Liebe Cashkurs-Leser,

ich freue mich Ihnen heute erneut eine wertvolle Erweiterung unseres Autoren-Pools vorstellen zu dürfen.

Christoph Vigano ist ein „echter“ Anwalt der Anleger, er vertritt Anleger nämlich juristisch bei Rechtsstreitigkeiten mit den Banken. Korrekt heißt das dann: Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Christoph Vigano ist mir seit vielen Jahren persönlich bekannt und ich schätze ihn sehr.

Er wird uns immer mal wieder auf aktuelle und interessante Entwicklungen aus seinem Bereich, der viele Anleger betreffen dürfte, informieren.

Sollten Sie selbst einmal einen ersten Ansprechpartner bei einer Streitigkeit in diesem Bereich suchen, können Sie selbstverständlich auch persönlich mit ihm Kontakt aufnehmen. Seine Kontaktdaten finden Sie in seinem Autorenprofil.

Herzliche Grüße

Ihr

Dirk Müller

 

Schlechte Chancen für „Lehmann-Kläger“?!

Das Krisenjahr 2008 hat weltweit deutliche Spuren hinterlassen, so auch bei nahezu allen Kapitalanlegern. Besonders negative Erfahrungen mussten dabei diejenigen Kapitalanleger machen, die eines der zahlreichen „Lehmann-Zertifikate“ erworben hatten. Solche Zertifikate sind damals von verschiedenen Banken/Kreditinstituten im gesamten Bundesgebiet vertrieben worden. Die Insolvenz der Emittentin (hier: Lehmann Brothers) führte quasi über Nacht dazu, dass diese Kapitalanlagen völlig wertlos wurden.

Diese Zertifikate sind in erheblichen Stückzahlen in Umlauf gebracht worden. Dabei sind sicherlich auch zahlreiche Anleger „beglückt“ worden, deren grundsätzliches Risikoprofil nicht dazu geeignet gewesen ist, in solche Papiere zu investieren. So hat man doch sehr schnell von Fällen gehört und gelesen, wo Rentnern mit nur geringen Ruhestandbezügen dazu geraten worden war, ihre dürftigen Ersparnisse in derartige –vermeintlich risikolose- Papiere anzulegen. Sicherlich sind aber nicht alle Fallkonstellationen so extrem gelagert.

Es hat naturgemäß auch nicht lange gedauert, bis die Lehmann-Zertifikate die Gerichte im ganzen Bundesgebiet beschäftigt haben. Anwälte haben im Internet und auf Informationsveranstaltungen sehr offensiv um Anleger und damit lukrative Mandate geworben. Die Gerichte sind seither mit Lehmann-Verfahren stark belastet.

Bereits im Jahr 2011 kam es dazu, dass der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei „Lehmann-Verfahren“ zu entscheiden hatte. Konkret ging es um die Aufklärungspflichten der beratenden Bank beim Verkauf von Index-Zertifikaten. Durch die Urteile vom 27.09.2011 (Az. XI ZR 178/10 und XI ZR 182/10) wurden beide Verfahren gegen die Kapitalanleger entschieden. Die Entscheidungen haben in der Folgezeit eine enorme Publizität erzeugt. Weitere Fälle sind (bis dato) durch den BGH nicht entschieden worden. So bleibt derzeit offensichtlich der Eindruck zurück, dass die betroffenen „Lehmann-Kläger“ schlechte Aussichten haben dürften, ihre Verfahren erfolgreich zu bestreiten.

Schaut man sich die beiden Entscheidungen des BGH jedoch genauer an, so fällt auf, dass der BGH längst nicht über alle rechtlichen Probleme und Fallgestaltungen entschieden hat, die sich im Rahmen des Vertriebs der Lehmann-Zertifikate herausgebildet haben. Beide Anleger in den entschiedenen BGH-Verfahren hatten bereits vor Erwerb der Lehmann-Zertifikate Inhaberschuldverschreibungen erworben, verfügten also über einschlägige Vorkenntnisse. Der BGH hat dann eine Pflicht der Bank zur Aufklärung über das konkrete Emittentenrisiko verneint, solange durch die Prüfung der Bank mit üblichem kritischem Sachverstand kein konkretes Risiko erkennbar sei. Zwar umfasse diese Prüfung auch die Bonität des Emittenten, dabei darf sich die Bank aber offenbar - wenigstens ohne weitere Anhaltspunkte - auf das Rating verlassen. Dies sei aber beim Erwerb der Zertifikate noch so positiv gewesen, dass Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Emittenten nicht aufkommen mussten. Hingegen sei das allgemeine Emittentenrisiko grundsätzlich aufklärungspflichtig, es sei denn, es wäre dem Anleger bereits aus seinem bisherigen Anlageverhalten geläufig. Ferner hat der BGH - wenn auch wenig überzeugend - eine zivilrechtliche Verpflichtung zur Aufklärung über die Gewinnmargen der Bank verneint. Hier wird eine Übertragung der Rückvergütungsrechtsprechung („Kick-Backs“) durch den BGH abgelehnt.

Weitergehende Rechtsfragen sind durch den BGH bis dato nicht beantwortet worden. Dies aber insbesondere auch deshalb, weil dem BGH bis dato keine weitere Möglichkeit gegeben worden ist, all jene Besonderheiten zu klären und zu entscheiden, die nach dem Grundsatzurteil vom vergangenen September noch fraglich sind. So waren für Anfang 2012 verschiedene Verhandlungstermine über Schadensersatzklagen von Lehmann-Anlegern anberaumt. Hier hatte sich aber aufgrund vorangegangener Verhandlungen bzw. Hinweisbeschlüsse des Gerichts eine Niederlage der Banken deutlich abgezeichnet. Diese haben dann im letzten Augenblick die Revision zurückgezogen und damit dem BGH die Möglichkeit genommen, in der Sache zu entscheiden. Somit fehlt es bis dato an einer verbindlichen höchstrichterlichen Klärung zahlreicher Rechtsfragen. Diese Entwicklung führt jedoch allenfalls zu publizistischen Randbemerkungen. Letztlich bleibt daher der (trügerische) Gesamteindruck zurück, die Lehmann-Verfahren stünden in Ansehung der bisherigen BGH-Urteile unter einem „schlechten Stern“. Dem ist jedoch tatsächlich nicht so.

Die Rücknahme der Revisionen durch die dort beteiligten Banken/Kreditinstitute ist gerade ein deutliches Indiz dafür, dass solche Klageverfahren sehr wohl erfolgreich bestritten werden können. Die Banken setzen aber alles daran, dass eine negative Berichterstattung unterbleibt und entziehen daher aus taktischen Gründen dem BGH die Möglichkeit, eine Sachentscheidung zu treffen und Grundsatzfragen zu klären. Es bleibt abzuwarten, wie die weitere Entwicklung beim BGH verlaufen wird. Dort stehen am 26.06.12 erneut vier Fälle von Lehmann-Anlegern auf der Tagesordnung.

Abschließend ist daher festzuhalten, dass die negative Ausstrahlung der beiden BGH-Urteile vom September 2011 kein generelles Indiz für die Chancen in den Lehmann-Verfahren darstellt. Es ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass solche Rechtsstreite Einzelfallentscheidungen sind. Hier muss die jeweilige Anlageentscheidung, das Beratungsgespräch sowie das Risikoprofil des Anlegers und dessen Vorkenntnisse im Bereich von Kapitalanlagen genau analysiert werden. Aus der Aufarbeitung all dieser Umstände lassen sich dann Chancen und Risiken einer rechtlichen Auseinandersetzung beurteilen. Hierbei helfen und unterstützen den Anleger fachlich versierte und im Bereich des Kapitalanlagerechts spezialisierte Rechtsanwälte. Diese wissen dann auch die beiden BGH-Entscheidungen aus dem Jahre 2011 richtig einzuordnen.

Das Jahr 2012 verspricht also einiges an Spannung in diesen Verfahren. Mal sehen, ob dem BGH Gelegenheit gegeben wird, die anstehenden Rechtsfragen tatsächlich auch zu entscheiden. Fortsetzung folgt also …

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