Zugegeben: das Cover fiel mir sofort positiv ins Auge. Gleichzeitig wirkte der Titel des Buches Ökonomen retten die Welt mit dem aufgedruckten Comic-Cartoon auf den ersten Blick erstaunlich abstrus. Braucht es doch eine Menge an Phantasie, Ökonomen in den Stand von fiktiven Helden à la Superman zu hieven. Weshalb ich zunächst eigentlich Ironie in Form des allseits beliebten Ökonomen-Bashings erwartet hatte. Doch weit gefehlt! Malte Buhse meint es ernst! Der mit 27 Jahren noch recht junge Autor bricht in seinem Buch nicht nur eine, sondern ein ganzes Arsenal an Lanzen für die Zunft der Volkswirtschaftler. Doch vielleicht sollte man den freiberuflichen Wirtschaftsjournalisten keinesfalls unterschätzen oder voreilig gar für naiv halten. Schließlich zählt Malte Buhse sich und seine Kollegen der Weitwinkel Reporter der eigenen Ansicht nach zur Riege der investigativen Journalisten, die Einzelschicksale beleuchtet und stets aus erster Hand berichtet.  

 

Und so glaubt der Autor auch, schon in der Einleitung seines Buches schonungslos und enthüllend den Finger in die Wunde zu legen. Ja, es sei ein Fehler der Ökonomen gewesen, dass es in den Denkmodellen einiger Wirtschaftswissenschaftler keinen Platz für sogenannte systemrelevante Banken gegeben habe, die eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise auslösen könnten. Wobei Buhse die Insolvenz von Lehmann Brothers in 2008 natürlich ganz klar als Ursache und Auslöser dieser weltweiten Krise ausmacht.

 

[...] Durch den Kollaps von Lehmann Brothers und die folgende schwere Krise fielen auch die Modelle der Ökonomen in sich zusammen. [...] Dass Ökonomen eine der größten Wirtschaftskrisen der Geschichte nicht kommen sahen, haben ihnen viele Menschen sehr übel genommen. [...]

Ökonomen retten die Welt S. 14

 

Der Gedanke, dass es sich bei dieser Pleite um nur eine von vielen logischen Folgen unseres derzeitigen Geld- und Wirtschaftssystems handeln könnte, kommt dem Autor nicht in den Sinn. Ganz im Sinne der Mainstreammedien für die er für gewöhnlich schreibt, verweigert er sich, dieses System überhaupt ansatzweise begreifen zu wollen. Ein System, das sich durch die beständige Suche nach neuen solventen Nachschuldnern definiert, um das Rad der beständigen Geldvermehrung einer minimalen Elite am Laufen zu halten. 

 

Doch sei es Malte Buhse an dieser Stelle verziehen, nicht viel ausführlicher auf diesen Punkt eingegangen zu sein, stellt er im Folgenden doch die ein oder andere Ursache beispielsweise in Form der Deregulierung der Finanzmärkte richtig und gut dar. Allerdings darf man bezweifeln, ob es nicht vielmehr die Geld- und Bankenelite war, die die Politik in Richtung der Reaganomics lenkte, was der Autor dankenswerter Weise dann doch nicht völlig unterschlägt.

 

[...] In den Jahren vor der Krise waren es vor allem Ökonomen, die Politiker auf der ganzen Welt dazu gedrängt haben, die Regeln auf den Finanzmärkten immer weiter zu lockern. Dahinter steckte ein blinder Glaube an die Kräfte des freien Marktes. Viele Ökonomen waren damals überzeugt, dass sich Finanzmärkte sehr gut selbst organisieren können und daher keine allzu strengen Regeln brauchen. [...]

Ökonomen retten die Welt S. 14

 

[...] Ökonomen haben vor und während der Krise Fehler gemacht. Einige ließen sich sogar von Lobbyisten der Finanzbranche bewusst oder unbewusst beeinflussen, als sie Politiker davon überzeugten, die Regeln auf den Finanzmärkten zu lockern. [...]

Ökonomen retten die Welt S. 15

 

Vor diesem Hintergrund stellt sich überhaupt die Frage, ob es erlaubt sein kann, die ganze Garde der Ökonomen mit ihren so unterschiedlichen Modellen grundsätzlich in einen Topf zu werfen. Ganz abgesehen davon, dass es sich bei den Wirtschaftswissenschaften und ganz speziell bei der Renaissance der Neoklassik in den 1980iger Jahren eher um eine ideologische Version von angeblicher Wissenschaft handeln dürfte. Denn zweckdienlich wurde damals das erreichte Ziel einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft über Bord geworfen und durch einen neuen, modernen Feudalismus ersetzt. Dafür jedoch Ökonomen ohne jegliche politische und finanzielle Macht verantwortlich zu machen, ist schlichtweg genauso albern, wie sie im Folgenden in den Stand von Superhelden zu heben.

 

[...] Aber viele Ökonomen haben mit diesen fatalen Fehltritten nichts zu tun. Ganz im Gegenteil: Sie benutzen ihren scharfen Verstand und ihr Wissen über die Wirtschaft, um Menschen zu helfen. Diese Ökonomen tun genauso viel Gutes für die Menschheit wie Mediziner, Physiker oder Entwicklungshelfer. Sie retten Menschenleben, bekämpfen den Klimawandel und decken Verbrechen auf. Professorenzimmer und Forschungsinstitute sind in Wirklichkeit Einsatzzentralen zur Rettung der Welt, hinter dicken Hornbrillen und dunklen Jacketts schlummern wahre Superheldenkräfte. [...]

Ökonomen retten die Welt S. 16

 

Der Klimawandel darf bei Malte Buhse natürlich auch nicht fehlen. Jedoch ist es durchaus interessant, wie der Autor im Kapitel „Die Waffenkammer der Helden-Ökonomen“ zunächst gut und richtig völlig welt- und realtiätsfremde Ökonomen-Modelle beschreibt und die Kritik an diesen als gerechtfertigt empfindet. Dann jedoch wenige Sätze weiter beispielsweise die abstruse Theorie des Homo oeconomicus als durchaus berechtigt darstellt. Und das obwohl diese überhaupt nicht in der Lage ist, menschliches Verhalten in der Realität auch nur ansatzweise zu erklären und nachweislich mit der Realität wirtschaftlichen Handelns nicht in Einklang zu bringen ist.

 

Sehr gut hat mir hingegen das Kapitel „Ökonomen auf Verbrecherjagd“ gefallen. Der Autor beschreibt hier die Fachrichtung der „Forensischen Ökonomik“, die ökonomisches Wissen nutzt, um Verbrechen aufzuklären. Malte Buhse stellt hier beispielsweise die Harvard-Ökonomin Melissa Dell vor, die sich mit Logistikforschung beschäftigt. Ihre Modelle wandte sie schließlich auf die Transportwege des Drogenhandels in Mexiko an und konnte so den Fahndern wertvolle Informationen über die für die Drogenkartelle günstigsten Schmugelrouten liefern. Und es bestätigte sich tatsächlich, dass die Drogenkuriere vor allem die von der Ökonomin angegeben Straßen und Grenzübergänge benutzten.

 

Trotz meiner hier dargebrachten Kritik, ist das Buch von Malte Buhse durchaus lesenswert. Größter Pluspunkt ist, dass es sehr unterhaltsam geschrieben und angenehm zu lesen ist. Natürlich kann man sich über viele Dinge, die der Autor zu schönfärberisch darstellt, bestens aufregen. Auch wirkt die mehr als bewundernde Zustimmung zur Riege der Ökonomen doch sehr blauäugig, einseitig und undifferenziert. Trotzdem bereitet es in gewisser Weise Freude und macht auch sehr viel Spaß, seinen teils schon sehr merkwürdigen Ansichten und Auslegungen zu folgen.


Taschenbuch: 224 Seiten
Verlag: FinanzBuch Verlag (7. November 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3898798224
ISBN-13: 978-3898798228
Größe und/oder Gewicht: 20,6 x 14,6 x 1,4 cm

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