Vom Entwicklungsland zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt

Seit dem Beginn der Reform- und Öffnungspolitik vor 40 Jahren erlebte die chinesische Wirtschaft einen beeindruckenden Aufstieg. Aus dem einstigen Entwicklungsland wurde die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Dies ist hauptsächlich auf die Integration des Landes in die internationale Arbeitsteilung zurückzuführen.

Im Warenexport ist China seit einigen Jahren weltweit führend; speziell bei einer Reihe von Konsumgütern nimmt es eine geradezu beherrschende Stellung auf den internationalen Märkten ein. Der für den Aufholprozess notwendige Aufbau eines leistungsfähigen Kapitalstocks führte zu einer massiven Ausweitung der Investitionstätigkeit in China. Die deutsche Wirtschaft als bedeutender Anbieter von Investitionsgütern konnte hiervon maßgeblich profitieren.

Verlangsamung des Aufholprozesses

Zwischenzeitlich verlangsamte sich der Aufholprozess deutlich. Ein wichtiger Grund hierfür war, dass das exportorientierte Wachstumsmodell an Grenzen stieß. Die chinesischen Unternehmen hatten sich auf die Produktion arbeitsintensiver Konsumgüter spezialisiert. Die entsprechenden Absatzpotenziale auf den internationalen Märkten wurden inzwischen weitgehend ausgeschöpft.

Zudem stiegen infolge einer zunehmenden Knappheit an Arbeitskräften die Löhne kräftig an, sodass sich die Kostenvorteile der chinesischen Exportwirtschaft verringerten. Zwischen 2007 und 2016 schwächte sich das Wirtschaftswachstum beinahe kontinuierlich von Jahr zu Jahr ab.

Expansive Fiskal- und Geldpolitik

Dieser Abschwächung wirkte China mit einer äußerst expansiven Fiskal- und Geldpolitik entgegen, was zu Fehlallokationen und Zunahme der Verschuldung in Form von Überinvestitionen hauptsächlich im öffentlichen Sektor und bei staatseigenen Unternehmen führte.

Werkbank der Welt

Das Wirtschaftswachstum in China wurde über lange Zeit maßgeblich von der Auslandsnachfrage getragen. Im Jahr 2001 trat das Land der Welthandelsorganisation (WTO) bei. Zwischen 2001 und 2013 vergrößerte sich der Anteil Chinas am globalen Handel von 4% auf 12%. In den letzten Jahren geriet der Exportmotor allerdings ins Stottern. Dies liegt auch daran, dass sich China angesichts seines Lohnkostenvorteils auf arbeitsintensive Produktion spezialisiert hatte.

Zwar lösten sich chinesische Exporteure schon früh von einfachen Produkten wie Bekleidung, und boten zunehmend auch höherwertige Waren, vor allem Elektronikgüter, an. Aber hier nahmen die Unternehmen meist nur den letzten Produktionsschritt vor, nämlich das Zusammensetzen von importierten Teilen und Komponenten zum Endprodukt. Wenngleich es China im Laufe der Zeit gelang, den Anteil der eigenen Wertschöpfung an seinen Exporten etwas zu steigern, blieb das Land im Wesentlichen doch in der Rolle einer „Werkbank der Welt“ verhaftet.

China soll technologisch führend werden

Ziel der chinesischen Regierung ist es, dass China mittelfristig zu den technologisch führenden Ländern aufschließt. Hierzu legte sie im Jahr 2015 den Zehnjahresplan „Made in China 2025“ auf, der ambitionierte Ziele für die Entwicklung von zehn inländischen Industriezweigen definiert, darunter Informationstechnologien, Elektromobilität und Industrieroboter. Zu den Instrumenten des Planes gehören neben Subventionen auch Beteiligungen an Firmen im Ausland.

Unterbindung von Überinvestitionen

Eine weitere wichtige Anpassung, die sich in der chinesischen Volkswirtschaft vollzieht, betrifft die Nachfrageseite. Seit etwa fünf Jahren versucht die chinesische Regierung, Überinvestitionen zu unterbinden. Ein Ansatzpunkt sind die staatseigenen Unternehmen.

Diese sollen stärker auf die Rentabilität der Mittelverwendung achten und ihre Verschuldung begrenzen. Für einzelne Industriebereiche mit chronischen Überkapazitäten, etwa Kohle und Stahl, wurden sogar Investitionsverbote ausgesprochen. Außerdem gehen die Behörden gegen spekulative Käufe auf dem Immobilienmarkt vor.

Abschwächung der Investitionen, Schub beim privaten Konsum

Vor dem Hintergrund dieser Bemühungen schwächte sich das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Investitionen in den letzten Jahren erheblich ab. Der private Konsum expandierte unterdessen anhaltend lebhaft und erhöhte dadurch sein gesamtwirtschaftliches Gewicht. Zur Aufwertung des Konsums trugen insbesondere die kräftigen Lohnsteigerungen bei.

Höherwertige Waren, wie beispielsweise Automobile, gewannen erheblich an Bedeutung. Hier spielt die zunehmende Zahl von Haushalten, die zur Mittelschicht gehören, eine wichtige Rolle. Zudem stieg der Anteil der Ausgaben, der für Dienstleistungen verwendet wird. Dadurch erlebte der chinesische Dienstleistungssektor einen Boom. Die Wertschöpfung des Dienstleistungssektors ist inzwischen um fast 30% höher als im Produzierenden Gewerbe.

Abflachung des Imports

Die spürbare Verlangsamung des chinesischen Wirtschaftswachstums in den letzten Jahren ging mit einer noch deutlicheren Abflachung der Importtätigkeit des Landes einher. Dies ist unter anderem der Neuausrichtung des Wachstumsmodells geschuldet.

So dürfte es China angesichts technologischer Durchbrüche gelungen sein, einen Teil der Importe durch inländische Produktion zu ersetzen. Noch wichtiger war wohl die Gewichtsverlagerung innerhalb der chinesischen Binnennachfrage. Da die Investitionen einen höheren Importgehalt aufweisen als der private Konsum, führt eine entsprechende Verschiebung der Nachfrage für sich genommen zu einem Rückgang der Einfuhren.

Auswirkung auf die deutsche Exportwirtschaft

Auch die deutsche Exportwirtschaft bekam die schwächere Importdynamik Chinas bereits zu spüren. Das durchschnittliche Wachstum der Exporterlöse im bilateralen Handel ermäßigte sich von 19% in den 2000er Jahren auf 7% zwischen 2011 und 2017.

Legt man den allgemeinen Preisindex für Warenexporte in Länder außerhalb des Euroraums zugrunde, ergibt sich in realer Rechnung ein Anstieg von 6% im Durchschnitt der vergangenen sieben Jahre. Dies entsprach in etwa dem Zuwachs der preisbereinigten chinesischen Einfuhren insgesamt. Somit konnte Deutschland seinen Marktanteil in China in etwa halten.

Im Jahr 2010 entfielen knapp 30% der gesamten deutschen Erlöse aus Warenausfuhren nach China allein auf Maschinen. In den letzten Jahren sind solche Exporte nur noch wenig gestiegen. Dem stand jedoch ein solider Zuwachs bei Kraftfahrzeugen und -teilen entgegen.

Ein anderer Warenbereich, der in jüngerer Zeit stark zulegen konnte, waren Datenverarbeitungsgeräte, elektronische und optische Erzeugnisse. Darunter fallen viele hochwertige Vorleistungsgüter, wie etwa Halbleiter, die China bislang noch nicht selbst produzieren kann.

Hingegen könnte der Schwenk zu höherwertigen Erzeugnissen Exporteure aus fortgeschrittenen Volkswirtschaften, gerade auch aus Deutschland, verstärkt unter Wettbewerbsdruck setzen.

Gerade für die deutsche Wirtschaft könnte sich der Wettbewerbsdruck aus China in den nächsten Jahren verschärfen. Dabei spielt eine Rolle, dass sich der Fokus der chinesischen Industriepolitik derzeit in hohem Maße auf Branchen richtet, in denen deutsche Firmen auf dem weltweiten Markt stark vertreten sind.

Insbesondere im Automobilbereich könnten die Reibungspunkte zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen deutlich zunehmen. Bislang kommt China bei solchen Exporten (vorwiegend Pkw-Teile) nur auf einen Weltmarktanteil von 4,5%. Im Zuge des Aktionsplanes „Made in China 2025“ wird die Entwicklung der Elektromobilität aber massiv vorangetrieben. Der stark wachsende inländische Markt wird bereits von chinesischen Modellen dominiert. Mittelfristig ist auch der Export von Elektrofahrzeugen aus China im großen Stil zu erwarten.

Für die deutsche Wirtschaft dürfte die Transformation in China vielfältige Implikationen haben. Falls eine Neuausrichtung des Wachstumsmodells gelingt und das Land seinen schnellen Aufholprozess fortsetzt, dürften sich für deutsche Exporteure auch künftig hervorragende Marktchancen ergeben. Zugleich ist aber davon auszugehen, dass sich der Wettbewerbsdruck aus China verschärfen wird. Gerade deutsche Unternehmen könnten dies in den nächsten Jahren zu spüren bekommen.

Fazit

Die Bundesbank konstatiert in ihrem Aufsatz die herausragende Bedeutung Chinas für die deutsche Wirtschaft. Ein Sachverhalt, der den deutschen Unternehmen schon längst bekannt ist. Die Bundesbank lässt in ihren Ausführungen jedoch die Auswirkungen des Ausbaus der neuen Seidenstraße, gerade auf die deutsche Wirtschaft, unter den Tisch fallen.

Auch wenn unsere Mainstreammedien das Jahrhundertprojekt gerne schlechtreden: Es erschließt sich dadurch für europäische und insbesondere deutsche Unternehmen ein Wirtschaftsraum, der weit größer als China selbst ist - wenn man sich rechtzeitig platziert. Ganz Zentralasien wird damit in die Wertschöpfung einbezogen.

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