Viele Länder stecken derzeit in einer weitgehend selbst verursachten Misere. Thomas Sowell hat eine der wichtigsten Ursachen der aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme benannt. Der US-Ökonom sagte, in den letzten Jahrzehnten sei an vielen Stellen das, was funktioniere, durch das ersetzt worden, was sich gut anhöre. So fällt einerseits eine grassierende fachliche Unfähigkeit bei gleichzeitig hohem Sendungsbewusstsein auf. Sie wird häufig begleitet von der fehlenden Bereitschaft, Kritik zu akzeptieren und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen. „Nein, das Objekt direkt voraus kann kein Eisberg sein. Und wenn es doch einer ein sollte, spielt es keine Rolle. Wir sind schließlich unsinkbar.“

Das Ausblenden existierender Probleme im Hier und Jetzt sowie die bewusste Hinnahme einer weiteren Verschlechterung der Situation trägt in Verbindung mit dem Versprechen einer seligen Zukunft für all diejenigen, die sich gefügig dem von Menschen ohne Ausbildung und oft auch ohne Bildung entworfenen Wohlverhaltens-Diktat unterwerfen, sektenhafte Züge.

Auch der säkularisierte Urbanist bedarf offenbar einer Erlösungsversprechung. Gerne bedient er sich zur Befriedigung des Seelenheils des praktischerweise zu diesem Zwecke erfundenen Ablasshandels. Damit dieses Gesamtkunstwerk einen nicht allzu religiösen Eindruck erweckt, der bekanntlich verpönt ist, tut man so, als orientiere man sich streng an wissenschaftlichen Grundsätzen. Die von den zugehörigen Hohepriestern eingesetzten Modelle sind jedoch oft der Religion näher als der Wissenschaft. Entsprechend inquisitorisch reagiert die Gemeinde denn auch, wenn sie von außen auf allzu offensichtlichen Unfug hingewiesen wird.

Die Leichtigkeit, mit der sicher eintretende Schäden hingenommen werden, um ein irgendwann vermeintlich entstehendes Übel abzuwenden, ist bemerkenswert. Das gilt insbesondere deshalb, weil die erwarteten Eintrittswahrscheinlichkeiten der prophezeiten Ereignisse oft auf geradezu grotesk vereinfachenden Modellen basieren. Freunde der Mathematik erkennen in diesen Fällen alle Symptome einer klassischen „Ein-Faktor-Linearitis“. Diese ist einfach zu diagnostizieren.

Es werden Modelle komplexer Systeme entworfen, die auf wenigen und teilweise nur einem einzigen Faktor basieren. Solche Modelle lassen sich immer so anpassen („fitten“), dass sie die Vergangenheit sehr gut abbilden. Jeder Laie kann ein paar schöne Grafiken mit einer Statistiksoftware erzeugen. Selbst der größte mathematische Blödsinn erweckt verziert mit einer hübschen Visualisierung leider oft einen seriösen Eindruck. Die systematischen Fehler zeigen sich später und werden im Gegensatz zu den Prognosen in der Regel nicht mehr verbreitet. Denn bei ihrer eigentlichen Aufgabe, der Prognose, scheitern die überoptimierten Ansätze ausnahmslos.

Bei der Erklärung der mit der Zeit zwangsläufig sichtbaren Abweichungen der Modellprognosen von der Realität ist dann oft keine Ausrede zu peinlich. So ist Kälte ein Beweis für Wärme und Wärme wiederum ein Beleg für Wärme. Das Modell muss schließlich korrekt sein, stellt es doch den Unterbau der Ideologie dar. Dieses Vorgehen erinnert entfernt an die Hexenprobe, womit sich auch hier der Kreis zum Religiösen schließt.

Neben dauerhaften Wiederholungen teils fragwürdig hergeleiteter Vermutungen verstärken bunte Bildchen und vor allem der Faktor Angst den Eindruck, das alles werde schon stimmen. Menschen überschätzen allerdings die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Ereignissen, vor denen sie große Angst haben, bzw. vor denen ihnen Angst gemacht wird, oft deutlich. Da viele Menschen zudem den Antrieb haben, etwas zu tun, was gesellschaftlich oder heutzutage vielmehr medial anerkannt ist und gelobt wird, treffen bei manchen Themen die Angst und das gefühlt „gute Handeln“ zusammen. Das Sägen am eigenen Ast endet oft erst dann, wenn der Ast auf dem Boden aufschlägt. Der Absturz muss seine Ursache freilich im Zustand des Astes haben. Mit der Sägerei kann das nichts zu tun haben.

Ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Handlungen ist die Messbarkeit der daraus resultierenden Auswirkungen. Unabhängig vom Betätigungsfeld weiß dies jeder, der jemals ernsthaft darauf aus war, Fortschritte zu erzielen. Dabei ist es egal, ob es sich um die Verbesserung von Materialien, die Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit, den Erfolg einer Diät oder die Verbesserung der Resultate eines Traders handelt. Immer stehen Messbarkeit und Kontrolle im Vordergrund.

Die Trainer und Betreuer professioneller Sportler werten unzählige Daten aus und jeder ernstzunehmende und langfristig erfolgreiche Trader hält seine Transaktionen sowie die relevanten Risiko- und Ertragsparameter nach und analysiert diese regelmäßig. Egal wie gut man ist, immer lässt sich etwas verbessern.

Vor allem aber kann die nüchterne Auswertung von Daten das Einschleichen von Schludrigkeiten und „gefühlten Wahrheiten“ verhindern. Wenn jemand glaubt, er verliere beim Trading nur deshalb Geld, weil „der Markt“ manipuliert sei, der wird es im Trading nicht weit bringen. Das Prinzip des Messens und Verbesserns ist universell. Es garantiert keine Verbesserungen, aber es verhindert, in eine der zahlreichen Fallen des menschlichen Gedächtnisses und Selbstbetrugs zu tappen. Nur weil sich etwas gerecht, gesund oder profitabel anhört, muss es das noch lange sich sein.

In politischen Kreisen und weiten Teilen der Medien ist nicht erst seit ein paar Jahren eine Abkehr von diesem Prinzip zu erkennen. Zwar war das Schachern um Wählerstimmen schon immer von zweifelhaften Appellen und Panikmache geprägt. Angesichts der immer deutlicher zu Tage tretenden Inkonsistenzen und Absurditäten sträuben sich jedoch nicht nur technisch und wissenschaftlich versierten Zeitgenossen die Nackenhaare.

Wenn mancher die Ideologie und das eigene Wunschdenken beiseitestellen und die freie Zeit mit der Auswertung der zahlreichen kostenlos verfügbaren Datenquellen verwenden würde, anstatt auf Twitter nach Proponenten seiner eigenen Meinung zu suchen, dann würde dies einer breiten Diskussion guttun. Davon könnten alle Seiten profitieren. Aber manch einer fühlt sich ja besonders demokratisch, wenn er nicht mit allen spricht. Kälte ist eben Wärme, und Wärme auch Kälte. Wenn man das einmal verstanden hat, erklärt sich der Rest wie von selbst.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Wenn Sie die Möglichkeit haben, bei der Beurteilung von Sachverhalten auf Rohdaten zuzugreifen, dann sollten sie diese Gelegenheit nutzen. Diese Daten erhalten Sie in der Regel kostenlos und oft sogar in gut aufbereiteter Form. Für gesellschaftliche und ökonomische Daten sind Eurostat, Destatis oder auch FRED, das Portal der Fed St. Louis empfehlenswert. Auch für andere Themen, wie z.B. Energie und Gesundheit gibt es teils hervorragende Datenquellen. Sie werden überrascht sein, wie oft die Daten von dem abweichen, was so mancher Protagonist immer wieder in den Medien verkündet. Viel Vergnügen!

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