Ein guter Makler würde Ihnen, wenn es um eine Berufsunfähigkeitsversicherung geht, eine Übersicht verschiedener Versicherer und deren Tarife zeigen. Diese Listen sind meistens nach Beitragshöhe sortiert.

Bevor Sie aber direkt die günstigste BU für sich herauspicken, sollten Sie sich folgende Fragen stellen – und erst dann eine Entscheidung fällen:

 

1. Ist die BU-Rentenhöhe ausreichend? Von 500 € BU-Rente können Sie nicht leben. Also beantragen Sie HARTZ IV. Nur werden die BU-Leistungen dann mit dem ALG II verrechnet. Und somit haben Sie umsonst Geld ausgegeben.

 

2. Bis zu welchem Endalter soll die Versicherung zahlen? Für Angestellte macht ein Endalter unter 63 keinen Sinn, da erst dann die Altersrente beantragt werden kann. Wollen Sie Ihre Altersrente ohne Abzüge genießen, beantragen Sie Versicherungsschutz bis 67. Das gleiche gilt, wenn Sie Ihre private Altersvorsorge bis 67 beantragt haben und ein Vorziehen mit hohen Kosten verbunden wäre.

 

3. Ist eine Beitragsdynamik sinnvoll? Ja! Der Beitrag steigt dann zwar jedes Jahr, aber die Rente damit auch. Stichwort Inflationsschutz!

 

4. Erlaubt der Tarif eine garantierte Rentendynamik im Leistungsfall? Das kostet zwar mehr, bietet aber auch Inflationsschutz für den Fall, dass eine BU-Rente noch 20 Jahre gezahlt wird. Aber: Nicht alle Versicherer bieten diese an.

 

Die letzte und wichtigste Frage ist:

 

5. Wie gut sind die Versicherungsbedingungen?

 

Um diese Frage zu beantworten, habe ich Teile von unterschiedlichen Versicherungsbedingungen zusammengestellt und diese anhand von Beispielen bewertet:

 

Grundsätzlich enthalten Versicherungsbedingungen bis zu 30 Paragraphen. Ich behandle hier die Wichtigsten und daraus die prägnantesten Absätze. Die Paragraphennummern sind nicht unbedingt mit denen von Versicherungsbedingungen  vergleichbar, aber die Reihenfolge stimmt mit den meisten Bedingungen überein. Die relevanten Passagen habe ich markiert:

 

§ 1. Was ist versichert? / Welche Leistungen erbringen wir?

§ 2. Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

§ 3. In welchen Fällen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen?

§ 4. Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab?

§ 5. Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

 

 

§ 1 Was ist versichert? / Welche Leistungen erbringen wir?

 

(1) Garantierte Rentensteigerung im Leistungsfall

Bei Vertragsabschluss kann zusätzlich vereinbart werden, dass sich nach Eintritt der Berufsunfähigkeit die Zahlung der zu diesem Zeitpunkt versicherten Berufsunfähigkeitsrente um einen festen Prozentsatz erhöht.

 

Sehr gut! Hier bietet der Versicherer einen Inflationsschutz im Leistungsfall. Stellen Sie sich vor, Sie sind 40 Jahre alt und können Ihren Beruf nicht mehr ausüben. Sie bekommen ab heute 25 Jahre lang 1.500 € BU-Rente. In 10 Jahren bekommen Sie mit 2% garantierter Rentendynamik 1.828,49€ BU-Rente und haben den inflationsbedingten Wertverlust ausgeglichen. Ohne Inflationsausgleich in Form einer garantierten Rentensteigerung hätte Ihre 1.500€ BU-Rente in 10 Jahren bei 2% Inflation nur noch einen Wert von 1.230,52€.

Fehlt dieser Satz in den Bedingungen, gibt es die Möglichkeit einer garantierten Rentendynamik nicht.

 

(2) Wird die versicherte Person…vollständig oder teilweise berufsunfähig, erbringen wir…folgende Versicherungsleistungen,

a) Standardregelung:

- in voller Höhe bei einem Grad der Berufsunfähigkeit von mindestens 75 Prozent,

- entsprechend dem Grad der Berufsunfähigkeit, wenn dieser mindestens zu 25 Prozent besteht…

 

b)Varianten:

in voller Höhe bei einem Grad der Berufsunfähigkeit

- von mindestens 50 Prozent…

 

Nummer a) in diesem Absatz wird häufig als Vorteil verkauft, ist aber sehr von Nachteil. Das Argument der Berater: Ab einem Berufsunfähigkeitsgrad von 25 Prozent bekommt man eine BU-Rente. Das ist richtig, aber genau deshalb ein Nachteil. Weil eben nur entsprechend dem “Grad der Berufsunfähigkeit“ geleistet wird. Sind Sie beispielsweise mit dieser Variante 25% berufsunfähig, erhalten Sie nur 25% Ihrer abgesicherten BU-Rente (z.B. 25% von 1.500€ BU-Rente). Bei 50% Berufsunfähigkeit erhalten Sie 50% der BU-Rente und so weiter. Diese Regelung spart zwar Beitrag, bringt aber aufgrund der zu geringen Rentenzahlung nichts (Anrechnung bei HARTZ IV). 

Zu b): Die gängige und beste von Versicherern angebotene Klausel ist, bei 50% Berufsunfähigkeit die BU-Rente in voller Höhe zu erhalten.

 

 

§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

 

(1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte

Person ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er

ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war,

infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden

Kräfteverfalls voraussichtlich mindestens 6

Monate nicht mehr ausüben kann.

(4) …

Berufsunfähigkeit liegt allerdings nicht vor, wenn die versicherte

Person eine andere Tätigkeit konkret ausübt, die

entsprechend ihren Kenntnissen, Fähigkeiten und ihrer

gesundheitlichen Beeinträchtigung ausgeübt werden kann

und die wirtschaftlich und in ihrer gesellschaftlichen Wertschätzung

der Lebensstellung entspricht, die vor Eintritt der

gesundheitlichen Beeinträchtigung bestanden hat (konkrete

Verweisung).

Die dabei für die versicherte Person zumutbare Einkommensreduzierung

wird von uns je nach Lage des Einzelfalles

auf die im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung

festgelegte Größe im Vergleich zum jährlichen Bruttoeinkommen

im zuletzt vor Eintritt der gesundheitlichen

Beeinträchtigung ausgeübten Beruf begrenzt. Sie beträgt

jedoch maximal 20 %.                                                                     

(5) Bei einem Selbstständigen liegt Berufsunfähigkeit nicht

vor, wenn er nach wirtschaftlich und betrieblich angemessener

Umorganisation innerhalb seines Betriebes weiter

tätig sein könnte. Die im Rahmen der Umorganisation

ausübbare Tätigkeit muss entsprechend den Kenntnissen,

Fähigkeiten und der gesundheitlichen Beeinträchtigung

zumutbar sein und der bisherigen Lebensstellung in wirtschaftlicher

Hinsicht sowie in ihrer gesellschaftlichen Wertschätzung

entsprechen.

Die dabei für die versicherte Person zumutbare Einkommensreduzierung

wird von uns je nach Lage des Einzelfalles

nach den Maßstäben höchstrichterlicher Rechtsprechung

bestimmt. Eine Einkommenseinbuße von 20 % und

mehr bezogen auf das durchschnittliche jährliche Einkommen

der letzten 3 Jahre aus beruflicher Tätigkeit vor Abzug           

von Personensteuern gilt jedoch in jedem Fall als unzumutbar.

 (7) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt auch vor, wenn die

zuständige Behörde gegenüber der versicherten Person

wegen einer Infektion oder wegen einer Fremdgefährdung

aufgrund einer Infektion ein vollständiges Tätigkeitsverbot

nach dem Infektionsschutzgesetz ausspricht. Das Tätigkeitsverbot

muss sich über einen Zeitraum von mindestens                                  

6 Monaten erstrecken. Die Absätze 4 und 5 gelten entsprechend.

 

 

Zu Absatz 1:

Damit Ihnen Berufsunfähigkeit anerkannt wird, müssen Sie nach dieser Definition außerstande sein, Ihren zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben zu können. Das ist eine saubere Formulierung! Schlechte Formulierungen wären “Kenntnissen und Fähigkeiten“ oder “Ausbildung und Erfahrung“. Unter diesen Umständen würde eine etwaig bestehende Berufsunfähigkeit anhand aller heute bestehenden Kenntnisse und Fähigkeiten oder Ausbildung und Erfahrung geprüft werden. Damit hätte der Versicherer viele Möglichkeiten, Sie in andere Berufe zu verweisen.

 

Die Worte “Mehr als altersentsprechender“ Kräfteverfall erschweren dem Versicherten die Anerkennung einer Leistung. Wie will beispielsweise ein körperlich arbeitender Handwerker im 60. Lebensjahr nachweisen, dass seine Knie deshalb nicht mehr funktionieren, weil sie einfach kaputt sind und nicht mit seinem Alter zu tun haben?

 

Der Prognosezeitraum 6 Monate ist in ernstzunehmenden Bedingungen mittlerweile üblich. Es gibt Bedingungen, in denen der Prognosezeitraum mit “dauernd“ oder “drei Jahre“  angegeben wird. Diese Zeiträume sind natürlich entweder schwer definierbar oder zu lang, weshalb Sie Bedingungen mit diesen Klauseln nicht weiter prüfen müssen.  

 

Zu Absatz 4:

Hier wird erklärt, unter welchen Voraussetzungen Berufsunfähigkeit trotz einer ausgeübten Tätigkeit besteht. Warum dieser Absatz? Es könnte sein, dass Sie in Ihrem alten Beruf berufsunfähig sind, aber tätig bleiben wollen und einen anderen Beruf ausüben.  Die Frage ist: Wieviel dürfen Sie in Ihrer neuen Tätigkeit verdienen, ohne dass die Gesellschaft die BU-Rentenzahlung einstellt?

Dieser Absatz wird anfangs erst schwammig formuliert und zum Schluss konkreter.  Um es vorwegzunehmen. In diesem Absatz wird Ihnen erlaubt, 79% Ihres letzten Einkommens neben der BU-Rente dazuzuverdienen. Die Formulierung dafür lautet: "Die dabei für die versicherte Person zumutbare Einkommensreduzierung…beträgt jedoch maximal 20.“ Damit ist der Absatz trotz anfänglicher Schwammigkeiten sauber zu Ende formuliert.

Achten Sie in Ihren Bedingungen auf die Angabe einer zumutbaren Einkommensreduzierung mittels eines Prozentsatzes. Fehlt dieser Prozentsatz, sind die Bedingungen nicht ausreichend konkret. 

Zu Absatz 5:

Was für Angestellte in Absatz 4 gilt, gilt ebenso auch für Selbstständige. Hier ist zusätzlich relevant, dass bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit auch auf die Lebensstellung in "wirtschaftlicher Hinsicht" sowie der "gesellschaftlichen Wertschätzung" abgezielt werden muss. 

Beispiel zu "wirtschaftlicher Hinsicht": Ein Geschäftsführer ist nicht mehr in der Lage Auto zu fahren und beschäftigt daher einen Chauffeur. Der wirtschaftliche Aufwand aufgrund des zusätzlich zu zahlenden Gehaltes kann dazu führen, dass die Versicherung trotz Berufsausübung zahlen muss.

Bzgl. der "gesellschaftlichen Wertschätzung" wird geprüft, ob der Beruf eines Geschäftsführers ebenso angesehen wird, wie der eines in Teilzeit beschäftigten Büromitarbeiters (Für den Fall, dass der berufsunfähige Geschäftsführer im Büro arbeiten möchte.)  

 

zu Absatz 7:

Auf diesen Absatz sollten besonders Ärzte achten. Dieser Absatz nennt sich Infektionsklausel und ermöglicht die Zahlung einer BU-Rente auch dann, wenn dem versicherten Arzt wegen einer eingefangenen Infektion ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen wird.

 

 

§ 3 In welchen Fällen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen?

 

(2) Soweit nichts anderes vereinbart ist, leisten wir jedoch

nicht, wenn die Ansprüche unmittelbar oder mittelbar verursacht

sind:

… Durch vorsätzliche Ausführung oder den Versuch eines Verbrechens oder

Vergehens durch die versicherte Person

saubere Ergänzung:

Fahrlässige Verstöße und Verkehrsdelikte sind von diesem Ausschluss nicht

betroffen.

oder

Fahrlässige und grob fahrlässige Verstöße sind von diesem Ausschluss

nicht betroffen.

 

Bei Berufsunfähigkeit durch ein begangenes Verbrechen (der klassische Beinschuss nach einem Banküberfall)  leistet eine Gesellschaft natürlich nicht. Interessanter wird es dann schon bei dem Wort “Vergehen“. Sind Sie schon einmal 55 gefahren, wo Sie nur 50 fahren durften? Haben Sie diese Klausel in Ihren Bedingungen, halten Sie sich am besten an die Geschwindigkeit. Folgende Sätze wären eine saubere Ergänzung:

Fahrlässige Verstöße und Verkehrsdelikte sind von diesem Ausschluss nicht

betroffen.

oder

Fahrlässige und grob fahrlässige Verstöße sind von diesem Ausschluss

nicht betroffen.

 

 

§ 4 Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab?

 

(1) Nach Vorliegen aller für unsere Leistungsentscheidung

erforderlichen Unterlagen erklären wir innerhalb von 3

Wochen in Textform, ob, in welchem Umfang und für welchen

Zeitraum wir eine Leistungspflicht anerkennen. Während

der Prüfung werden wir Sie regelmäßig, mindestens

monatlich, über den Sachstand informieren und fehlende

Unterlagen unverzüglich anfordern.

 

Hier sind zwei wichtige Zeitangaben enthalten: 1. Innerhalb von drei Wochen wird über eine Leistung entschieden. 2. Fehlende Unterlagen werden unverzüglich angefordert.

Fehlt eine dieser zeitlichen Befristungen, könnte die Gesellschaft eine Aushungertaktik fahren. Das heißt, eine Leistung könnte solange wie möglich hinausgezögert werden.

 

 

 

 

 

 

§ 5 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

 

(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind

wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad

oder den Umfang der Pflegebedürftigkeit nachzuprüfen; dies gilt nicht für

zeitlich begrenzte Anerkenntnisse nach § 9. Dabei können wir prüfen,

ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund

ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer

Lebensstellung bei Eintritt der Berufsunfähigkeit entspricht.

 

Beziehen Sie BU-Rente, prüfen Gesellschaften in regelmäßigen Abständen, ob Sie noch berufsunfähig sind. Wenn Sie aufmerksam gelesen haben, müssten Sie sich jetzt die Frage stellen, was das von mir gewählte Wort “regelmäßig“ bedeutet. Es gibt wenige Tarife, in denen die zeitlichen Abstände definiert sind. Die Regulierungspraxis zeigt hier deutliche Unterschiede, aber grundsätzlich halten sich Versicherer an einen Zeitraum von einem Jahr, was meines Erachtens vertretbar ist.

Ein anderes Wort, das hellhörig machen muss, ist “berufsunfähig“. Nicht selten nutzen Versicherungsgesellschaften in diesem Absatz die Möglichkeit, die Zahlung der BU-Rente auf den Zeitraum bis zur ersten Nachprüfung zu begrenzen. Wie hier durch die eine andere Definition der Berufsunfähigkeit geschehen.  Wenn die Gesellschaft nicht auf den (hier) §2 verweist, ist Vorsicht geboten.

 

 

Diese Auswertung von Berufsunfähigkeitsbedingungen sollte Ihnen eine Hilfestellung sein, um herauszufinden, welche Tarife interessant für Sie sind und von welchen Sie sich gedanklich verabschieden dürfen/können/ müssen.

Nehmen Sie sich Zeit für die Produktsuche. Versicherungsbedingungen sind in so unterschiedlichen Variationen vorhanden, dass Sie um ein Gespräch mit einem Berater wohl nicht herumkommen. Die eierlegende Wollmilchsau (unter Bedingungen wie unter Beratern) gibt es nicht. Aber wenn Sie sich einem Makler zuwenden ist die Wahrscheinlichkeit, das richtige Produkt zu finden, sehr groß. Dem Vertreter einer Gesellschaft oder dem Banker fehlt naturbedingt die Erlaubnis, zwischen unterschiedlichen Gesellschaften Empfehlungen abgeben zu dürfen.

Vielleicht lassen Sie sich von mehreren Beratern Produkte empfehlen und entscheiden sich für den, bei dem Sie sich am sichersten fühlen. 

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