Zahlreiche Menschen erkranken so schwerwiegend, dass ihre Arbeitsfähigkeit gefährdet ist. Um diese zu erhalten, werden in der Regel zunächst medizinische Rehabilitationsmaßnahmen verordnet. Ist das Leistungsvermögen weiterhin erheblich eingeschränkt, bleibt die Möglichkeit, Rente wegen (teilweiser) Erwerbsminderung zu beantragen. Eine Bewilligungsvoraussetzung ist, dass das Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter sechs Stunden täglich liegt (§ 43 SGB VI). Lehnt der Rentenversicherungsträger den Antrag ab, was häufig der Fall ist, kann Widerspruch eingelegt werden.

Klage auf Rente wegen Erwerbsminderung?

Oftmals wird jedoch auch der Widerspruch gegen den Rentenbescheid erfolglos sein. Um die Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit doch noch zu erhalten, bleibt die Möglichkeit, vor dem örtlichen Sozialgericht zu erheben. In Klageverfahren vor Sozialgerichten und Landessozialgerichten besteht kein Zwang, sich durch juristischen Beistand vertreten zu lassen. Es entstehen auch keine Gerichtskosten, wenn der Kläger dem Personenkreis der Versicherten, Leistungsempfänger oder behinderter Menschen angehört.

Das Gericht wird nach Erhalt der Klageschrift den zur Entscheidung erforderlichen Sachverhalt von Amts wegen erforschen. Hierzu kann es Gutachten von unabhängigen Ärzten oder dem behandelnden Arzt einholen. Hierfür entstehen Ihnen bei einer Klage wegen Erwerbsminderung keine finanziellen Aufwendungen.

Soweit keine Gerichtskosten

Kosten entstehen jedoch, wenn der Versicherte beantragt, dass ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört wird. Diese gehören in der Regel nicht zu dessen erstattungsfähigen Aufwendungen. Im Weiteren entstehen finanzielle Aufwendungen, wenn sich der Versicherte durch einen Rentenberater oder Rechtsanwalt gerichtlich vertreten lassen. Soweit der Prozess gewonnen wird, besteht gegenüber dem Rentenversicherungsträger jedoch ein Kostenerstattungsanspruch.

Klagen vor dem Sozialgericht haben oftmals eine lange Verfahrensdauer. Diese betrug im Jahr 2011 im Durchschnitt aller erledigten Klagefälle 14 Monate (Quelle: Statistisches Bundesamt). Klageverfahren wegen Erwerbsminderungsrenten dauern jedoch, nicht zuletzt aus vorgenannten Gründen, oftmals deutlich länger. So jedenfalls meine Erfahrung.

Oftmals unterliegt der Versicherte

In 77,20 % aller vor dem Sozialgericht erledigten Klageverfahren des Jahres 2011 (d.h. nicht nur aufgrund Klage wegen Erwerbsminderung) unterlag der Versicherte oder Leistungsempfänger. In 15,30 % bzw. 7,50 % aller Fälle konnten die Kläger vollumfänglich bzw. teilweise Obsiegen. Ein Grund für diese Diskrepanz dürfte darin liegen, dass viele Kläger das Verfahren ohne rechtlichen Beistand führen. Die Gegenseite wird in der Regel jedoch durch fachlich versierte Juristen vertreten; darüber hinaus verfügen die Rentenversicherungen über eigene Rechtsabteilungen.

Was lässt sich daraus folgern?

Eine Klage wegen Erwerbsminderung will gut überlegt sein. Denn es besteht ein Kostenrisiko - es liegt jedoch zunächst an anderer Stelle. Mit Beantragung der Rente wegen (teilweiser) Erwerbsminderung gesteht der Antragsteller seine verminderte Leistungsfähigkeit ein. Er kann, zumindest nach eigener Wahrnehmung, nur noch weniger als 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Oftmals ist er durch die zugrundeliegenden gesundheitlichen Einschränkungen arbeitsunfähig erkrankt oder arbeitslos geworden. Sind die Ansprüche gegenüber der Krankenkasse bzw. Arbeitsagentur zeitlich ausgeschöpft, verbleibt vielmals nur noch, Leistungen nach SGB II (Hartz IV) zu beantragen.

Vermögensnachteile können auch bei Erfolg eintreten

Bis spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte also der Rentenantrag positiv beschieden sein. Hilfebedürftig im Sinne von Hartz IV ist nämlich nur derjenige, der seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Die wirtschaftlichen Folgen, selbst bei einem gewonnenen Gerichtsprozess, können also erheblich sein. Sie mögen dann einen Anspruch auf Rentennachzahlung erworben haben. Dieser gleicht jedoch die entstandenen Vermögensnachteile zumeist nicht aus.

Auch lässt sich nicht ausschließen, dass der Prozessgegner das sozialgerichtliche Urteil nicht anerkennt und dieses vor dem Landessozialgericht anficht.

Was bedeutet dies in der Praxis?

Eine sozialgerichtliche Klage wegen Erwerbsminderung sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Die dem Grundsatz „Reha vor Rente" innewohnende wirtschaftliche Problematik wurde an anderer Stelle bereits beschrieben. Trotzdem sollte ein gewisses Grundvertrauen in die Objektivität der medizinischen Leistungsbeurteilung seitens der Rentenversicherung bestehen.

Im Vordergrund einer rechtlichen Auseinandersetzung im Streit um die Rente wegen Erwerbsminderung steht zumeist das aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen verbliebene Restleistungsvermögen. Der ablehnende Bescheid des Rentenversicherungsträgers beruht in der Regel auf dessen Beurteilung der Diagnosen und Therapien sowie etwaiger weiterer ärztlicher Gutachten. Ohne konkrete Kenntnis derselben ist es in der Praxis wenig aussichtsreich, ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren zu führen.

Besser neue Gesichtspunkte vortragen

Dies gilt entsprechend für die sozialgerichtliche Klage wegen Erwerbsminderung - auch wenn hier der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz Anwendung findet. Erfolg kann dem Rentenbegehren jedoch immer dann beschieden sein, wenn neue Aspekte vorgetragen werden und sich die Beurteilung der Rentenversicherung aufgrund mangelnder Plausibilität erschüttern lässt.

Dies kann beispielsweise bei unzureichender Berücksichtigung einzelner Diagnosen oder ärztlicher Atteste der Fall sein. Aber auch die Plausibilität von Einzelgutachten - z. B. des medizinischen Entlassungsberichtes einer Rehabilitationsklinik - wäre zu prüfen. Es kann zum Beispiel fraglich sein, ob die für die betreffende medizinische Indikation festgelegten therapeutischen Leistungen in ihrer vorgegebenen Frequenz erbracht worden sind..

Im Sozialrecht kommt dem sogenannten „Ermessen“ eine erhebliche Bedeutung zu. Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung einen Beurteilungsspielraum. Es wäre also darzulegen, dass die Rentenversicherung das ihr zustehende Ermessen nicht pflicht- gemäß ausübt und ermessensfehlerhaft handelt.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"