Drohnenangriffe und ein toter Pilot – Spurensuche in Deutschland

Wie Kriegsausbruch gehen könnte, haben wir als Zeitgenossen zuletzt bei zwei Gelegenheiten auf dem syrischen Schlachtfeld erleben können. Ein Vorfall war mit dem Abschuss eines russischen Piloten unter Umständen verbunden, die - jedenfalls aus der Ferne betrachtet - amerikanische und saudische Truppen in Verbindung zu diesem tragischen Tod eines russischen Piloten brachte.

Der zweite Vorfall lag zeitlich näher. Er war verbunden mit einem massiven Angriff von ferngesteuerten Drohnen auf einen russischen Stützpunkt, ebenfalls in Syrien. Da in den Medien von vierzig und mehr Drohnen die Rede war, tauchte für die Abwehr auf dem angegriffenen Flugplatz die Frage nach der Steuerung dieser Drohnen auf. Es war wie bei dem vorweihnachtlichen Vorfall auf dem britischen Flugplatz London-Gatwick. In Syrien kam man allerdings wohl sofort dahinter, dass die koordinierte Steuerung dieser Angriffs-Drohnen über einen Satelliten erfolgte.

Da die Koalitions-Terrorformation „IS“ über keinen Satelliten verfügt, kamen andere Eigentümer in Betracht. Es war aber auch die Frage nach wirksamer Störung dieser Satelliten-Verbindung, die fieberhaftes und erfolgreiches Handeln russischer Einheiten für die Elektronische Kampfführung erfolgreich tätig werden ließ. Wie sich sofort herausstellte, wurde der Angriff auf manuelle Steuerung dieser Angriffsdrohnen umgestellt und die Steuerung erfolgte offensichtlich aus einem Flugzeug, das knapp außerhalb der entsprechenden Meilenzone flog. Auch dieses Flugzeug gehörte nicht dem „IS“.

Bei dem Theater, von dem derzeit Washington bestimmt ist und aus grundsätzlichen Überlegungen, dürfte der Befehl auch nicht aus dem „Weißen Haus“ in Washington gekommen sein. Erfolgreicher dürften Anfragen in der deutschen Feinstaub-Kapitale Stuttgart im amerikanischen Hauptquartier für Kriegsschauplätze aller Art „Centcom“ ablaufen. Jeder dieser beiden Anlässe wäre Grund genug für „mehr“ gewesen und die staunenden Zeitgenossen in dem Gebiet der übergreifenden Auseinandersetzung wären mit einem unerwarteten Krieg morgens aus ihren wohltemperierten Betten gefallen.

Der Freiheitsgedanke ist in weite Ferne gerückt

Ereignisse dieser Art laufen nicht nur in Syrien, sondern auf „Arbeitsebene“ entlang der gesamten „neuen Ostfront“, die wie die „Neue Seidenstraße“ die Dinge zwischen uns und Moskau und/oder Beijing bestimmt. Die Verhältnisse im NATO-Bündnis sind dergestalt, dass sich vermutlich auch der amerikanische Präsident Trump fragen dürfte, warum man sich plötzlich im Krieg mit einem Land befindet, mit dessen Präsident man abends zuvor noch telefoniert hatte.

In einem Bündnisgebiet, in dem seit Jahrzehnten staatliche Strukturen und demokratische Ordnungen bewusst der Erosion preisgegeben werden, verwundert das immer weniger. Ein ehemaliger Bundesrat aus der Schweiz hat einmal formuliert, dass unser zivilisatorisches Erbe der Gedanke der „Freiheit“ sei. Damit kann er die politische Wirklichkeit der NATO und der EU nicht gemeint haben, wenn man den konsequenten Weg des hiesigen „Freiheits-Entzuges“ betrachtet.

Putin beweist dankenswerterweise Besonnenheit

Der Umstand, dass aus beiden vorgenannten Vorfällen nicht ein über Syrien hinausgehender Schießkrieg entstanden ist, dürfte auch und vor allem den staatlichen Strukturen der Russischen Föderation und ihres besonnen handelnden Präsidenten Putin zu verdanken sein. Das hat zuletzt - und etwas näher als Syrien - der Vorfall nahe der russischen Halbinsel Krim gezeigt. Es wurden eben keine Explosivgranaten benutzt, um andere an einem völkerrechtswidrigen Vorgehen zu hindern.

Nach diesen Erfahrungen und um schlimmere Entwicklungen auszuschließen, müssten die Europäer eigentlich die Russen bitten, solange den russischen Präsidenten im Amt zu belassen, bis dieses friedensgefährdende Handeln im Westen abgestellt ist.

China-Taiwan: Xi schließt Militäreinsatz nicht aus

In gleicher Weise gilt dies für China und seinen Präsidenten Xi, über den in Zusammenhang mit Taiwan gerade zum Jahreswechsel hinlänglich berichtet worden ist.

Präsident Xi hatte den Einsatz militärischer Mittel bei einer entsprechenden Entwicklung auf Taiwan nicht ausgeschlossen. Taiwan ist weit genug weg, um in Europa und Nordamerika emotionale Wellen gegen Beijing so richtig hochkochen zu lassen.

Das haben die Menschen auf Taiwan nicht verdient, die mit großem Einsatz in den letzten Jahrzehnten die Insel von einer Militärdiktatur hin zu einem freiheitlicheren Gemeinwesen entwickelt haben. In diesem Prozess gab es Massaker, die bis heute die taiwanesische Innenpolitik ebenso bestimmen, wie dies im nahegelegenen Südkorea wegen ähnlicher Vorfälle auch der Fall ist.

In den Beziehungen zu Beijing und umgekehrt operieren beide Seiten bis heute auf der Grundlage von Grenzen, wie sie am Ende des chinesischen Bürgerkrieges vorhanden waren, als der national-chinesische Machthaber Tschiang Kai Schek sich mit seinen verbliebenen Truppen nach Taiwan absetzen konnte.

Historische Wunden heilen langsam

In ganz China ist bis heute unvergessen, dass die Vereinigten Staaten am Ende des Zweiten Weltkrieges alles daran setzten, die unter Befehl von Tschiang Kai Schek stehenden sechs Elitedivisionen im Kampf gegen die Japaner aufgerieben zu sehen, damit sie keine Rolle mehr auf Seiten von Tschiang Kai Schek in seinen Auseinandersetzungen innenpolitischer Art spielen sollten.

Die nationalchinesischen Truppen auf Taiwan handelten als Bürgerkriegsformation innerhalb der bestehenden Grenzen Chinas und vermieden es, wegen ihrer Erwartungen für die chinesische Entwicklung, die staatliche Unabhängigkeit auszurufen. Das ist bis heute der Status quo und jedem in China und auf der schönen Insel Taiwan dürfte klar sein, was nach internationalen Maßstäben der Fall sein würde, wenn in dieser Frage eine Änderung erfolgen sollte. China hat wegen Hongkong deutlich gemacht, was Flexibilität und Pragmatismus bedeutet. Aber nicht nur das.

Nüchtern bleiben und kühl kalkulieren!

Gerade wir in Deutschland sollten uns fragen, wer uns nach dem drohenden Zusammenbruch der Weltwirtschaft infolge der von den Vereinigten Staaten ausgehenden Banken-Verwerfungen bei der Lehman-Pleite eigentlich gerettet hatte. Natürlich war das China, zu einem Preis, bei dem man fast um China und seine - nicht nur ökonomische - Zukunft bangen muss. Dem Vernehmen nach ist seinerzeit der chinesische Finanzminister in den Nahen Osten geflogen, um die Welt zu retten.

Das hält heute andere nicht davon ab, in dieser Region nach Kräften zu zündeln. Das geschieht im McArthur-Stil und von Staaten, in denen so etwas strukturell nicht vorkommen kann.

Anlässe dafür gibt es genug, wie Taiwan selbst leidvoll erfahren musste, als in einer Nacht des Jahres 1978 der taiwanesische Präsident einen Anruf aus Washington mit der Aussage erhielt, jetzt den amerikanischen Laufpass zu erhalten, weil man die Beziehungen zu Beijing mit Priorität behandelte.

Als Ausgleich dafür darf man vor jeder taiwanesischen Präsidentschaftswahl riesige Waffenkäufe seitens Taiwan in den USA tätigen, allerdings gegen Bar-Kasse. Ortskundige taiwanesische Gesprächspartner haben in militärischer Hinsicht immer darauf aufmerksam gemacht, wie unsinkbar ihre Insel als Flugzeugträger doch sei, wenn man an der bergigen Ost-Küste die in die Berge vorgetriebenen Rollbahnen für die Bomber betrachte.

Es kommt bei den jetzigen Auseinandersetzungen - fern im Osten - für uns in erster Linie darauf an, die Dinge nüchtern und umfassend zu beurteilen und sich durch die weltweit agierenden  Mobilisierungsorganisationen nicht vor den Karren spannen zu lassen.

Die beiden Vorfälle in Syrien haben deutlich gemacht, wie sehr alles an einem seidenen Faden hängt und wie die strukturellen Unterschiede beschaffen sind.

Willy Wimmer, 5. Januar 2019

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