„Die Lage war noch nie so ernst“…
hat Altkanzler Konrad Adenauer in seiner Amtszeit immer wieder gesagt. Ja, grundsätzlich gibt es auch jetzt in der Wirtschaft und am Aktienmarkt nichts zu beschönigen. Aber selbst wenn die Pessimisten wie bei einem Rockkonzert in Wacken alles übertönen, sollten Anleger trotzdem auch die Ohren für die leiseren Chancen-Töne spitzen.
In puncto Gas- und Strompreise können sich die auch psychologischen Beeinträchtigungen im weiteren Jahresverlauf zumindest entspannen. Demnächst kann zum Beispiel über den Rhein wetterbedingt wieder mehr Kohle zur Verstromung transportiert werden. Und Putin hat mit seiner Null-Gas-Politik seinen entscheidenden Trumpf ausgespielt. Weniger als null geht nicht.
Und jetzt muss auch die (Energie-)Politik liefern. Dazu muss vor allem der europäische Schulterschluss her. Von den USA ist hier wenig zu erwarten. Da sie nicht von russischer Energie abhängig sind, wollen sie Russland möglichst lange ausbluten zu lassen, damit es zu einer Regionalmacht wird.
Die geplanten Interventionen der EU zur Kostendämpfung und die Entkopplung von Gas- und Strompreis sind zwar nicht über jeden marktwirtschaftlichen Zweifel erhaben. Aber in einer epochalen Krise muss das in den Brunnen gefallene Kind schnell wieder herausgeholt werden.
„Zuerst das Land, dann die Partei“
Und natürlich muss die deutsche Wirtschaftspolitik ihre Hausaufgaben machen. Die ideologischen Bretter sind abzunehmen und bei den baldigen Sankt Martins-Feuern als Brennholz zu verwenden. Und dann machen wir bitte die große Familienpackung Wirtschaftskompetenz auf. Es muss aus allen Energie-Rohren geschossen werden, inklusive Kohle- und Atomstrom. Denn bis alternative Energien in die Bresche springen - wenn mit Blick auf Grundlast überhaupt möglich - wird so mancher warme Pullover noch gestrickt werden müssen. Werden diese Fakten weiter mit Scheuklappen ignoriert, sollte sich der Bundeskanzler an seine Richtlinienkompetenz erinnern. Mit der Wirtschaft, den Unternehmen und den Jobs spielt man nicht.
Zur Wirtschaftskompetenz gehört übrigens auch das Verständnis für die Wirkungsweise von Terminmärkten, die die Energiepreise in Panik ähnlich schnell nach oben getrieben haben wie der Hund die Katze auf den Baum. Würde in Deutschland eine vernünftige, pragmatische Energiepolitik betrieben, bekäme man die Katze auch wieder vom Baum herunter. Dass man höchste Energiepreis nicht einfach hinnehmen muss und Dinge sich zum Besseren wenden können, zeigen die aktuellen Gas- und Strompreise, die seit Ende August um ca. 38 bzw. 50 Prozent nachgegeben haben.
Einen Rezessionswinter wird man damit zwar nicht verhindern und die Inflation wird zunächst noch hoch bleiben. Aber wichtig ist, dass die politische Mitte in einer (Energie-)Krise einem Wutwinter und Perspektivlosigkeit entgegenwirkt. Damit gräbt man nicht zuletzt Putin das Wasser ab, der auf soziale Unruhen in Europa sehnsüchtig wartet wie Kinder auf die Bescherung an Weihnachten. Die deutsche bzw. europäische Gegenwehr macht aus einem Aggressor zwar noch keinen Gänseblümchenpflücker, böte aber zumindest langfristig die Chance, zu einer Konfliktlösung beizutragen.
Teilweise wird durch die Geländegewinne der Ukraine das Szenario eines schneller als erwartet beendeten Ukraine-Kriegs an den Märkten bereits gespielt. Theoretisch wäre es ein dramatisch positiver Game Changer für Wirtschaft und Finanzmärkte. Die negative Teufelsspirale würde zurückgedreht, (Energie-)Sanktionen könnten gelockert werden, Gaspreise fielen und die Wirtschaft könnte wieder das machen, was sie am liebsten tut: Wachsen. An diesem Punkt sind wir aber (noch) nicht. Umso wichtiger ist es, dass Europa und Deutschland Putin jetzt Wehrkraft an allen Fronten zeigt.
Im Übrigen ist Wirtschaftsstandort nicht gleich Börsenplatz. Die börsennotierten Unternehmen werden bei nicht genehmer nationaler (Energie-)Politik immer mehr international fremdgehen. Sie stehen im scharfen internationalen Wettbewerb und haben auf ideologische Sperenzchen so wenig Lust wie Sonnenanbeter auf Dauerregen. Sie sehen, dass Amerika ein verlässlicher Energiestandort mit im Vergleich geradezu paradiesischen Preisen ist. Und so zieht es auch immer mehr mittelständische Aktienunternehmen über den großen Teich.
Das müsste bei jedem Politiker in Deutschland Schmerzen auslösen, weil damit auch Arbeitsplätze exportiert werden. Der Börse dagegen ist es egal, ob Rendite im In- oder Ausland erzielt wird. Hauptsache, der Erfolg kommt.
Restriktive Geldpolitik als Auslaufmodell
Die letzten, höher als erwarteten US-Inflationszahlen haben die Aktienanleger auf dem falschen Fuß erwischt. Doch wird die US-Notenbank jetzt noch beherzter und zügiger ihre Zinserhöhungs-Mission durchführen, um der Inflation am Ende doch noch ihre Steherqualitäten zu nehmen. Die abflachende Zinsangst werden die Aktienmärkte zum Jahresende zunehmend freudig antizipieren.
Gleichzeitig muss niemand große Zinsangst seitens der EZB haben. Zinserhöhungen und Liquiditätsverknappungen mit Schaum vor dem Mund wird es mit Blick auf Konjunktur- und Schuldensorgen in Europa nicht geben.
Wie viel September-Effekt ist drin?
Wenn man dann auch noch feststellt, dass sich die Bewertungen der Aktien vergleichsweise günstig präsentieren, viele große Investorengruppen geradezu in Anlageliquidität baden und die Krisen sicherlich nicht unbekannt sind, gibt es unabhängig von der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit der Börsen-Regel Gründe für einen September-Effekt.
Es wird kein Durchmarsch werden und es wird in der dunklen und vor allem kalten Jahreszeit auch Angst und Verunsicherung geben.
Doch auch der Börsen-Herbst hat schöne Tage.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725
Kommentare
Ist es nicht jetzt schon ein Krieg der US-dominierten NATO mit Deutschland als Speerspitze, gegen Russland? Die Oliv-GRÜNEN werden's richten …
Noch ein Adenauer-Bonmot: »Der Russe steht vor der Tür«, da steht er allerdings jetzt nicht mehr, sondern viel weiter im Osten ;–/.
Entweder es ist gewollt (Fremdbestimmt), bei solch drastischen Maßnahmen wo alles am Seidenen faden hängt wie der Energie oder die grünen wollen ihr Agenda zum Abschluss bringen ( Wir Retten die Welt)
-Gebrochene Zusagen an Gorbatschow auf einen Verzicht der Nato-Ausweitung auf die ehem.
Warscher-Paktstaaten. (Bedingung zur Deutschen Wiedervereinigung)
-Aktive geheimdienstliche Beteiligung am Umsturz der legitim gewählten Regierung in der Ukraine. (Die Wahl wurde von internationalen Wahlbeobachtern nicht angezweifelt)
-Widerrechtliche Unterstützung Taiwans mit Waffenlieferungen.
(Taiwan wurde 1949 von den Siegermächten Festland_China zugesprochen, 1972 schriftlich von den USA als China zugehörig eingestuft und ist per UN-Resolution China zugehörig)
Widerrechtliche Besetzung Teilen Syriens mit anhaltendem Diebstahl von Öl.
-Unterstützung Saudi Arabiens bei dessen völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen.
Keine Frage ist der Überfall Russlands auf die Ukraine zu verurteilen und völkerrechtswidrig.
Aber das Empörungs-Gutmenschen-Gelabere des Westens dem es genauso um Macht und Einfluss in der Welt geht, als auch Russlands und Chinas ist nahezu lachhaft.
Das ist so erbärmlich, als ob ein Säufer sich über einen Kiffer aufregt, oder ein Menschenhändler
über einen Dieb.
"Wer von euch frei von Sünde ist, erhebe den ersten Stein..."
sollte der ach so christliche (Ver)-Werte-Westen mal umsetzen. Die damaligen Pharisäer sind die
heutig vermeintlichen Eliten, die auch nur ums Goldene Kalb des Mammons tanzen.
Eine grandiose Fehleinschätzung. Jeder militärische "Erfolg" der Ukraine macht das Leiden länger und härter. Russland kann und wird nicht "verlieren", dafür steht zu viel auf dem Spiel. Bevor Russland "verliert", fliegen Atombomben. An einer neutralen Ukraine führt kein Weg vorbei, außer dem des totalen Untergangs Europas.
Ein Narr, wer das nicht ernst nimmt.
Putin ist m. E. nicht der Einzige der die Energieversorgung der EU gefährdet. Ich hätte da noch einige Überlegungen und Zitate beizusteuern.
Zitat aus: EU- Energieminister verwerfen von der Leyens Pläne (https://www.cashkurs.com/gesellschaft-und-politik/beitrag/eu-energieminister-verwerfen-von-der-leyens-plaene - vom 13.9.22.)
“Nach dem ersten Tag des zweitägigen EU-Gipfels im französischen Versailles zeichnet sich ab, dass zwei zentralen Forderungen, die im Vorfeld gestellt wurden, wohl eine Absage erteilt wird: Weder soll es zu einem sofortigen EU-Importstopp für russisches Gas und Öl kommen noch zu einem schnellen EU-Beitritt der Ukraine."
Entweder Frau von der Leyen steht auf der Lohnliste von Putin und verfolgt die gleichen Ziele wie er (was nun wahrscheinlich wirklich keine(r) denkt) oder unsere Politiker bekommen das Energiechaos auch ganz ohne Putins Politik hin. Übrigens hat ein gewisser Herr Hofreiter schon am 29.3.22 gefordert: "Deutschland muss aufhören, Erdöl, Kohle und Erdgas aus Russland zu kaufen." (Quelle: https://background.tagesspiegel.de/energie-klima/boykott-fuer-oel-kohle-und-gas-aus-russland). Zum Glück konnte er sich damals - wie Frau vdL - nicht durchsetzen.
Allerdings droht aktuell immer noch ein EU-Importstopp von Öl DURCH die EU zum Jahresende. Das ist gültige EU-Beschlusslage. Also ganz deutlich: nicht Russland droht uns den ÖL-Hahn zuzudrehen, sondern die EU droht von Russland zum Jahresende kein Öl mehr abzunehmen. Echt jetzt ? In der aktuellen Energie-Lage?
Wie war das mit den sozialen Unruhen und Putin? Oder stehen die EU-Oberen auch alle auf der Gehaltsliste von Putin?
Spannend übrigens, dass die USA weiter Stahl und Holz aus Russland einführen. Seltsam: das ist legitim. Das steht nicht auf der Sanktionsliste. Ein Schelm wer böses dabei denkt. Man könnte fasst den Eindruck gewinnen, dass die Energiekrise in Europa - mit allen wirtschaftlichen und sonstigen Folgen für den Niedergang der EU - ein nicht unerwünschter Nebeneffekt unseres wichtigsten Verbündeten und unserer Schutzmacht ist. Aber das ist bestimmt nur ein unglücklicher Zufall.
Wer hat eigentlich den ökonomischen Konkurrenzkampf zwischen der USA und der EU ausgesetzt. Oder ist der immer noch - so wie unter Trump - weiter "intakt"?
in diesem Sinne
Nieder mit den Waffen - für Frieden und Völkerverständigung