Mitten im Boomjahr 2008 hat der Einzelhandel real weniger umgesetzt. Nominal stiegen die Umsätze um zwei Prozent. Real aber, abzüglich der Inflation, stagnierten sie. Wie seltsam. Auch in den sogenannten Boomjahren davor war der Konsum immer das Sorgenkind der Konjunktur. Und ausgerechnet im Jahr der Weltwirtschaftskrise 2009 soll der Konsument nun eine Stütze sein? Wer das glaubt, glaubt auch, dass Kammerjäger Kammern jagen...

Diejenigen, die Geld haben, haben es nicht zufällig. Die meisten haben Geld für schlechte Zeiten gespart und eben nicht verkonsumiert. Manch andere haben sich das Geld einfach genommen. Mit Verdienen hatte das wenig zu tun. Diejenigen, die gar kein Geld haben, haben es entweder komplett ausgegeben oder es hat nie zum Sparen gereicht. Zudem hat der Druck auf die Löhne auch massiv gewollt zugenommen, und das bei steigenden Preisen. Bilanzen und Boni stimmten bei denen, die es oft nicht verdient haben.

2008 war erneut ein Jahr, indem Reiche reicher und Arme ärmer geworden sind. Und immer wieder fragt man die Leute in Umfragen: „Möchtest Du gerne konsumieren?“ Nachdem der Indikator ausgerechnet wurde, reagiert vielleicht die Börse. Letztlich stellt gar niemand die Frage, wie kauffähig der Konsument eigentlich ist, sondern eben nur, für wie kaufwillig er sich hält.

Dabei ergäben genau diese Fragen nach der Kauffähigkeit interessante Rückschlüsse. Die jüngste Arbeitsmarktstatistik ergibt jedenfalls nicht, dass der Bürger locker flockig mit Geld um sich werfen würde. Im Januar wurden 7,7 Mio. Leistungsempfänger gemeldet. Offiziell gibt es aber nur 3,5 Mio. Arbeitslose. Die Quote stieg auf 8,3%. 4,5 Mio. Bürger gelten als nicht arbeitslos. Zusätzlich sind 1,5 Mio. Leute in „arbeitmarktpolitischen Maßnahmen“ beschäftigt. Sie lernen als Schlosser das Navigieren im Internet, üben als Kaufmann das Fällen von Bäumen oder lernen Dinge, die sie zwar aus der Statistik fernhalten, aber oft so zukunftsweisend anmuten wie das Stapeln von Sägespänen.

Unser Arbeitsminister Olaf Scholz sagte im November letzten Jahres: „Vollbeschäftigung ist möglich.“ Ja, man muss ihm recht geben. Viele sind seit Jahren irgendwie voll beschäftigt, um die täglichen Brötchen bezahlen zu können.

Wer in Deutschland weniger als 880 Euro Einkommen pro Monat hat, ist armutsgefährdet. Das betrifft 18% der Bevölkerung. Viele sind es – arm. In Deutschland leben 2,5 Millionen Kinder in Armut. Drei Millionen Rentner sind von Armut bedroht, schreibt der Sozialverband VDK. Ein Viertel der Deutschen besitzt gar kein Vermögen. 10% der Bevölkerung gilt als überschuldet. 20 Millionen Rentner fahren seit Jahren reale Nullrunden. Wer gibt angesichts der aktuellen Umstände Geld für neue Dinge aus? Ist es nicht Zeichen genug, dass der Staat Geld in die Hand nimmt, um Autokäufe anzukurbeln, obwohl diese Dinger „giftiges CO2“ ausblasen, das aber den Pflanzen schmeckt?

Wann gibt es Abwrackprämien für Küchen, da gemeinschaftliches Kochen nicht nur die Familienbande enger schmiedet und eine ausgewogene Ernährung unterstützt?
Moment! Gibt es schon! Mein Radio brüllte es mir heute entgegen. Irgendein Küchenhansel wirbt damit...

Doch, es ist ruhiger geworden das draußen – sowohl in den Läden als auch mit der Stimmung. Ein Chef eines großen Kölner Bekleidungshauses nannte es heute eine „tägliche Herausforderung“, den Leuten Anziehsachen zu verkaufen.

Selbst etliche Berufsoptimisten haben den Zenit der guten Laune überschritten. Bei manchen hat dann doch ein Hauch von Realität eingesetzt. Oft konnte man den Eindruck gewinnen, sie lebten in Siedlung fernab des Geschehens. Der Arbeitsmarkt wird in diesem Jahr stabil sein, sagte Bundesbankpräsident Weber Ende Januar. Wenige Tage später wurden 387.000 neue Arbeitslose gemeldet. Man liest die Zeilen, kratzt sich am Kopf und fragt sich, warum er das sagt. Gleichzeitig macht man sich auf die Suche nach dem Sinn und fleht die Götter um Erleuchtung an - für mich und auch für ihn.

Unser Wirtschaftsminister meinte unlängst, der Aufschwung käme im Frühjahr, der Bundesbankchef sieht ihn im Herbst. Wenn sich jetzt bitte der Kalender noch danach richten würde, und auch das Jahr, dann wären beide Einlassungen verzeihlich. Und wozu jetzt bitte Konjunkturprogramme, wenn es bald besser wird?

Die Sparrate hatte im letzten Jahr einen Rekord erreicht, meldet heute der Einzelhandelsverband. In diesem Jahr wird diese Sparrate sinken, weil die Leute weniger Geld für Urlaub ausgeben werden, sich dafür aber die Wohnung schick machen, hieß es da. Aus dem Grund geht es den Baumärkten und der Möbelindustrie so super. Ach ja.

Der Daueroptimismus scheint auf den Erhalt der Kaufwilligkeit zu zielen. Dabei hat sich vor allem die Kauffähigkeit seit Jahren verschlechtert.

Ich glaube, der Bürger würde Ehrlichkeit bevorzugen, sie sogar schätzen. Wenn die Hälfte der Wirtschaft Psychologie sein soll, warum nutzt man nicht die andere Hälfte? Vielleicht probiert man statt Versprechungen auf Steuersenkungen n a c h der Wahl es nicht mal mit Ehrlichkeit, mit einem Aufruf „anzupacken“ und echten, von politischen Interessen losgelösten Ideen? Was wäre so schlimm, die Deppen von der Mauer zu schubsen, auf der sie so lange in der Sonne lagen und nun nach der Hilfe des Bürgers rufen? Vielleicht würde man mit all den Dingen dem Bürger zwar einige Dinge abverlangen, mit denen er angesichts der Lage vielleicht sogar einverstanden wäre, wenn er sich darauf verlassen könnte, dass Worte seiner gewählten Volksvertreter auch taten nach sich ziehen und nicht die Rauchschwaden einer verirrten Nebelkerze. Es wäre vieles viel einfacher.

Kleines Bonbon....

Wenn Raimund Brichta mit Friedhelm Busch über
die Hypo Real Estate off air diskutieren, lohnt es sich schon mal reinzuschauen...

http://www.teleboerse.de/1096907.html

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