Island galt als die rühmliche Ausnahme der sonst erodierenden Rechtssicherheit

Insbesondere auf supranationaler Ebene wie der Europäischen Union wurden und werden einst abgeschlossene Verträge, die als sakrosankt und heilig betitelt wurden, seit mehreren Jahren mir nichts Dir nichts aus dem Fenster geworfen, wenn es den politisch ideologisierten Protagonisten in den Kram passt.

Dass das hohe Gut der Rechtssicherheit auf diese Weise immer stärker ausgehebelt wird und die justizrechtliche Unsicherheit wächst, braucht ebenfalls nicht sonderlich zu verwundern. Auf der beschaulichen Insel Island, dessen drei größte Privatbanken auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise kollabierten, hatte man andere Wege beschritten.

Island galt als rühmliche Ausnahme, wenn sich die Dinge darum drehten, rücksichtslose und rein aus Eigeninteressen handelnde Banker vor Gericht zu verurteilen, um diese für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen. Immerhin drehten Islands damals kollabierte Großbanken bis zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs ein Finanzrad, das ungesehen in der Geschichte des Landes war.

Nach 2008 hatten die Isländer das Gefühl in einem korruptionsfreien Rechtsstaat zu leben

Derivatepositionen in zigfacher Höhe in Relation zum jährlich erwirtschafteten Insel-BIP brachten die drei isländischen Großbanken im Jahr 2008 zu Fall. Die damalige Regierung hatte einsehen müssen, dass die eigenen Steuereinnahmen und Verschuldungsinstrumente nicht dazu ausreichen würden, um – entgegen der Europäischen Union – in Sachen Bailouts aktiv zu werden.

Immerhin zeigte sich Islands Bevölkerung im Angesicht der Strafverfolgung von ranghohen Bankern ob dieser Entwicklung entzückt. Zumindest wurde auf der Insel im hohen Norden das Gefühl aufrecht erhalten, in einem korruptionsfreien Rechtsstaat zu leben. Und dennoch wurde eine Reihe der ehedem durch Gerichte verurteilten Banker vorzeitig aus der Haft entlassen.

Skandal um Kindervergewaltiger zwingt Premierminister zum Rücktritt

Jetzt überschattet ein neuer Skandal, der es in sich hat, das harmonische Miteinander auf der Insel. Im Fokus dieses neuen Skandals steht nun die isländische Politik, worüber die erst seit wenigen Monaten im Amt befindliche Regierung Islands in dieser Woche auseinander gebrochen ist.

Wie der US-Finanzblog zerohedge.com unter Bezugnahme auf isländische und internationale Medien berichtet, sei der nun zurückgetretene Premierminister Bjarni Benediktsson darüber im Bilde gewesen, dass dessen Vater Benedikt Sveinsson, dem Justizministerium die Empfehlung erteilt habe, einem verurteilten Kindsvergewaltiger wieder „alle Ehre“ in der Gesellschaft zu erweisen.

Im Fall dieses Kindsvergewaltigers soll es sich um einen Freund des Vaters von Benediktsson handeln. Benediktsson hat augenscheinlich die Tatsache unter den Teppich kehren wollen, dass dieser väterliche Freund justizrechtlich entlastet wurde. Gesetzt den Fall, dass die Ehre eines Verurteilten wieder hergestellt wird, können durch Kriminelle begangene Verbrechen aus den öffentlichen Akten gelöscht und alle gesellschaftliche Privilegien wieder in Anspruch genommen werden.

Auf diese Weise werden die Rechte eines ehemals verurteilten Kriminellen vollumfänglich wieder hergestellt. Auflage ist, dass die verurteilte Person in einem Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nach Ehrwiederherstellung das bestmögliche Verhalten an den Tag legt und nicht abermals straffällig wird.

Zudem müssen Empfehlungen für eine derartige Maßnahme ausgesprochen werden – umso ranghöher die jeweilige Person, desto besser. Wie sich zeigt, hat Benedikt Sveinsson einen solchen Brief geschrieben. Darüber berichtete unter anderem auch die nur in englischer Sprache erscheinende isländische Zeitung Reykjavik Grapevine.

Erst eine Parlamentsanfrage brachte die Geschichte an die Öffentlichkeit

In diesem Bericht heißt es, dass diese Informationen vor der isländischen Öffentlichkeit im Verborgenen gehalten wurden. Daran hätten auch zahlreiche Medienanfragen nichts geändert, bis ein Parlamentskomitee das isländische Justizministerium dazu aufforderte, diese für die Öffentlichkeit wichtigen Informationen herauszugeben und zu veröffentlichen.

An diese „Tragödie“ schlossen sich neue Erkenntnisse an. Erkenntnisse, die aufzeigen, dass Islands Premierminister Benediktsson darüber im Bilde gewesen ist, was dessen Vater seit Juli dieses Jahres vorantrieb – jedoch ohne etwas dagegen zu unternehmen.

Im Fall der kontroversen Person handelt es sich um Hjalti Sigurjon Hauksson, der im Jahr 2004 aufgrund von fast täglicher Vergewaltigung von dessen damals 5-jähriger Stieftochter über einen Zeitraum von insgesamt zwölf Jahren, verurteilt wurde. Trotz allem erfolgte im vergangenen Monat eine Ehrwiederherstellung der betreffenden Person.

Die zweite Neuwahl innerhalb von zwölf Monaten

Anfänglich widersetzte sich Islands Justizministerium den Forderungen, den Namen der Person preis zu geben, die sich für eine Ehrwiederherstellung Haukssons eingesetzt hatte. Dies änderte sich jedoch, nachdem ein Parlamentskomitee sich in die Sache eingeschaltet hatte, um das Justizministerium an dessen rechtliche Pflichten zu erinnern.

Die Tatsache, dass Premierminister Benediktsson über die Aktivitäten seines Vaters vollauf im Bilde gewesen ist, um darüber das Mäntelchen des Schweigens zu decken, hat nun zu dessen Rücktritt und Kollaps von dessen Regierung geführt. Aus korruptionstechnischer Sicht wird es nicht verwundern, dass Benediktsson und Justizminister Andersen derselben Partei, nämlich der Isländischen Unabhängigkeitspartei, entstammen.

Wie der britische Guardian berichtet, hat der Regierungskoalitionspartner Bright Future Party die Entscheidung getroffen, nach Enthüllung dieses Skandals aus der Regierung auszutreten. Dies reichte für das Kollabieren der erst vor neun Monaten ins Amt gekommenen Regierung, da diese in einer Dreierkoalition ohnehin nur über 32 von 63 Sitzen im Parlament verfügte.

In Island wird es nun innerhalb von zwölf Monaten zu den zweiten Neuwahlen kommen. Denn auch der dritte Koalitionspartner der Reformpartei hat der Regierungskoalition ihre weitere Unterstützung bereits entzogen.

Dass die Partei- und Politikverdrossenheit im Angesicht von solchen Ereignissen unter Bevölkerungen immer mehr am Zunehmen ist, dürfte auch kaum jemanden vom Hocker hauen. Ein Hoch auf die Vetternwirtschaft!

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