Die Entscheidung der europäischen Gremien kam nicht überraschend. Die naive Vorstellung davon, wie die Energieversorgung eines Industrielandes mal eben so auf stark schwankende Alternativen umgestellt werden soll, wird in Europa zwar zur Kenntnis aber nicht mehr ernst genommen. Zudem braucht es nicht viel Lebenserfahrung um zu ahnen, wie unwahrscheinlich es ist, in der Europäischen Union nennenswerte Beschlüsse gegen die Interessen Frankreichs durchzusetzen. In der Realität hat die Kooperation innerhalb der Union engere Grenzen als mancher sich das eingestehen mag. Daher finden sich im Ausland auch zu anderen deutsche Eigenarten, wie beispielsweise der rückstandsfreien Abschaffung der eigenen Verteidigungsfähigkeit, keine Parallelen.

Neben dem Mangel an elementaren technischen Grundkenntnissen ist auch manche Vorstellung von der Funktionsweise des Energiemarktes von atemberaubender Schlichtheit, wie die folgende Kurznachricht zeigt.

 

 

Die Logik ist bestechend: Kein Markt, kein Preis. Ohne Preis kein Preisanstieg und ohne Preisanstieg ist alles wie gewünscht.

Die kargen Zeilen der Kurznachricht bringen in all ihrer Schlichtheit die Vermischung von Wirtschaftssystemen und Ökonomie auf den Punkt. Ein Markt ist nicht das Wirtschaftssystem, sondern lediglich ein Mechanismus zur Preisfindung. Wer diesen Mechanismus abschaffen möchte, der sollte eine funktionierende Alternative aufzeigen, die nach Einbeziehung aller Kosten besser ist. Erstaunlicherweise immer noch beliebt ist die staatliche Festlegung von Preisen. Diese Version ist in der Vergangenheit in allen Varianten fehlgeschlagen. Ein staatlich festgesetzter, zu niedriger Preis setzt für die Produzenten keinen Anreiz, eine ausreichende Menge eines knappen Gutes bereitzustellen. Gleichzeitig setzt ein künstlich zu niedriger Preis Anreize an die Konsumenten, mehr als nötig von diesem Gut zu verbrauchen.

Der Wunsch, Produzenten sollten doch bitte alle Güter zu dem Preis bereitstellen, der den Konsumenten genehm ist, zeigt nichts anderes als ein infantiles Anspruchsdenken. Preise haben eine Indikatorfunktion und eine reibungslose Preisfindung ist auch für die Verteilung von Gütern unverzichtbar. Ist ein Gut knapp, steigt der Preis. Dabei spielt nicht allein die globale Verfügbarkeit eines Gutes eine Rolle, sondern die Verfügbarkeit an dem Ort, wo es gebraucht wird. Daher können sich die Preise eines Gutes an zwei Orten auf dem Globus deutlich voneinander unterscheiden. Wenn etwa die Gaspreise in den USA und in Europa deutlich voneinander abweichen, dann ist das der Fall, weil das Gas an einer Stelle knapper ist und dieser Mangel sich nicht so eben beheben lässt. Einfach nur die normalen Transportkosten auf den Preis aufzuschlagen und damit eine „Abzocke“ belegen zu wollen ist aus zwei Gründen Unfug. Zum einen existieren in der Regel gar nicht die entsprechenden Transportkapazitäten. Auch die Annahme konstanter Transportkosten bei erhöhter Nachfrage ist Unsinn. Transportkapazitäten liegen nicht in beliebigem Umfang brach um auf den einen Nachfrager zu warten. Sie werden von unterschiedlichen Nachfragern genutzt. Wenn ein asiatischer und ein europäischer Abnehmer um eine Schiffsladung Flüssiggas aus den Staaten buhlen, dann erhält das beste Gebot den Zuschlag.

Abschließend wollen wir einen Blick auf den realen Einfluss des finsteren Marktes auf den Strompreis werfen. Die folgende Grafik zur Zusammensetzung des Strompreises findet sich auf den Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums.

 

 

Vor der Abschaffung des Marktes fällt auch dem interessierten Laien angesichts dieser Zusammensetzung sicherlich noch der ein oder andere zu bevorzugende Streichposten auf. Auf den Seiten des Ministeriums heißt es erläuternd:

Nicht beeinflussbar für den Stromanbieter sind dagegen die beiden anderen Bestandteile des Strompreises. Denn sie sind durch Gesetze und staatliche Regelungen vorgegeben. Hier kann die Bundesregierung direkt Einfluss nehmen. Laut Monitoringbericht 2020 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt machen die staatlich veranlassten Preisbestandteile ungefähr die Hälfte des Strompreises aus. 2020 hatten sie einen Anteil von rund 52 Prozent [und weitere] (...) 23 Prozent des Strompreises entfielen auf Netzentgelte (einschließlich Mess- und Abrechnungskosten).“

(Quelle: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/strompreise-bestandteile.html)

Allein der Anteil der EEG-Umlage, sprich die quasi nicht vorhandenen Kosten für die quasi kostenlose „Energiewende“, ist fast so hoch wie der gesamte Energiepreis einschließlich der Beschaffung, dem Vertrieb und der gesamten Gewinnmarge. Nimmt man eine vermutlich deutlich zu hohe Gewinnmarge von 10% dieses Gesamtpostens an, dann läge deren Anteil bei 2,6% des gesamten Strompreises. Er ist einfach teuflisch, dieser Markt.

Ebenso skurril wie die Kurznachrichten-Logik zum Energiemarkt ist der verbitterte Verweis auf die Lobbyarbeit, den die verbliebenen Leser von tagesschau.de zur Kenntnis nehmen durften. Dort war zur Entscheidung der EU-Gremien hinsichtlich der „Nachhaltigkeit“ von Gaskraftwerken und Nuklearenergie folgende Aussage eines Mitglieds der Grünen im Umweltausschuss des EU-Parlaments zu lesen:

"Die Lobby hat ganze Arbeit geleistet. Die haben beispielsweise den zentralen und osteuropäischen Ländern eingeredet, bei ihnen würde keine Sonne scheinen und auch kein Wind wehen, und deswegen bräuchten sie unbedingt Gas und Atom, um aus der Kohle auszusteigen."

Der Stil, in dem die Politikerin mit ihrer Aussage die Vertreter Osteuropas implizit als quasi minderbemittelt dargestellt, ist schwer zu ertragen. Ausgerechnet den Osteuropäern zu unterstellen, sie würden auf blumige Geschichten hereinfallen und hätten keine fundierte eigene Meinung zeigt die hierzulande häufig zu beobachtende arrogante Haltung gegenüber den Menschen dieser Länder.

Ansonsten ist es geradezu putzig, sich ausgerechnet in der EU über die Einflüsse von Lobbyisten aufzuregen, während man diese fleißig selber nutzt. Das ist in etwa so, als würde man sich im Krieg darüber aufregen, dass die Gegenseite auch Militär einsetzt. Brüsseler Politik und Lobbyismus sind mittlerweile de facto Synonyme. Es stellt sich von Fall zu Fall lediglich die Frage, welche Lobby sich durchsetzt.

Statt vermeintlich „falsche Preise“ zu beklagen, wäre es sinnvoller, sich den möglichen Ursachen des Preisanstiegs im Energiesektor zu widmen. Über die Folgen der Abschaltung von Kraftwerkskapazitäten darf dabei ebenso nachgedacht werden wie über den Anteil der Steuern und die künstliche Verteuerung fossiler Energieträger durch das Thema ESG. Wer übrigens wirklich glaubt, die Strom-, Gas- oder Ölpreise wären unangemessen hoch, dem steht es frei, sich an der Börse entsprechend zu positionieren. Viele könnten dann schnell etwas über das vermeintlich leistungslose Einkommen der Trader lernen. Wir wünschen viel Erfolg und freuen uns schon auf die ersten Erfahrungsberichte.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Von der heimischen Politik ist derzeit keine technisch fundierte und tragfähige Energiepolitik zu erwarten. Da viele Bürger sich in den letzten Dekaden per Stimmzettel für diesen Weg entschieden haben, müssen die Schmerzen erst wesentlich größer werden, bis es möglicherweise zur Einsicht kommt. Vorerst sind wie gewohnt erst einmal die anderen Schuld. Sie wissen schon: Das konnte ja niemand ahnen.

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