Allen Schwarzmalereien zum Trotz ist es ein Land mit viel mehr als nur Banken und Porridge. Nicht nur auf Grund der Sprache hat Großbritannien im globalen Mit- und Gegeneinander der Wirtschaftsräume einige Vorteile gegenüber den Kleinstaaten Kontinentaleuropas.

   

Das mittlerweile dahin geschiedene Imperium hat einige bleibende Spuren hinterlassen. Vor allem die weltweite Ausbreitung der britischen Sprache ist ein enormer Vorteil für die Briten. Diese dominiert nach wie vor die wissenschaftlichen Veröffentlichungen, wird in vielen Ländern als erste Fremdsprache oder - wie in Singapur - als erste Sprache gelehrt und breitet sich auch als kleinster gemeinsamer Nenner der meisten Reisenden auf dem Planeten aus.

Sie pflanzt sich nicht nur in Schrift und Sprache des Alltags, sondern in weniger prosaischer Form fort bis in fast alle Programmiersprachen. Mag das Hochchinesisch auch künftig an Bedeutung gewinnen, so wird dies nicht über Nacht geschehen und eine Programmiersprache auf Basis chinesischer Schriftzeichen oder Pinyin-Umschrift ist vermutlich auf absehbare Zeit eher ein interessantes kreatives Experiment als eine praktikable Lösung.

    

Neben der Sprache kommt den Briten auch die hierzulande viel gescholtene angelsächsische Ausrichtung der Wirtschaft zu Gute. Sollten die Briten aus der EU austreten, könnten sie viele der ungeliebten bürokratischen Fesseln abwerfen, die nicht wenige zum einen als zunehmend penetrante Bevormundung empfinden und die sich zum anderen immer mehr als großes Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung herausstellen. Am Finanzmarkt sei hier als kleines Beispiel die unselige MiFid 2 Regulierung erwähnt.

Wie so viele Regelungen wurde auch dieses Monstrum eingeführt, um „die Kunden“ zu schützen. Im Großen und Ganzen löst dieses Gesetz jedoch unabhängig davon, ob es gut gemeint ist - oder auch nicht, einen Wust an Berichts- und Meldepflichten aus, denen kein Gewinn von Sicherheit und kaum ein Funken Transparenz für die breite Kundschaft gegenübersteht. Für Menschen mit Erfahrungen aus der Zeit des real existierenden Planwirtschafts-Irrsinns ist dieses Resultat nicht überraschend, sondern logisch zwingend.

    

Der britische Bankensektor hat sich nach der Krise zwar nicht so gut erholt wie der in der Breite, teils massiv zwangsrekapitalisierte US-Sektor. Dennoch sind die Wettbewerbsvorteile gegenüber vielen europäischen Instituten auch im extrem regulierten Umfeld sichtbar. Dazu ist es nicht einmal nötig, Deutschland als europäischen Ground Zero der Finanzbranche en detail zu betrachten.

Die Möglichkeit, sich eines Teils der Brüsseler Überregulierung zu entledigen, und sich bei den gesetzlichen Restriktionen nicht an der EU, sondern an erfolgreicheren und in die Zukunft blickenden Regionen der Welt zu orientieren, würde die Wettbewerbsposition der britischen Institute weiter verbessern. Die Argumente aus der Politik, mit diesen britischen Instituten werde man dann halt nicht mehr zusammenarbeiten, sollte man beruhigt in den Karton mit der Aufschrift „Drohgebärden“ ablegen, denn die Fähigkeiten der zunehmend wüstenartigen Bankenlandschaft Deutschlands und weiter Teile Kontinentaleuropas, global erwähnenswerte Transaktionen zu begleiten, nimmt Jahr für Jahr ab - und mit den Banken anderer Kontinente wird bekanntlich ebenfalls zusammengearbeitet.

„Den bösen Kapitalmarkt wollen und brauchen wir doch gar nicht mehr!“ werden manche Zeitgenossen ausrufen, um drei Sätze weiter den aufwändigen und teuren Weg zum Kapital für Mittelständler und den dürren Strom an verfügbarem Wagniskapital zu beklagen. Einige hätten eben gerne gleichzeitig hohe Milchpreise für die Bauern und niedrige Milchpreise für die Konsumenten. Willkommen in der Realität.

    

Ohnehin wird die Bedeutung des Finanzsektors für die Briten überschätzt. Natürlich kann man auf der Insel eine Bankenkrise mit zahlreichen Ausfällen großer Institute ökonomisch ebenso wenig gebrauchen, wie überall auf dem Planeten. Das bedeutet jedoch nicht, es gäbe abseits des Finanzsektors keine nennenswerten britischen Unternehmen. Die klassischen Sektoren Pharma, Rüstung, Energie und Rohstoffe sind ebenso prominent vertreten wie die bekannten global agierenden Banken.

Garniert mit nennenswerter Forschung und Entwicklung sowie einem erwachsenen Finanzmarkt – da darf nicht nur der Michel, trotz seiner vielerorts bemerkenswerten Mittelständler durchaus neidisch werden.  Was könnte man über andere wirtschaftlich deutlich einseitiger ausgerichtete Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sagen, wenn man davon ausgeht, ausgerechnet die Briten wären als unabhängiger Staat nicht lebensfähig?

Warum sollte ausgerechnet die fünfgrößte Wirtschaftsnation der Erde nur innerhalb des Brüsseler Biotops überlebensfähig sein, während dies für Länder wie Malaysia, Indonesien, Singapur, Australien, die Schweiz, Russland, Brasilien oder Indien allen Unterschieden zum Trotz offenbar nicht gilt.

Die Sorgen vor dem Brexit sollten angesichts eines Austritts eines Nettozahlers mit respektablem Militär in Berlin, Paris und Brüssel größer sein, als in London und Birmingham. Aber für Selbstzweifel ist im ideologischen Rausch kein Platz. An den 30 Millionen Einwohnern, die man mehr zählt als Kanada oder an den 15 respektive 40 Millionen, die man mehr auf die Waage bringt als Südkorea oder Australien kann es ebenfalls kaum liegen.

Da es den viel und oft beschworenen gemeinsamen europäischen Fahrplan angesichts der kulturellen, sprachlichen und ökonomischen Heterogenität in der Eurozone womöglich nie geben wird, können die Briten guten Mutes in die EU-freie Zukunft schauen. Es dürfte sich als Vorteil entpuppen, wenn die Briten wieder wissen, dass sie nur für Ihre Wirtschaft - und nicht gleichzeitig für die von Malta, der Niederlande und Süditalien gleichzeitig - verhandeln müssen. Von daher sollten sich die Briten keine Angst einjagen lassen - wozu sie ohnehin nicht neigen.

Die Kontinentaleuropäer hingegen sollten vom hohen Ross der vermeintlichen moralischen Überlegenheit herunter steigen und mit den Briten zunächst hart verhandeln und dann kooperieren. Ideologisches Geplapper kostet nur Zeit.

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