlüsse und nicht an den Fähigkeiten der Absolventen misst, kann oder will dieses Problem nicht erkennen. Das überrascht angesichts des Bildungsabgrundes, in den man beim Anblick der selbst ernannten Eliten an der Spree blickt, nicht sonderlich. Bildung ist dort kaum vorhanden. Bei vielen reichen die Fähigkeiten nicht für den Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums. Nicht wenige sind sogar zu dumm dazu, ihren eigenen Lebenslauf sorgfältig zu fälschen.

Die aus dieser Petrischale wuchernden ideologisch verquasten Ideen zum wirtschaftlichen und politischen Umbau der Republik erinnern in all ihrer Trostlosigkeit an den Umweltschutz und die Ökonomie der Sowjetunion. Selbst politische Räte will mancher wieder einführen - Rat heißt auf Russisch bekanntlich „sowjet“ -, vermutlich wegen der großen historischen Erfolge.

Einige mögen argumentieren, die De-Professionalisierung sei kein wichtiges Thema oder eine natürliche Folge der gesellschaftlichen Entwicklung, die schon wieder vorbeiziehen werde. Das Gegenteil ist richtig. Die beschriebene Entwicklung bedeutet eine unmittelbare Gefahr.

Allein der mit missionarischem Eifer vorgetragene stumpfe Glaube an Prognosen, die auf Zeithorizonte von einhundert Jahren oder mehr abzielen, ist gefährlich, denn auf einer solch absurd wackligen Basis werden schon jetzt massive Eingriffe in die wirtschaftlichen Prozesse und in das Privatleben vorgenommen. Manche dieser Eingriffe sind bereits nach wenigen Jahren kaum mehr bzw. nur mit enormem Aufwand zu revidieren. Es ist daher wichtig, groteske Entwicklungen nicht als harmlos zu ignorieren, weil man vielleicht bei vielen Punkten (noch) nicht direkt selbst betroffen ist. Schwachsinn muss immer und überall als Schwachsinn benannt werden.

So mag mancher erleichtert sein, weil es ihm in der aktuellen Situation noch vergleichsweise gut geht oder er aufgrund seiner guten Ausbildung sogar Vorteile aus dem Mangel an fähigen Konkurrenten zieht. Langfristig jedoch können die De-Professionalisierung und die Ideologisierung derart schwerwiegende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft haben, dass die Übergriffe des Staates heftiger werden und – natürlich nur aus Gründen der Solidarität – alle dran sind. Bereits jetzt wird von Mitgliedern der Regierungsparteien offen über Enteignungen und drakonische Strafen für nicht gefügige Bürger gesprochen. Wer diese offenen Drohungen als Ausrutscher oder „aus dem Kontext gerissen“ verklärt, der ist höflich formuliert optimistisch.

Im Kleinen kann jeder der De-Professionalisierung durch kontinuierliches Lernen, aber auch durch die Weitergabe seiner Kenntnisse beispielsweise als Ausbilder beitragen, so frustrierend dies von Zeit zu Zeit auch sein mag. Jeder Mensch, dem man etwas beibringen konnte und der daraufhin Spaß an dem hat, was er gelernt hat und nun kann, ist auch für die Gesellschaft ein Schritt in die richtige Richtung. Alles ist besser als im Kreis sitzend zu jammern und anstatt selbst etwas auf die Beine zu stellen alles immer von anderen zu fordern. Wer etwas für die Umwelt tun möchte, kann beispielsweise als gut ausgebildeter Verfahrenstechniker mehr erreichen, als alle Jammerlappen zusammen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Sich über die aktuellen Zustände zu ärgern ist natürlich und gehört zum Menschsein dazu. Die Aufregung sollte jedoch nicht den größten Teil des Lebens einnehmen. Das wäre schade. Wer es schafft, auch nur einem Mitmenschen Dinge wie Verantwortungsbewusstsein, Integrität und einen Sinn für Sorgfalt bei und Freude an der Arbeit zu vermitteln, der hat schon viel für uns alle erreicht.

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