Nun, bringen wir es doch auf den Punkt: Nichts währt ewig. Und das Unvermeidliche wird nicht umsonst so genannt. Eine Zuspitzung hinsichtlich der Ereignisse um die griechische Staatsfinanz ist aktuell nicht von der Hand zu weisen. Eine wundersame Stabilisierung ist ausgeschlossen. Der Glaube an ein Happy-End im Sinne einer „politischen Lösung“ darf mittlerweile unverfroren als naiv bezeichnet werden. Der Aktienmarkt hat ja schon vorsorglich drei negative Prozent eingepreist.
Die Frage ist also nicht mehr ob, sondern wann das griechische Kartenhaus kollabiert. Mit einer sich seit Monaten und Jahren hinziehenden Schuldenrotation, stilistisch zur „Rettung“ erhoben, objektiv eher als leidvolle und grauenhafte Insolvenzverschleppung anmutend, ist zwischen Gläubigeransprüchen und EU-Bürokratie ein undurchschaubares Dickicht entstanden. Es handelt sich also um eine Zeitbombe ohne Countdown-Zähler.
In der letzten Woche jedenfalls gab aus dem Hause Crédit Suisse bereits eine präzise Ansage. Es wurde nichts Geringeres als die Staatspleite in Aussicht gestellt, punktgenau auf den 9. März 2012, also… morgen! Als Grund wird sich auf den heutigen Showdown zum Gläubiger-Entscheid bezogen. Aktuelle Meldungen hierzu lassen Düsteres erahnen. Richtig düster wird es beim Blick auf die Kurse griechischer Anleihen, die sich endgültig verselbständigt haben – in vierstelliges Terrain!
Das bisherige Feedback der Gläubiger ist dürftig. Manch einer will nicht, andere führen rechtliche Bedenken an, noch ganz anderen käme vielleicht eine Pleite nicht unrecht, Stichwort CDS. Wenn bei Geld sogar die Freundschaft aufhört, dann ist die Völkerverständigung schon lange Schachmatt. Morgen wissen wir definitiv mehr. Bis dahin bitte warm anziehen, denn es wird heiß.
===== N E W S =====
FREIWILLIGE GLÄUBIGER ZUM SCHULDEN SCHNEIDEN GESUCHT
Bisher sind noch nicht einmal die Hälfte beisammen – und die Uhr tickt gewaltig!
Süddeutsche
PHARMA-KONZERNE IN GRIECHEN-HAIRCUT INVOLVIERT
Kurios. Griechenland „bezahlte“ Krankenhaus-Rechnungen in Bonds, aber diese sind jetzt…
Märkische Allgemeine
THOMAS JORDAN WIRD SCHEINBAR DOCH NEUER SNB-CHEF
Und auf dass sich nichts wiederholt, wurde er schon im Vorfeld für „clean“ befunden…
NZZ Online
UNGARN BEKOMMT NEUE EU-DEADLINE UND KLAGEDROHUNG
Was ist nur mit diesen Ungarn? Das würde uns Deutschen nie passieren…
Tagesschau
OCCUPY THE CAPITOL — VERHAFTUNGEN BEI STUDENTEN-PROTEST
Sie sind noch da, sie machen noch Lärm – und sie werden noch abgeführt…
Los Angeles Times
===== H I N T E R G R U N D =====
A PROPOS SUPERREICH — DIE NEUE FORBES-LISTE IST DA
Hieß es nicht zwischendurch, Mubarak säße auf 70 Milliarden? Und die anderen?
FAZ
DER DEMNÄCHST-VORSTANDSCHEF DER DEUTSCHEN BANK
Fakten und Hintergründe über die wohl bald bekanntere Personalie Anshu Jain.
SPIEGEL
ZWANGSVERSTEIGERUNGEN IN DEN USA IM JANUAR PLUS 28 PROZENT
Das stand ja schon ne Weile an. Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben.
Wirtschaftsfacts.de
PROVOKANT-ORIGINELLES BEIWERK ZUR CAUSA PUTIN
Perspektivwechsel können nur bereichern in unserer einsilbigen (Medien-)Welt…
The Intelligence
ZU GUTER LETZT — FACEBOOK-AUSFALL VOLKSWIRTSCHAFTLICH POSITIV
In China gibt’s kein Facebook, China wächst 7,5 Prozent. In Europa? Schuldenkrise :-)
Der Postillon
Hinweis: Die verlinkten Beiträge stellen nicht immer die Meinung der Cashkurs-Redaktion dar, dienen aber in jedem Falle der eigenen Urteilsbildung.
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Meldungen
CK*CS – Vorab-Impressionen der modernen Staatspleite
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Bei Thomas Jordan sowie den übrigen Mitglieder des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank fand der KPMG-Prüfbericht keine nennenswerten Regelverstösse:
http://www.snb.ch/de/mmr/reference/pre_20120307/source/pre_2 0120307.de.pdf
Auch nicht beim zurückgetretenen Präsidenten P. Hildebrand. Natürlich kann man Hildebrand und einem weiteren Mitglied als Notenbanker etwas freizügigen Umgang mit persönlichen Transaktionen vorwerfen. Aber das sind Lappalien. Was bleibt ist ein Notenbankpräsident, welcher gewissen Leuten im Umkreis der UBS und der SVP auf den Füssen getreten war und wohl letztlich deshalb bei erstbester Gelegenheit so massiv bedrängt wurde, dass er gehen musste. Hintergründe: die UBS finanzierte während über einem Jahr ein PR-Büro mit 25 Angestellten alleine dafür, Kampagnen gegen Hildebrand zu führen. Diese Information stammt aus sicherer Quelle und wurde während einer Arena-Sendung (Polit-Sendung des Schweizer Fernsehens) publik. Dem vorangegangen ist, dass Hildebrand mit einer Äusserung den früheren CEO der UBS, Ospel, blossgestellt hatte und dies dessen Rücktritt zumindest gefördert hatte. Ospel ist mit dem Multimilliardär und Tonangeber in der stärksten Partei der CH, mit Christoph Blocher, befreundet. Die Kampagne, welche letztlich Hildebrand zum Rücktritt zwang, wurde von Blocher, zwei SVP-Parteimitglieder und der SVP-nahen Zeitung Weltwoche geführt (man vermutet, dass Blocher die Zeitung gekauft hat, aber die Besitzverhältnisse wurden nicht offengelegt). Noch heute bestehen klare Zeichen der Verbundenheit von Blocher und der UBS (Einladung des UBS-CEO an der wichtigsten Jahresversammlung der Partei anstatt traditionsgemäss der Bundespräsidentin, welche 2012 Frau Schlumpf ist, die Intimfeindin von Blocher). Fazit der ganzen Geschichte: Wer es wagt, sich mit den mächtigsten der Finanzindustrie - Ospel gehörte mit Sicherheit dazu - anzulegen, muss mit Konsequenzen rechnen. Das ist die Botschaft, welche die ganze Affäre hinterlässt.
Interessant ist die Parallele zur Affäre Wulff. Dessen Verhalten dürfte weit problematischer gewesen sein als das von Hildebrand, welcher z.B. nicht versuchte, etwas zu vertuschen. Trotzdem ist ja interessant, dass Wulff in einer Rede Ende August überraschend deutlich die EZB und die Schuldenpolitik der EU kritisierte. Er sagte z.B. auch (Zeit Online vom 24.08.2011): "Der indirekte Kauf von Staatsanleihen sei im Übrigen noch teurer als der direkte.. .Wieder verdienten Finanzmarktakteure Provisionen ohne jedes Risiko...Wer Risiken eingehe, könne auch scheitern. Dieses Prinzip muss auch für den Finanzsektor gelten, für kleine Anleger wie für große Finanzinstitute. Hier müsse Versäumtes dringend nachgeholt werden..." (man google: Wulff ESM Kritik ). Ein paar Monate später startete die Medienkampagne gegen Wulff. Wulff hätte ja den ESM-Vertrag unterschreiben müssen, damit er rechtskräftig werden kann. "Zufällig" mit der Kampagne gegen ihn wurde beschlossen, die Abstimmung über den ESM-Vertrag von Herbst 2011 auf 2012 zu verschieben. Auch hier besteht letztlich der Verdacht, dass die Verfehlungen eines Politikers dazu dienten, ihn aus dem Wege zu räumen, weil er zu unbequem wurde und ein Risiko darstellte, falls er den ESM-Vertrag nicht unterzeichnen würde.
Aus der Sicht der Systemerhaltung andere Ereignisse der letzten Jahre zu betrachten ist interessant: So hat die Lehman-Pleite der Welt einen solchen Schreck eingejagt, dass die Rettung grösserer, als systemrelevant deklarierten Finanzinstitute nun als alternativlos gilt. Die Gefahr einer Pleite eines grösseren Finanzinstitutes lässt die Politiker und Zentralbanker reflexartig handeln zugunsten einer Rettung bzw. Stützung und zu Lasten der Steuerzahler bzw. der Geldwertstabilität (=Entzug von Kaufkraft für eine Mehrheit der Bürger). Von grobem undemokratischem und verfassungswidrigem Vorgehen ganz zu schweigen. Gleichzeitig wurde die Lösung der too-big-to-fail Problematik verschleppt bzw. gar nicht erst ernsthaft angegangen. Offenbar besteht kein Interesse, diesen marktwirtschaftlichen Sündenfall auszuräumen. Mit Basel III hat man ja lediglich ein wenig Kosmetik betrieben, die Grundproblematik wurde dabei nicht gelöst.
Mit Griechenland wird letztlich auch ein Exempel statuiert: wo kämen wir hin, wenn sich Staaten mit einer Insolvenz aus der Affäre ziehen könnten? Die Bevölkerung ganz Europa soll hier wohl vor Augen geführt werden, was es bedeutet, die Schulden nicht zurückzuzahlen. Wetten die Spanier, die Italiener, Portugiesen usw. werden nun weniger Widerstand leisten gegen die verordnete Austeritätspolitik, welche vom System gewollt alternativlos ist und sein muss? Alles dient doch letztlich dem Machterhalt für die Profiteure des Systems - koste es was es wolle.
Not-wendig wäre unter anderem ein ordentlicher, EU-weiter Schuldenschnitt in dem Schulden und Vermögen zusammengestrichen werden. Aber eben, eine hohe Verschuldung breiter Bevölkerungskreise bei gleichzeitiger Vermögenskonzentration bei einer Minderheit liefert eine ideale Machtposition, welche nicht so schnell aufgegeben wird.