Kommt es also zum Happy End wie im Märchen? Leider enden Märchen genau dann, wenn alles gut ist, z.B. der reiche Prinz die arme Bauernmagd heiratet. Und warum? Weil schon die Gebrüder Grimm wussten, dass nach der Hochzeit die Probleme erst anfangen. Über diese schnöde Realität wollten sie nicht schreiben. Die Illusion sollte nicht zerstört werden.
Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein
Auch Europa sollte den politisch märchenhaften Augenblick nicht als Standard fortschreiben. Ja, es gibt wieder mehr internationale Kooperation, mehr Verlässlichkeit und weniger Schießen aus der Hüfte. Doch wird es unter Biden keine amerikanische 180°-Wende zurück in die transatlantische Happy Hour geben.
Biden mag Europa durchaus, aber Liebe ist es nicht. Geliebt wurde Europa im Kalten Krieg, als es Frontregion zum Warschauer Pakt war. Heute ist die Pazifikregion strategisch viel wichtiger und damit begehrter. Insofern wird Biden auf transatlantischer Ebene rationale Beziehungsoptimierung mit viel Mitgift für sich betreiben.
Wenn also Amerika die Europäer geopolitisch aufwertet, wird die EU Gegenleistungen erbringen müssen. So wird ein gemeinsames Vorgehen gegen China nicht nur gewünscht, sondern erwartet. Das diplomatische Taktieren Europas zwischen den USA und China schätzt man in Washington nicht. Und wenn Huawei die europäischen 5G-Netzte errichtet und die Ostsee-Pipeline weitergebaut wird, gibt es zwar keine öffentlichen Verbalentgleisungen über Twitter. Doch wird uns die neue US-Regierung mit freundlichem Lächeln spüren lassen, wer am längeren Hebel sitzt. Und Rabatte auf NATO-Beiträge gibt es auch unter einer neuen Präsidentschaft nicht.
Ohnehin ist gerade aktuell Amerika das eigene Hemd näher als der europäische Rock. Biden wird zunächst die innenpolitische Spaltung überwinden müssen und sich der medizinischen wie ökonomischen Bekämpfung von Corona widmen. Zu diesem Zweck denkt er durchaus „Trump-istisch“: Um Jobs zu schaffen propagiert er Buy American und Produktion im In-, nicht im Ausland. Auch „freundlich formulierte“ Zölle sind nicht ausgeschlossen. Biden hat nichts gegen deutsche Autos, wenn sie in den USA von amerikanischen Arbeitern zusammengeschraubt werden. Dass wir also wie früher jede in Deutschland gefertigte Kuckucksuhr hemmungslos auf die andere Seite des Atlantiks exportieren, ist ausgeschlossen.
Make Europa finally great
Will Europa wirklich alle vier Jahre wieder ängstlich auf die US-Präsidentenwahl schauen wie das Kaninchen auf die Schlange - und hoffen, dass bloß ein europafreundliche(r) Kandidat oder Kandidatin im Oval Office sitzt?
Europa muss endlich aufhören, geopolitisch nur Amboss zu sein. Wir müssen zum Hammer werden. Es ist sicher nicht einfach, die Kakophonie von 27 EU-Länder zu beenden und mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen. Da hat es der Hegemon Amerika viel einfacher. Aber haben wir eine Alternative? Halten wir uns trotz der innereuropäischen Differenzen doch an eine alte Militärweisheit: „Das stärkste Band der Freundschaft ist ein gemeinsamer Feind.“
Und hören wir bitte auf, uns nur als moralische Supermacht, ein Europa der Herzen zu definieren. In einer autoritärer werdenden Welt, in der sich jeder selbst der Nächste ist, gewinnt man nur mit dem Werfen von Wattebällchen keinen geopolitischen Einfluss. Man darf manchmal auch zeigen, was eine Harke ist. Oft hat man den Eindruck, dass die europäische Hypermoral als Alibi genutzt wird, bloß keine schmerzhaften Entscheidungen zu treffen, selbst wenn sie zur Aufwertung Europas dringend erforderlich sind. Europa will nach innen und außen bloß keinem wehtun. Aber man kann es nicht allen Recht machen.
Da Amerika uns wirtschafts- und handelspolitisch nicht mehr ans Händchen nimmt, müssen wir uns selbst führen. Statt aufgewärmter sozialistischer Ideologie müssen wieder die marktwirtschaftlichen Ärmel aufgekrempelt werden. Wie oft muss man eigentlich noch wiederholen, dass Staatswirtschaft schon immer der Highway to Hell war, auf der der Wohlstand an die Wand fährt.
Wirtschaftskompetenz darf nicht zum Schimpfwort werden. Innovationspolitik, Wettbewerbsfähigkeit, ja, das Leistungsprinzip kann man in einer egoistischen und konkurrenzstarken Welt nicht „links“ liegen lassen. Nicht zuletzt geht es um die wirtschaftlichen Chancen des neuen Megathemas Klimaschutz. Nachdem wir die Digitalisierung haben schleifen lassen, müssen wir aufpassen, dass uns Bidens Vision eines Green America hierbei nicht den Scheid abkauft.
Die EZB alleine kann uns nicht retten. Wenn sie zum Financier der europäischen Staatswirtschaft verkommt, werden (wirtschafts-)politischer Müßiggang und Reformverweigerung auch noch belohnt.
„Was heißt das konkret für mich!?“
Sollte Europa keine Wende schaffen, wird sich die lange Underperformance europäischer Aktien gegenüber der amerikanischen Konkurrenz nicht nur fortsetzen, sondern noch verstärken.
Deutlich wird die Innovations-Underperformance übrigens auch mit Blick auf die Minderentwicklung des TecDAX gegenüber dem US-Technologieindex Nasdaq Composite.
Europa muss die US-Wahl 2020 als finalen Weckruf verstehen. Hoffentlich hat Brüssel die Weckfunktion nicht ausgeschaltet. Denn dann verschlafen wir die Zukunft noch mehr.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725
Kommentare
Welches Schweinderl hättens denn gern?
Natürlich wechselten die Koalitionen immer mal wieder.
Schauen wir also hinaus in die reale Welt so ehen wir:
USA, Europa, China, Russland. Wer ist also wer?
USA & Europa gegen China & Russland? Eher unwahrscheinlich.
Europa wird sich jedoch nicht emanzipieren um mit Russland gemeinsam eine Wirtschaftsunion zubilden, obwohl das die vernünftigste Variante wäre. Doch die Transatlantiker stecken viel zu tief im A**** des US-Establishments um das zu begreifen.
China & Russland als Verbündete? Möglich, vielleicht als Zweckbündnis um einen Zwei-Fronten-Krieg zu vermeiden. Dabei bleibt Russland die starke Regionalmacht und China wird zur globalen Wirtschaftsmacht.
Europa ist auf jeden Fall der Verlierer, damit werden wir leben müssen
Was will man mit einem Hofschranzen der USA auch anfangen? -Wertstoffhöfe für augediente
Politiker gibts leider nicht!
Satana Merkel beantwortet mit einem Achselzucken ein Ausspähen der NSA bei ihrem Handy,
kümmert sich wenig um Faschismus in Spanien, (Katalonien wurde seinerzeit von Franco reingeprügelt) wenn da rechtswidrig demokratisch gewählte Politiker verfolgt werden.
Der Völkerrechtswidrige Angriffskrieg im Kosovo war ja auch nicht tragisch, mein Gott,
sterben halt heute noch Menschen an den damals verschossenen Uranmantel-Geschossen.
(Achtung Ironie)
Erdogan läßt man gewähren wie seinerzeit den Adolf, bloß um Flüchtlinge fernzuhalten, was solls?
Und last-but-not-least Erpressungen gegen Mitglieder des Gerichtshofs in Den Haag seitens USA,
weil die dürfen nicht gegen Amis ermitteln und anklagen.
Europa ist weiter der Hofnarr der Geopolitik und fühlt sich auch weiter wohl bei jedem Lacher.
In Zeiten wie diesen mögen mir solche Vokabeln gar nicht gefallen.
Deutschland...........denn die Deutsche Elite (nicht die Regierung) macht es so weiter wie sie es schon bei
Na, dann fangen wir doch mal bei den Polen und den Ungarn an, die Kohle abgreifen und den anderen Mitgliedern auf der Nase rumtanzen. Wer die Musik bezahlt sollte auch bestimmen was gespielt wird.
Schönes Wochenende!
1.] Bitte machen Sie unsere Märchenillusion nicht kaputt. Nein den kleinen Buben hätte man nicht
die Story der Prinzessin erzählen sollen wohl eher den des Hausdrachen. So spekuliere ich darauf,
daß unser Held Siegfried in Wahrheit nicht gegen einen echten Drachen ..sondern nur gegen einen
im Haus gekämpft hat ... natürlich verstehe ich und akzeptiere wenn es die weibliche Seite
analog ähnlich sieht. Zum Schluß aber gilt .... am Ende wird alles gut und wenn es noch nicht gut
ist ........so war es noch nicht das Ende !
2.] Ohh ...Good Old Europe ! Eins Innovationspool der Geschichte - heute zum Spielball ausländischer
Mächte. Was kann man nur tun wenn ... sorry .... die aktiven Politiker einfach viel zu dumm sind
..... und ich rede hier von wirklich allen Parteienspektren.
Macello !
Aber ja - fangen wir doch wie gesagt vor der eigenen Haustür erst mal an zu fegen :
@ ironalex - ja schieben wir den Herrschaften/Herrschern aus diesen beiden Ländern erst mal keine Liquidität mehr zu und zeigen Ihnen, was eine Harke ist !
@cheesemaker - warum nicht das Schweinderl Russland / Europa ?
@oldpetrus51 - genau das denke ich auch, dass die vernünftigste Variante eine Einigung mit Russland richtig wäre
Und Erdogan kassiert auch noch viele Millionen - eine Lachnummer von den Europäern !
Hoffentllich lernen wir aus dieser Nummer Amerika und werden endlich wach - es muss was passieren,damit unsere Kultur und vor allem auch Demokratie erhalten bleibt !
Nur mit wem ? Mit welcher Partei ? Welche der gewählten Politiker vertritt uns Wähler ?
Jeder denkt nur an sich selbst - die Kluft wird immer größer und der Druck des neuen Präsidenten hat noch nicht begonnen - der wird eventuell kultivierter sein aber er kommt !
Wir werden in spätestens 3 Jahren die nächsten Austrittskandidaten erleben.