Viele deutsche Fonds-Investoren betrachten die Vorgänge um ihre ehemals offenen Immobilienfonds staunend, wurden doch diese Papiere noch vor wenigen Jahren fast schon als Witwen- und Waisenpapiere dargestellt. Nach zahlreichen Schließungen und Kursverlusten von teils mehr als 50% kommt es nun bekanntermaßen bereits zu ersten Abwicklungen. Wer bei den notwendigen Verkäufen auf der Bieterseite auftreten soll, bleibt bei vielen nicht immer erstklassigen Objekten unbekannt. Der groß angelegte Versuch illiquide Assets in liquide Anlagen zu verwandeln ist somit an der Hürde der Realität gescheitert – auch wenn dies sich scheinbar noch nicht überall herumgesprochen hat, wie die vereinzelten Versuche, diese Anlageklasse mit leichten Veränderungen zu retten, zeigen.
Die Fonds investierten in verschiedenen Regionen, oftmals erstreckt sich der geographische Anlagehorizont über den gesamten Globus. Besonders beliebt war in den vergangenen Dekaden unter anderem der Markt in Großbritannien, dessen Attraktivität gerne einmal mit blumigen Worten wie most mature market oder auch highly liquid unterstrichen wurde. Nun ist es zwar wenig zielführend, von einem liquiden Markt zu sprechen, wenn es zwanzig Jahre nur in eine Richtung geht. Wie liquide ein Markt wirklich ist, zeigt sich erst, wenn es stürmisch wird. Das ist bei CDOs nicht anders als bei Immobilien.
Die letzten Daten von der Insel, regelmäßig von der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) veröffentlicht, deuten nicht auf eine baldige Wetterbesserung hin. Vor dem Hintergrund drastischer Maßnahmen zur Stabilisierung des staatlichen Haushaltes – direkt oder indirekt immer verbunden mit Einschnitten beim Konsum – und eines nicht mehr bedeutungsvollen wertschöpfenden Sektors sowie Problemen bei den Jobs und Einkommen kommen diese Entwicklungen nicht überraschend. Staunen verursachten eher die in den Jahren 2009 und 2010 vermeldeten Botschaften, die Probleme seien behoben und die Nachfrage, und mit ihr die Preise, sollte bald wieder steigen. Ein wenig erinnert dies an die vielerorts zu hörenden Aussagen, die Krise sei vorbei. In einigen Medien kam kürzlich gar die Frage auf, ob die „Probleme der Peripheriestaaten der EU“ zu einer neuen Krise führen könnten. Dies zeigt eine Ignoranz hinsichtlich der Zusammenhänge, sind doch die Schieflagen der Banken und der Staatshaushalte keine neuen Erscheinungen sondern Symptome der anhaltenden Krise.
Der aktuelle Report des RICS verdeutlicht den Charakter der Marktentwicklungen der vergangenen beiden Jahre. Es handelte sich um eine Korrektur eines raschen und drastischen Einbruchs, nicht aber um eine neue dekadenlange Schönwetterperiode.
Die Entwicklung des vielzitierten Londoner Marktes befindet sich übrigens leicht unter dem Durchschnitt, relative Stärke sieht anders aus. Gut abzulesen ist die vergleichsweise kurze Phase oberhalb der Nulllinie. Die neuerliche Abwärtsdynamik ist in etwa vergleichbar mit der des scharfen Einbruchs am Beginn der Krise.
Die vorlaufenden Erwartungen zur Preisentwicklung zeigen ebenfalls nach unten. Gerechnet wird mit stagnierenden Umsätzen bei in der Tendenz sinkenden Preisen. Die Frage, die sich viele Investoren und Hausbesitzer stellen müssen, lautet, wie lange sie dazu bereit und in der Lage sind, auch bei einer sich privat verschlechternden Finanzsituation Raten für eine Hypothek zu zahlen, die bei schnell sinkenden Preisen den Hauspreis zu übersteigen droht (so genanntes negative equity). Das ist eine sehr belastende Situation, ist doch in diesem Falle das Eigenkapital – wenn überhaupt vorhanden – bereits vom Preisrückgang aufgezehrt worden. Die Hypothek interessiert dies alles nicht. Selbst wenn das Haus über nacht zusammenfallen sollte, werden die Raten in gleicher Höhe fällig.
Beachtenswert ist die erneute deutliche Abschwächung des britischen Marktes vor dem Hintergrund vorherrschender negativer Realzinsen. Bei den Zinsen kann die britische Version des QE sich, zumindest bis zu einer ernstzunehmenden Vertrauenskrise, noch entfalten, bei den Hauspreisen kam es dagegen lediglich zu einer Art Strohfeuer.
Die Darstellung legt die Entwicklung des künstlich gedrückten Zinsniveaus offen. Um sich auszumalen, wie der Markt bei einer Annäherung an halbwegs „normale“, sprich höhere Renditeniveaus reagiert, braucht es nicht viel Fantasie. Wenn ein Markt über 15 Jahre mit einer jährlichen Steigerungsrate von mehr als 9% klettert, wird ein Niveau erreicht, dass Raum für deutliche Korrekturen lässt.
Die Grafik enthält die Daten bis zum Beginn des Jahres 2010 und bildet somit den vorläufigen Gipfel der Erholung ab. Sich bei neuen Investitionen am Bild im Rückspiegel zu orientieren kann schnell in die Irre führen. Vor allem nach langanhaltenden Trends wird in den ersten Jahren oft mit einer raschen Wiederaufnahme der vorherigen Tendenz gerechnet. Gerade bei illiquiden und teils sehr intransparenten Märkten braucht eine Bereinigung aber eine ganze Weile. Zumindest sollte die Annahme, die alten Steigerungsraten würden auf absehbare Zeit wieder erreicht werden, sich als Täuschung entpuppen. Ein Entkoppelung der Immobilienpreise und Mieten von der Einkommenssituation der Bevölkerung mag über einige Zeit möglich sein, auf alle Zeiten ist dies nicht durchzuhalten. Nach einer Phase der Ernüchterung, in der sich die Erkenntnis breit macht, dass Preise nicht immer nur steigen, konzentrieren sich Investoren wieder auf wichtige Parameter, wie etwa die Höhe und Sicherheit der Mieteinnahmen und – vor allem in Großbritannien – auf die Qualität von Bausubstanz und Ausstattung. Neben den laufenden Raten für Zins und Tilgung heißt es dann statt Lage, Lage, Lage oft ganz schnell Kosten, Kosten, Kosten.
Kommentare
Wenn ich die Grafik richtig interpretiere empfehlen Sie derzeit nicht in den britischen Immobilienmarkt zu investieren, da ja bereits wieder hohe Kurse zu sehen sind, wobei der Durchschnittspreis nichts über die Aussattung etc. aussagt. Also noch viel Luft nach unten, ähnlich sieht es in USA aus?
Sie hätten damit meine Frage beantwortet ob jetzt ein günstiger Einstiegskurs für Häuser in USA ist, natürlich unter langfristigen Aspekten !? Wobei ich da gar nicht als Invest sondern eher als Altersruhesitz gedacht habe.
ist bekannt, in welchem Umfang deutsche Versicherungsunternehmen in Immobilien investiert haben? Wie wird sich dies auf die dortigen Anlagen der Altersversorgung auswirken?
MfG
louplu
@outdoork
Ja, wir sehen sogar in UK noch mehr Luft als in den Staaten, wobei es in beiden Ländern das Problem gibt, das auch "Callisto" anspricht. Die Qualität ist nicht vergleichbar mit beispielsweise deutschen Häusern, schuld daran ist eine andere Sichtweise auf Immobilien. Man wohnt halt darin und denkt nicht in jedem Fall daran, dass Haus noch an JR junior und JR junior den Zweiten zu vererben. Diese Einstellung ist nicht besser oder schlechter aber anders. Das gilt es auch im Falle einer Investition zu bedenken. Bei vielen Häusern - gerade bei den leerstehenden - kommt es mit der Zeit zu rapiden Substanzverschlechterungen.
Bezüglich eines Altersruhesitzes ist die Entscheidungslage etwas anders, aber auch in diesem Fall möchte niemand teurer einkaufen als nötig. Will man die Immobilie später selbst nutzen - d.h. falls der Wohnsitzwechsel nicht unmittelbar vor der Tür steht - muss auch an die Zwischenzeit gedacht werden. Steuerliche Änderungen sind ja gerade in Mode, dazu kommt normalerweise die Notwendigkeit, das Haus zu vermieten und in Schuss zu halten. Alles nicht so einfach. Wie auch immer Sie sich entscheiden, wir drücken Ihnen die Daumen!
@louplu
Die Investments deutscher Versicherer am Immobilienmarkt ist - zumindest laut Jahrbuch des Branchenverbandes - gering. Das gilt zumindest für direkte Anlagen. Indirektes Exposure sollte über Schuldverschreibungen an Immobiliennahe Insitutionen oder Firmen geben.
Schwerwiegender sind die Risiken aus festverzinslichen Anlagen, von Staatspapieren über Unternehmensanleihen und strukturierte Produkte. Wie sehr die Märkte zusammenhängen zeigt der gerade stattfindende Krisenablauf von den Immobilien über die Bankbilanzen in die Staatshaushalte.
Beste Grüße
Bankhaus Rott