Einige Leser äußerten zuletzt die Bitte, nach der Situationsanalyse in Bezug auf Boeing auch einmal die Lage bei dem europäischen Flugzeugbauer Airbus in einen direkten Vergleich zu stellen. Ich möchte Ihrem Ersuchen heute gerne nachkommen.

Konzernchef stimmte Mitarbeiter Ende April auf weitreichende Maßnahmen ein

In einem Ende April an die 134.000 Airbus-Mitarbeiter versendeten Brief teilte Konzernchef Guillaume Faury mit, dass das Unternehmen vor einer Verabschiedung von weitreichenden Maßnahmen stünde, um sich gegen den immensen Wirtschaftseinbruch zu stemmen.

Aus Sicht der internationalen Flugindustrie, in der sich zurzeit weltweit rund 17.500 zivile Passagierflugzeuge am Boden geparkt sehen, wird es unter aller Voraussicht zu noch deutlich einschneidenderen Kostenreduzierungsmaßnahmen als in jedem anderen Wirtschafts- und Industriezweig kommen.

In seinem Brief wies Faury darauf hin, dass Airbus in seiner Unternehmenshistorie bislang ungesehenen Verlusten ins Auge blicke. Ähnlich wie im Fall von Boeing stellt sich auch aus Sicht von Airbus die Frage, wie viele Zivilfluglinien die aktuelle Krise überhaupt überleben werden, und auf welchem Niveau sich die Flugzeugnachfrage nach einer sich noch an ihrem Beginn befindlichen Pleitewelle in der Zukunft einpendeln wird.

Weitere massive Stellenstreichung unvermeidbar

Branchenexperten und Analysten sind sich in ihrer Einschätzung nahezu einig, dass große Flugzeugmodelle im internationalen Flugverkehr in den nächsten Jahren wohl nicht mehr gebraucht und aus der Mode kommen werden. Von den insgesamt 13.500 Mitarbeitern, die Airbus in Großbritannien beschäftigt, wurden bis Ende April bereits 3.200 Arbeitskräfte nach Hause geschickt.

Hiervon betroffen ist insbesondere das in Wales ansässige Produktionswerk Broughton. Laut dem Airbus-Management sei es mit den Gewerkschaften zu einer Vereinbarung gekommen, um die außer Dienst gestellten Mitarbeiter Anträge zum Erhalt der britischen Version des deutschen Kurzarbeitergeldes stellen zu lassen. Auch in Frankreich wurden inzwischen 3.000 Mitarbeiter in einem entsprechenden Regierungsprogramm „geparkt“.

Hierbei werde es allerdings nicht bleiben, da Airbus unter Bezugnahme auf Aussagen von Faury momentan „Cash in einer niemals zuvor gesehenen Geschwindigkeit verbrennt“. Es folgte die Warnung des Managements, dass sich massive Arbeitsplatzverluste im Angesicht der Krise, in der sich die globale Flugindustrie befinde, unter hoher Wahrscheinlichkeit nicht werden vermeiden lassen.

Unternehmensexistenz ist bedroht

Bereits Anfang April gab Airbus Pläne bekannt, laut denen die zivile Flugzeugproduktion um ein Drittel reduziert werden soll. Anstelle der bis dahin geplanten Produktion von sechzig Modellen des Airbus A320 pro Monat soll es „nur“ noch zur Herstellung von vierzig dieser Flugzeugtypen pro Monat kommen. Die zu fertigende Stückzahl der beiden Modelle A330 und A350 soll pro Monat auf zwei beziehungsweise sechs Einheiten gekürzt werden.

In dem Mitarbeiterbrief von Faury hieß es weiter, dass die getroffene Entscheidung zu einer Produktionsdrosselung um ein Drittel nicht der Weisen letzter Schluss bleiben müsse. Es könnte nämlich durchaus sein, dass es sich hierbei nicht um das schlimmste aller Szenarien, dem Airbus nun ins Auge blicke, handeln wird. In Faurys Brief hieß es hierzu wörtlich:

Wir verbrennen gerade Geld in einer bislang niemals zuvor gesehenen Geschwindigkeit, wodurch die wirtschaftliche Existenz unseres Unternehmens bedroht werden könnte. Aus diesem Grund müssen wir jetzt schnell handeln, um unsere Kostenbasis zu trimmen, unsere allgemeine Finanzbasis zu verbessern und wieder Kontrolle über unser eigenes Schicksal zurückzugewinnen.“

Auch möglicher Bailout kann Coronafolgen nicht nivellieren

Analysten und Branchenexperten gehen davon aus, dass es bei Airbus zur Verabschiedung eines neuen Restrukturierungsplans kommen wird, in dessen Zuge es ab den Sommermonaten zu einem Abbau von mindestens 10.000 Mitarbeitern weltweit kommen könnte. Laut Faury lägen alle Optionen auf dem Tisch, während mit einer Entscheidung gewartet werde, bis sich mehr Klarheit auf der Nachfrageseite abzuzeichnen beginne.

Selbstverständlich befindet sich das Airbus-Management bereits in Gesprächen mit europäischen Regierungen, die letzten Endes zu einem massiven Bailout des Unternehmens führen könnten. In diesem Rahmen könnte es gegenüber Airbus beispielsweise zu einer Zusage von großzügigen Kreditgarantien kommen. Dies wird jedoch nichts daran ändern, dass dem Flugzeugbauer eine Schrumpfung der eigenen Unternehmensaktivitäten ins Haus stehen wird.

Ende April präsentierte Airbus den Ergebnisbericht zum Geschäftsverlauf im ersten Quartal. Wie Konzernchef Faury bekannt gab, habe sich der Jahresauftakt sowohl im kommerziellen wie auch im industriellen Geschäft von Airbus noch als vielversprechend erwiesen. Getrübt wurde der Ausblick dann allerdings recht schnell aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Faury hierzu wie folgt:

Wir befinden uns inmitten der ernsthaftesten Krise, der die internationale Flugindustrie je ins Auge geblickt hat. Aus diesem Grund setzen wir gerade eine Reihe von Maßnahmen um, damit das Überleben des Unternehmens Airbus in der Zukunft gesichert wird. Wir bedienten uns dieser Maßnahmen schon zu einem frühen Zeitpunkt, um unsere Liquiditätssituation zu verbessern und finanziell flexibler zu sein. In diesem Zuge passen wir die Produktion unserer Flugzeugmodelle an die globale Kundennachfragesituation an. Die gesamte Flugindustrie hat nun die Aufgabe, verlorengegangenes Vertrauen unter Flugpassagieren wiederherzustellen, während wir beständig lernen müssen, auf welche Weise wir uns als Industrie an Pandemie-Bedingungen anpassen können.“

Blick aufs Zahlenwerk

Abschließend folgt noch ein Blick auf das durch Airbus Anfang Mai übermittelte Zahlenwerk. Daraus ging wie folgt hervor:

  • Umsatzrückgang in Höhe von 15 % auf 10,631 Milliarden Euro in Q1/2020 im Vergleich mit Q1/2019

  • Einbruch des operativen Gewinns um 49 % auf 281 Millionen Euro in Q1/2020 im Vergleich mit Q1/2019

  • Anzahl aller kommerziellen Nettoneuaufträge in Q1/2020 im Vergleich mit Q1/2019: -58 Flugzeuge

  • Anzahl aller Nettoneuaufträge im Helikopterbereich: 54 in Q1/2020 im Vergleich mit 66 in Q1/2019

  • Nettoneuaufträge im Bereich Verteidigung und Weltraum (inklusive Wartungsarbeiten an existierenden Militärflugzeugen): 1,7 Milliarden Euro

    

    

„Was heißt das für mich konkret!?“

Ähnlich wie im Fall des Konkurrenten Boeing blickt auch Airbus einer sehr ungewissen Zukunft ins Auge, da sich bislang noch immer nur rudimentär abzuzeichnen beginnt, auf welche Weise die Aktivitäten im internationalen Zivilfluggeschäft im Angesicht einer zeitlich anhaltenden Pandemie fortgesetzt werden sollen.

Internationale Regierungen müssen sich auf einheitliche Standards einigen, was insbesondere auch Ein- und Ausreiseformalitäten von Flugpassagieren betrifft, was jedoch Jahre dauern könnte. Über so viel Zeit werden weder Fluglinien noch Flugzeugbauer oder deren Tausende Zulieferbetriebe verfügen, weshalb aus meiner Sicht nach wie vor gilt, in diesem Bereich erst einmal abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln werden.

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