Wir wollen heute einige bescheidene Anmerkungen zum Aktienmarkt verlesen. Das leidige Thema „Jahresendrallye ja oder nein“ begleitet uns ja von Börsenjahr zu Börsenjahr. Tja, man weiß es nicht, der Markt wird uns den Weg zeigen. Trotzdem kann es nicht schaden, sich ein paar Dinge zu vergegenwärtigen, wenn die Euphorie allzu hohe Wellen schlägt. Aktuell hat der DAX auf Jahressicht gut 20% gewonnen, schön. Der allgemeinen Stimmung und den Artikeln in den Gazetten nach hat man allerdings eher das Gefühl, der Index hätte sich verdoppelt. Da der tägliche Trend seit dem März nach oben zeigt, als übergeordnete Struktur aber nach wie vor ein Bärenmarkt vorliegt, heute einmal ein Blick auf einige Indikationen, die man zumindest im Hinterkopf haben sollte.

Zunächst ein Blick auf die Advance/Decline Linie (A/D Linie: Anzahl gestiegener Aktien dividiert durch die Anzahl gefallener Aktien) bei der Nasdaq, dem Sensibelchen der amerikanischen Indizes. Hier zeigt sich eine massive Divergenz zwischen dem Index und der A/D Linie. Das bedeutet nicht, dass die Kurse morgen fallen müssen, aber es ist ein Warnsignal, welches eine fehlende Marktbreite ungewöhnlich deutlich anzeigt. Definitiv ein Grund die Augen offen zu halten, vor allem angesichts des Ausmaßes.

 

 

Die letzen Hochs an der Nasdaq wurden von der A/D Linie nicht in Ansätzen bestätigt, nachdem sich für einige Monate ein doch sehr ordentlicher Gleichlauf ausgebildet hatte.

Kommen wir zum amerikanischen Optionsmarkt. Der Chart bildet die implizite Optionsvola an der Börse CBOE ab, den VXO Index. Hier befinden wir uns wieder unter dem langjährigen Mittel (grüne Linie), das zugegebenermaßen bei der sehr volatilen Datenreihe als Wert an sich nur eine marginale Aussagekraft hat. Wir sehen aber sehr wohl, dass wir uns nicht in einer Phase hoher impliziter Volatilitäten befinden. Angesichts der nicht auszublendenden Übernacht-, oder besser Überwochendendrisiken ist am Optionsmarkt ein bemerkenswerter Gleichmut zu beobachten. Vola erscheint uns vor diesem Hintergrund auf dem aktuellen Niveau günstig.

 

 

Eine Volatilität von unter 20% lädt jedenfalls nicht zum Verkaufen von Volatilität ein.

Auch Standard & Poors hat noch ein Schmankerl beizutragen. So erreicht das Index KGV des S&P 500 täglich neue Rekorde, Kurse steigen, Gewinne fallen, nur so geht’s. Zur Veröffentlichung der letzten Zahlen (die Veröffentlichungen erfolgen im Turnus der Quartalszahlen) lag das KGV auf Basis der berichteten Gewinne auf dem absoluten Rekordniveau von über 120. Selbst im Zuge der Baisse nach dem Höhepunkt der cash-burn-rate Ära im Jahre 2002 stieg dieser Wert auf eigentlich schon beeindruckende 46 Zähler. Dieses KGV ist deshalb von Bedeutung, weil es auf gemeldeten Zahlen und nicht auf Schätzungen für die kommenden Jahre basiert.

 

 

Diese Marke wurde durch die schlechten Zahlen des Jahres 2009 nahezu pulverisiert. Immerhin, wenn man schon streng riecht, dann kann man auch gleich Weltmeister in dieser Disziplin werden, man muss sich Ziele setzen. Der Russel 2000 Index der Nebenwerte macht Nägel mit Köpfen und hat gleich ein negatives KGV, eigentlich also ein KVV.

Des Weiteren gibt es wichtige Anzeichen von Erschöpfung in anderen Märkten:

FX

Erschöpfungstendenzen bei einigen interessanten Währungspaaren, hier sei vor allem das Cross AUDUSD genannt.

Credit

Die Credit Spread Märkte stehen im Begrifff eine Bodenbildungsphase abzuschließen (iTraxx & CDX, Main/Crossover)

Große Einzelrisiken im Bankensektor finden am Markt wieder eine Reaktion, wie aktuell das fortgesetzte WestLB Desaster mit Spreadausweitungen bei den CDS auf etwa 145 (mid price, senior) respektive 320 Basispunkte (mid price, sub). Vor vier Tagen lagen die Werte bei 95 und 185. Hier darf man nicht vergessen, sollte es zu einer Restrukturierung der ausstehenden Schulden in Höhe von immerhin €145 Mrd. kommen, wäre dies ein Credit Event mit den üblichen Folgen am Credit Markt. Interessant wird vor allem die Entwicklung bei den Nachrangpapieren (sub), die ja ein Herzstück der Investments deutscher Versicherer sind.

Die finanziellen Probleme des Emirats Dubai (siehe hierzu auch unseren Artikel „Arabische Nächte“) haben nun auch den CDS Markt erreicht. Die Credit Spreads liegen heute bei 575 Basispunkten (mid price, senior debt). Vor etwa zehn Tagen lag der Wert dieses Risikogradmessers ungefähr halb so hoch.

Renditen kurzlaufender Staatspapiere

Die Renditen auf kurzlaufende Staatspapiere in den USA (T-Bills) sind in einigen Fällen wieder in den negativen Bereich gerutscht. Wenn das Schatzamt es in Zukunft hinbekommt, die Papiere gleich mit einem negativen Satz zu emittieren, dann geben die Investoren dem Staat gleich das nötige Geld über negative Zinsen (eine Art Parkgebühren), das er sonst über Steuern umständlich eintreiben müsste. Ein eindeutiger Effizienzgewinn.

Entwicklungen an verschiedenen anderen Aktienbörsen

Teils sehr schwache Märkte in Asien, siehe die anhaltende relative und absolute Schwäche des Nikkei und die oft bitteren Ergebnisse der kleineren Märkte in Südostasien, wie der Kollaps des vietnamesischen Ho Chi Minh Index zeigt.

Erste Probleme bei Public Offerings, wie der schwache Start des chinesischen Lenders Minsheng Banking in Hong Kong am Donnerstag zeigt.

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Wie gesagt, es handelt sich um Daten für den Hinterkopf. Dass man nicht blind in einen Trend hineinshorten sollte, hat sich sicherlich schon herumgesprochen. Denken Sie aber daran, es gibt am Markt drei Positionierungen: Long, short und flat. Auch die Entscheidung flat zu sein, ist eine aktive Entscheidung, für die Sie sich bei niemandem entschuldigen müssen.

Viel Vergnügen.

 

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