Manchmal träumt man ein bisschen, - zum Beispiel von einem großen Lottogewinn oder einer Erbschaft. Letzte Woche hatte ich einen Traum von einer geheimnisvollen, schwerreichen Tante aus Amerika, von der ich bis zu ihrem Tod gar nichts wusste.

Ach, war das schön! Eine große, mit Leder beschlagene, Holzkassette hat das liebe Tantchen mir vermacht, und als ich sie öffnete, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Die Kiste war bis zum Rand mit US$-Scheinen, Goldbarren, Krügerrand und Silbermünzen vollgestopft. In Euronen umgerechnet handelte es sich um einen geträumten Schatz in Höhe von € 190.000,-.

Während ich die Münzen und Barren im Traum so betrachtete, spürte ich plötzlich Blicke im Nacken. Ich drehte mich um und sah einen Mann im dunkelblauen Anzug mit Melone auf dem Kopf. Er lächelte mich an, schaute auf die vielen glänzenden Silbermünzen, die funkelnden Barren und die Stapel von Dollarscheinen und fragte: „Darf ich Sie beraten? Ich würde Ihnen gerne verschiedene Geldanlagen vorstellen.“ Seine Augen hatten sich verändert, während er mit mir sprach: die Pupillen verwandelten sich in Dollarzeichen. Schweiß gebadet wachte ich auf.

Stellen wir uns einmal vor, ich hätte nicht geträumt, sondern ich würde tatsächlich über so viel Geld, Gold und Silber verfügen. Was würde mir ein Bankberater tatsächlich raten, - heute in Zeiten der Finanzkrise und fast ein Jahr nach dem Beinahezusammenbruch des weltweiten Finanzsystems? Jochen Sanio, Chef der Bafin beschrieb die damalige Situation vor dem HRE-Untersuchungsausschuss übrigens so: Hätte man die Hypo Real Estate damals nicht gerettet, wäre das der „Weltuntergang des Finanzsystems“ gewesen: „Sie wären am Montag morgen aufgewacht und hätten sich im Film Apocalypse Now befunden.“

Quelle: http://agbs.fazjob.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E0841F30E975A48DBA8F6F7CA63BA5232~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Ich will es wissen. Am nächsten Tag nehme ich den Telefonhörer in die Hand  und rufe bei einer großen deutschen Bank an. Ich bitte um einen Beratungstermin und schon zwei Tage später soll ich vorstellig werden bei einem Anlageberater, der lustiger weise das Wort „Gold“ am Anfang seines Namens trägt. Im Geiste taufe ich ihn um in Mr. Goldfinger.

Nett werde ich begrüßt, bekomme eine Tasse Kaffe und Mr. Goldfinger fragt mich, was er für mich tun könne. Meine Situation stelle ich wie folgt dar:

Ich habe geerbt. Insgesamt geht es um mein gesamtes Vermögen in Höhe von € 190.000,-, wovon sich knappe € 17.000,00 auf Sparbüchern befinden und der Rest in Form von physischem Gold und Silber in einem Banksafe schlummert. (Zur Unterstützung der Glaubwürdigkeit meiner Geschichte krame ich aus meiner Jackentasche ein paar Gold- und Silbermünzen hervor und lege sie auf den Tisch.) Persönliche Wünsche habe ich zurzeit keine und Schulden seien auch nicht vorhanden, erläutere ich dem Kundenberater. Mit meiner Familie lebe ich in einem Haus, das bezahlt ist und im Grunde sei alles bestens, fahre ich fort. Die Edelmetalle wolle ich aber jetzt verkaufen, weil der Preis zurzeit so schön hoch sei. Über eBay habe ich einen seriösen Käufer gefunden, der mir meinen kompletten Bestand abkaufen möchte, erzähle ich ihm.  

Mr. Goldfinger schöpft nicht den geringsten Verdacht, dass an der Geschichte etwas faul sein könnte und schaut mich lächelnd an. „Da sind Sie aber in einer guten Situation, Herr Reinhardt“, beginnt er das Beratungsgespräch. „Wie sind Sie orientiert?“ fragt er mich. „Sind Sie risikofreudig oder eher sicherheitsbedürftig? Das muss ich natürlich wissen, um Ihnen ein gutes Anlageangebot unterbreiten zu können.“

„Sicherheit geht mir über alles.“ antworte ich. „Ich suche 100% sichere Geldanlagen, die Zinsen ohne Risiko erwirtschaften und mein Vermögen erhalten.“ Eigentlich hätte ich jetzt erwartet, dass für eine Finanzberatung mehr Informationen benötigt werden. Aber Fehlanzeige! Meine berufliche Situation und meine Einkommensverhältnisse sind Herrn Goldfinger völlig schnuppe. Fragen nach meiner Altersvorsorge und ob meine Familie ausreichend abgesichert ist, stellt er nicht, obwohl ich ihm erzähle, dass ich Fallschirmspringer bin, und dieser Sport gemeinhin als gefährlich gilt.

Nachdem ich ein bisschen vom Skydiving erzählt habe, entlässt mich Mr. Goldfinger aus der Beratung. Das ganze Gespräch hat rund 15 Minuten gedauert, und der Senior-Berater (steht auf seiner Visitenkarte) versichert mir, dass er mir ein Angebot bis zum kommenden Donnerstag per Post schicken wird. Ich glaube es gar nicht, aber das war´s. Finanzberatung kann man so etwas nun wirklich nicht nennen. Etwas verdattert verlasse ich die Filiale dieser großen deutschen Bank. Auf dem Heimweg fahre ich an einer Plakatwand vorbei. Leistung aus Leidenschaft steht darauf.

Gespannt hole ich am Donnerstag den versprochenen, großen Umschlag aus dem Briefkasten. Ich bin jetzt wirklich gespannt, wie Mr. Goldfinger mein Geld „arbeiten“ lassen will.

Herr Goldfinger will mein Vermögen vierteln und zwar so:

1.) 25% Festzinssparen für 3 Jahre Laufzeit 3% p.a.

2.) 25% in eine Anleihe mit variabelem Zinsertrag, Laufzeit 5 Jahre
     (garantierte Rendite 3,5% in den ersten beiden Jahren / 2% in den
     letzten 3 Jahren)

3.) 25% in einen Fond, der in variabel verzinsliche, überwiegend kündbare
     Nachranganleihen von Finanzdienstleistern investiert / Fälligkeit 2014

4.) 25% in eine Inhaberschuldverschreibung der Bank Rendite 3,2%
     Laufzeit 5 Jahre


Mein gesamtes Geld soll fest angelegt werden 25% die nächsten drei Jahre, 75% für fünf Jahre. Lieber Herr Goldfinger, glauben Sie wirklich, dass ich mein gesamtes Vermögen für fünf Jahre festlege, ohne auch nur über einen Bruchteil davon jederzeit verfügen zu können? Was ist mit meiner Waschmaschine oder meinem Auto, das vielleicht einmal kaputt gehen könnte? Passieren im Leben nicht manchmal Dinge, die eigentlich nicht passieren sollten? Zum Beispiel Krankheiten oder Unfälle. Wäre da nicht ein bisschen Tagesgeld empfehlenswert gewesen? Mir gefällt das gar nicht und ich rufe Herrn Goldfinger an. Wenn irgendetwas Gravierendes passieren würde, wird die Bank natürlich einlenken und einer vorzeitigen Auflösung des Festgeldkontos zustimmen, verspricht er. Nein, schriftlich könne er mir das natürlich nicht geben. Das würde schließlich keine Bank machen, da müsste ich schon Vertrauen haben. „Vertrauen gegen Vertrauen.“, säuselt er in den Hörer. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Der einzige, der bei diesem Geschäft Vertrauen haben muss, bin ich. So ist das also, denke ich, ohne es auszusprechen: Ich als Kunde soll einer Bank vollkommen vertrauen, obwohl sich die Banken schon seit längerer Zeit gegenseitig nicht mehr über den Weg trauen. Irgendwie komisch, finden Sie nicht?

Lieber Herr Goldfinger, ist Ihnen wirklich nicht in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht ein paar von meinen Münzen und Barren behalten sollte? Jeder seriöse Finanzberater empfiehlt in Zeiten der noch nicht ausgestandenen Finanzkrise 10% bis 30% seines Vermögens in Edelmetalle zu investieren, aber Sie empfehlen mir eine Investition in Nachranganleihen, die bei Zahlungsunfähigkeit des Emittenten erst nach den nicht-nachrangigen Anleihen aus der Insolvenzmasse bedient werden? Sie raten dazu, knappe 50.000,- € in ein Finanzprodukt zu investieren, dass laut Ihrem Prospekt zur Zeit mit, - ich zitiere, „interessanten Preisabschlägen gehandelt wird, weil viele Marktteilnehmer als Folge der Finanzkrise diesen Nachranganleihen von Finanzinstituten kritisch gegenüber stehen.“?  Ich hatte doch ausdrücklich erwähnt, dass ich kein Zocker bin und mit riskanten Papieren nichts zu haben möchte.
 
Des Weiteren empfehlen Sie mir eine Anleihe, ich zitiere wieder aus Ihrem Prospekt, „deren Wert steigt, wenn das Zinsniveau allgemein zurückgeht, sofern sich die Anleihe noch in der Phase mit festem Zinssatz befindet.“ Ganz ehrlich, glauben Sie wirklich, dass die Zinsen in den nächsten zwei Jahren noch viel tiefer sinken können?

Gut, Herr Goldfinger, ich kann Sie verstehen. Sie müssen so handeln. Es ist ihr Job und tauschen möchte ich nicht mit Ihnen. Wahrscheinlich bekommen Sie großen Druck von Ihrem Abteilungsleiter, der jeden Montag die Verkaufszahlen seiner Mitarbeiter kontrolliert und vergleicht. Und vielleicht brauchen Sie ja noch ein paar Verkäufe, um nächsten Montag bei der Morgenrunde gut auszusehen.

Aber eine Bitte habe ich an Sie: Es wäre nett, wenn Sie die Berufsbezeichnung „Senior-Berater“ auf Ihrer Visitenkarte ändern würden. Schreiben Sie doch einfach „Senior-Verkäufer“ drauf.

 

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