Ein Kubikmeter wird gerade bei rund 2,50 Euro gehandelt. Das ist das Zehnfache dessen, was Gas vor einem Jahr kostete. Die Sanktionen wirken nicht? Dann mehr davon! Rechnet man die Gassteuer für Uniper und die gesenkte Mehrwertsteuer mit ein, ist Gas binnen eines Jahres zum Luxusgut geworden. Doch Angst ist keine kluge Stimme.

Die Heizölpreise sind von einst 60 Euro pro 100 Liter im Schnitt auf 157 Euro gestiegen. Ein 5.000-Liter-Fass kostet 8.000 Euro. Das interessiert Herrn Winter wenig. Dabei sparen wir doch wie die Weltmeister. In dieser Woche wurde erstaunlicherweise extrem viel Gas verstromt und nach Frankreich geliefert. Dort ist Strom extrem knapp, weil die Atomkraftwerke entweder gewartet werden oder zu wenig Kühlwasser haben. Eine Kilowattstunde kostet dort im Handel einen Euro. Das lohnt sich, sagt der Gasverstromer hierzulande. Wir müssen solidarisch sein, wenn es andere schon nicht sind.

Nicht nur die Grün*Innen kommen gerade mit allerhand Spartipps um die Ecke: „Der Waschlappen ist auch eine brauchbare Erfindung“ belehrt uns Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, um Gas zu sparen. Fein! Seltsam, dass die besten Spartipps von denen mit guten Einkommen gereicht werden. Was kommt als Nächstes? Wer rät den Leuten, wenn es kalt wird, sich in eine Ecke zu stellen, weil dort immer 90 Grad sind?

Wenn der Staat Vorgaben zur Körperpflege macht, dann haben wir ein Niveau erreicht, das schwerlich unterboten werden kann“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki der „Bild“. Doch! Wir werden noch staunen. Wenn demnächst die Kraftstoffpreise wieder steigen und das Neun-Euro-Ticket ausläuft, könnte man es ja mit einem fliegenden Gebetsteppich versuchen.

Der nächste Schocker wird die nächste Stromrechnung. An der Leipziger Strombörse EEX kostet eine Kilowattstunde fast 0,60 Euro, also siebenmal mehr als vor einem Jahr. Zuzüglich Grundgebühr, Entgelte und Steuern ist die Ein-Euro-Marke nah. Die Wunderlampe von Aladin würde vielleicht helfen. Doch der Vormitternachtsschlaf ist ohnehin der gesündeste Schlaf.

Gürtel enger schnallen

Da bleibt nicht mehr viel übrig für Schnickschnack. Wenn es nur noch für das Nötigste reicht, wird der Konsum stranguliert und der Einzelhandel kollabiert. So funktionieren Märkte. Laut Sparkassenverband werden bald 60 Prozent der Haushalte ihr komplettes Geld für die Lebenshaltung ausgeben. Theater, Kinos und Restaurants stehen auf der Prioritätenliste wahrscheinlich nicht ganz oben. Schwimmbäder bleiben kalt. Straßenbeleuchtung und Werbeflächen werden nachts abgeschaltet. Etwas weniger Lichtverschmutzung kann nicht schaden. Es wird wieder selbst gekocht, statt der Lieferdienst bemüht, sofern es noch genügend Strom und Gas gibt - und nicht die millionenfachen Heizlüfter im „besten Deutschland aller Zeiten“ das Stromnetz zu Fall bringen.

Die Industrie als Rückgrat unserer Wirtschaft erleidet gerade schwere Bandscheibenvorfälle. Energieintensive Produktion wird heruntergefahren und wandert wohl künftig ins Ausland. Ob das die Börse auch weiter so einfach wegsteckt? International aufgestellte Konzerne werden wahrscheinlich weniger Probleme haben als der deutsche Mittelstand.

Auch im Agrarhandel tobt der Preiskrieg. Dünger kostet derzeit weit über 700 Euro pro Tonne. Normale Preise pendelten früher zwischen 150 und 250 Euro pro Tonne. Für Landwirte ist das herkömmliche Düngen unbezahlbar geworden. Deshalb explodiert jetzt sogar der Güllepreis. Ohne genügend Dünger dürften die Ernten im nächsten Jahr weit geringer ausfallen - oder die Preise müssen steigen. Die Erzeugerpreise als Vorboten der allgemeinen Teuerung sind durch die gestiegenen Energiepreise weiter durch die Decke gegangen. Im Juli stiegen sie gegenüber dem Juni um 5,3 Prozent und gegenüber dem Vorjahr um 37,2 Prozent. Man kann Schlimmes ahnen.

In Europa wurde die Inflation im Juli mit 8,9 Prozent ausgewiesen. Entsprechend sank die Kaufkraft des Euro, und auch noch sein Außenwert. Was kann man tun, außer sich einzuschränken? Wir könnten uns wie damals im Corona-Winter abends auf die Balkone stellen und für die Gas- und Stromkonzerne klatschen, statt deren extreme Preiserhöhungen zu bezahlen. Bei Krankenschwestern und Pflegepersonal hat es ja auch gereicht. Nein? Nein!

„Was bedeutet das für mich konkret?!“

Wie im ersten Corona-Winter treiben die Preise gerade die Angst vor der Angst. Diese Angst ist ansteckend wie ein Virus. Kommt es am Ende doch nicht so schlimm? Wir wissen es nicht. Früher hat man Geld gespart, und jetzt Strom und Gas. Vielleicht werden wir auch merken, dass es mit etwas weniger auch geht? Aber die Frage stellt sich, wer dafür die Verantwortung trägt und wie sinnvoll sich diese Entscheidung am Ende herausstellen. Erst einmal ist die Party vorbei. Machen wir das Beste draus! Und was wir noch nicht kennen, lernen wir dann. Hat doch was!

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