Ein paar starke Kurseinbrüche und die damit einhergehenden sprunghaft ansteigenden Handelsspannen von Aktien und anderen Anlageklassen haben bereits zahlreiche nervliche Wracks hinterlassen. Plötzlich auftretende, stärkere Kursausschläge sind aus zweierlei Gründen schwierig zu verarbeiten. Zum einen verhält sich die Volatilität im Zeitverlauf nicht gleichmäßig sondern wechselt zwischen ruhigen und unruhigen Phasen. In den langen Phasen der Ruhe gewöhnen sich Anleger an die sturmfreie Zeit. Der folgende Chart zeigt den Verlauf des CBOE Volatility Index in den vergangenen 20 Jahren.

 

Der stete Wechsel von Ruhe und Starkwind ist gut zu sehen. Auch die Stürme treten deutlich hervor. Ein Umschwung von einer Phase in die nächste erfolgt in der Regel mit wenig Vorlaufzeit, was eine langsame Gewöhnung an die neuen Verhältnisse nicht verhindert. Die Phase der Ruhe hält oft deutlich länger an, als viele glauben mögen. Zahlreiche Kurseinschläge erweisen sich in solchen Jahren als gute Einstiegsgelegenheiten. Das klassische “buy the dip”, der Kauf jedes Rückschlags, hat Konjunktur. Irgendwann folgt auf den ersten starken Kursrückgang dann keine Erholung mehr und die eben noch frohen Mutes aufgestockten Positionen werden en masse abgestoßen. Wer weiß schon, wann der Markt sich wieder beruhigt. Erst in dieser Phase erinnern sich die Anleger wieder daran, dass ein stark fallender Aktienmarkt einem brennenden Theater ähnelt. Aus diesem Theater kann man jedoch erst dann herauslaufen, wenn man vorher jemanden findet, der einem den eigenen Sitzplatz abkauft.

Ein rascher Abverkauf treibt die Schwankungsbreiten deutlich nach oben. Nach einer langen Phase der Ruhe fällt vielen die Gewöhnung an die vergrößerten täglichen Handelsspannen schwer. Waren eben noch 200 Punkte im Dax eine Menge, so sind jetzt auch 500 Punkte nichts Besonderes. Wichtig ist es, sich schnell mit der neuen Situation vertraut zu machen, und einen Kursrutsch oder einen Anstieg von 500 Punkten nicht so zu interpretieren, als wäre man noch im Umfeld niedriger Schwankungsbreiten. Man hat buchstäblich die finanzielle Klimazone gewechselt. Das milde maritime Klima mit kühleren Sommern und wärmeren Wintern hat man gegen das kontinentale Klima mit seinen heißen Sommern und kalten Wintern eingetauscht. Minusgerade von 20° oder darunter entlocken dem Sibirier nicht einmal ein müdes Lächeln.

An dieses finanzielle Klima sollte man sich nun schnell gewöhnen und seine Nachrichten-Rezeptoren entsprechend auspolstern. Wenn Ihnen jemand jetzt jede größere Kursbewegung nach oben oder unten als bedeutungsvoll präsentiert, dann sollten Sie diese Information vor dem Hintergrund des veränderten Umfelds interpretieren. Vieles was dramatisch aussieht ist – ob es wehtut oder Freude macht – nichts als Rauschen.

Neben der Eigenschaft, nach langen stabilen Phasen sprunghaft anzusteigen, haben die Schwankungsbreiten der Finanzmärkte eine weitere Eigenschaft. Sie kehren über die Zeit wieder zu einem mittleren Bewertungsniveau zurück. Das gilt natürlich nicht für jedes einzelne Wertpapier oder winzige Aktienmärkte. Auch zukünftig wird manche Aktie auf Null und manche Anleihe auf den recovery value fallen. Langfristige Aussagen beziehen sich auf möglichst breite Anlageuniversen und Allokationen, in denen einzelne Ausreißer nach oben oder unten keine dominierende Rolle spielen. Der Zeithorizont muss freilich großzügig bemessen sein. Das alleine ist für viele Menschen ein Problem. Während Meinungen allgemein überschätzt werden, bleibt Geduld leider eine unterschätzte Eigenschaft.

Die folgende Grafik zeigt den MSCI World Index in einem Zeitraum, der ein paar Krisen zu bieten hatte.

 

In den letzten Wochen erreichte die Schwankungsbreite wieder das Niveau der Finanzkrise 2008/2009. Die Schwankungsbreite des Crashs 1987 lag noch einmal deutlich höher, die des Platzens der Tech-Bubble zur Jahrtausendwende lag um einige Punkte darunter. Im Zeitverlauf kamen viele Dinge dazwischen, die seinerzeit die Nachrichten und die Märkte dominierten. Die hochinflationären 70er Jahre, der kalte Krieg und einige wärmere Kriege, Maoismus und der daraus resultierende Totalkollaps Chinas, der nicht geplante Zusammenbruch zahlreicher Planwirtschaften sowie zahlreiche sonstige Katastrophen, mit der uns die Natur oder wir uns selbst beunglückt haben.


Sollte die Volatilität mal wieder an ihren Nerven zerren, dann stellen Sie sich den sibirischen Winter vor. Und denken sie positiv: Bei minus 20 Grad gibt es keine Mücken.

„Was bedeutet das konkret für mich?!“

Anleger sollten sich rasch an das veränderte Umfeld deutlich höheren Schwankungsbreiten gewöhnen. Informationen, die vermeintlich “überraschend” große Kursbewegungen mit oft rein zufällig dazu passenden Stories aus dem Weltgeschehen in Zusammenhang bringen, sollte man bestenfalls unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltung betrachten. Bleiben Sie immer konstruktiv und vermeiden Sie es, nur in eine Richtung zu denken.

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