Einige unter Ihnen werden sich vielleicht an meine Berichterstattung im Jahr 2018 erinnern, als der IWF der argentinischen Vorgängerregierung von Mauricio Macri zur Hilfe eilte, um das Land erneut vor einem unmittelbar bevorstehenden Staatsbankrott „zu retten“.

Zum damaligen Zeitpunkt mutmaßte ich, dass vieles, wenn nicht alles, auf das Motto des „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ hinauslaufen würde, zumal der Zentralbank-Chef zum damaligen Zeitpunkt seinen Hut nahm, während sich Anzeichen für eine deutlich steigende Inflation im Land der Gauchos breitzumachen begannen.

Fernandez de Kirchner: Darlehenskonditionen sind inakzeptabel

Dieser Punkt scheint jetzt erreicht zu sein. Fernandez de Kirchner machte in ihrer Rede überhaupt keinen Hehl aus der Tatsache, dass ihr Land das für eine Rückzahlung des IWF-Darlehens benötigte Geld schlichtweg nicht aufzubringen in der Lage sei.

An den einst vereinbarten Kreditbedingungen ließ Fernandez de Kirchner zudem kaum ein gutes Haar, darauf hinweisend, dass die der einstigen IWF-Darlehenszusage unterliegenden Konditionen inakzeptabel seien.

Denn diese zugrundeliegenden Bedingungen machten Nachverhandlungen über Änderungen der Rückzahlungsmodalitäten nahezu unmöglich. Und so schob Fernandez de Kirchner den schwarzen Peter auch sogleich der Vorgängerregierung von Mauricio Macri in die Schuhe, die sich damals um den Nothilfekredit beim IWF beworben hatte.

Fernandez de Kirchner rief die politische Opposition im Land zu einer Zusammenarbeit auf, um gemeinsam Anstrengungen mit dem Ziel einer Kreditstreckung und Reduzierung der zu leistenden IWF-Zinszahlungen zu unternehmen.

Bereits am Dienstag sei es zu einer Zusammenkunft des argentinischen Wirtschaftsministers Martin Guzman und IWF-Direktorin Kristalina Georgieva in Washington gekommen, die oberflächlich betrachtet gut verlaufen sei, jedoch viele der drängendsten Fragen offengelassen habe.

Es mag an Vizepräsidentin Fernandez de Kirchner liegen, die in ihrer damaligen Amtszeit als Staatspräsidentin des Landes zwischen 2007 und 2015 mit den argentinischen Gläubigern um jeden Peso gefeilscht hatte, um einen neuerlichen Staatsbankrott Argentiniens abzuwenden.

Was hilft es, das Unvermeidbare zu verschieben?

Es scheint also stets nur darum zu gehen, Zeit zu erkaufen. Doch Zeit erkaufen für was, wenn das Unvermeidbare ab einem bestimmten Zeitpunkt dann ja doch irgendwann offensichtlich wird und eintritt, wie sich am Beispiel Argentiniens gerade einmal mehr zeigt?

In Buenos Aires werde bereits gemunkelt, dass es vor den argentinischen Zwischenwahlen im Herbst dieses Jahres unter Umständen nicht zu einer einvernehmlichen Einigung mit dem IWF kommen könnte. Staatspräsident Alberto Fernandez erweist sich als Führer einer breiten peronistischen Koalitionsmehrheit.

Welche Knüppel Vizepräsidentin Fernandez de Kirchner, die die Vorgängerregierung für die aktuelle Lage ihrer Nation verantwortlich macht, dieser Koalitionsmehrheit hinsichtlich von potenziellen Nachverhandlungen mit dem IWF zwischen die Beine werfen könnte, bleibt für den Moment abzuwarten.

Tatsache ist, dass Fernandez de Kirchner einer der wichtigsten Linksfraktionen in der argentinischen Parteienlandschaft vorsitzt, die sich in der Vergangenheit einen Ruf als politisch-radikale Gruppierung erworben hat.

Mitarbeiter des in Washington ansässigen Wilson Center werden durch Medien mit den Worten zitiert, dass Schlüsselpartner der aktuellen Regierungskoalition in Buenos Aires es vorzögen, „einen dauerhaften Krieg“ mit dem IWF zu führen.

Auf diese Weise werde es dem argentinischen Wirtschaftsminister Guzman erschwert, ins Auge gefasste Nachverhandlungen mit dem IWF einzuleiten. Beim IWF selbst scheint man sich indes darüber bewusst zu sein, über keinerlei Druckmittel zu verfügen, um vergebene Kredite seitens Drittländern einzufordern.

US-Steuerzahler in der Pflicht – Wird der offizielle Zahlungsausfall erklärt?

Es sind Amerikas Steuerzahler, die mit weitem Abstand für eine Erfüllung von Darlehens- und Kreditzusagen an andere Nationen geradezustehen haben. Grund für die Komplikation der aktuellen Lage ist, dass Argentinien neben einer Kreditrückzahlung nur eine weitere Alternative offenzubleiben, die da lautet: Die offizielle Erklärung eines Zahlungsausfalls.

Es erweckt den Eindruck, als ob führende Köpfe der Regierungskoalition in Buenos Aires eine solche Alternative bereits in Erwägung zu ziehen scheinen, da Nachverhandlungen mit dem IWF wohl definitiv in die Forderung nach einer Verabschiedung von schmerzhaften Austeritätsmaßnahmen in der Heimat münden dürften.

Und genau das scheint man in Buenos Aires in dem Bewusstsein abzulehnen, dass das Land angesichts der anhaltenden Covid-Krise ohnehin schon einem Pulverfass gleicht. Jetzt auch noch Steuererhöhungen und Austeritätsmaßnahmen zu verkünden, um sich dem Willen des IWFs zu beugen, könnte definitiv einen Ausbruch von Massenunruhen im Gaucho-Land zur Folge haben.

Die aktuelle Regierungskoalition würde über eine solche Entwicklung sehr wahrscheinlich auseinanderbrechen und Gefahr laufen, durch die eigene Bevölkerung vom Hof gejagt zu werden. Es ist also einfacher, allein den IWF sowie die Vorgängerregierung von Mauricio Macri für die finanziell brenzlige Situation des Landes verantwortlich zu machen. An der vorherrschenden Lage ändert sich hierdurch allerdings nichts.

Kommt Argentinien jemals aus der Negativspirale heraus?

Dabei hatte es bis vor Kurzem noch den Eindruck vermittelt, als ob sich Argentinien endlich aus einer jahrelang anhaltenden Rezession würde befreien können. Doch zu welchem Preis? Aktuelle Prognosen sehen einen Anstieg der argentinischen Inflation auf fünfzig Prozent im laufenden Jahr vor, während die Arbeitslosigkeit angesichts der Covid-Krise und Lockdowns offiziell in den prozentual zweistelligen Bereich klettern wird.

Das im vergangenen Jahr mit privaten Gläubigern erzielte Abkommen hinsichtlich einer Schuldenrestrukturierung in einem Umfang von 65 Milliarden US-Dollar hat indes kaum einen Beitrag dazu geleistet, die Kreditwürdigkeit Argentiniens an den internationalen Finanzmärkten zu verbessern. Ganz im Gegenteil werden die hiervon betroffenen Anleihen erneut im Junkbereich gehandelt.

Und so verwundert es auch kaum, dass Argentinien sich momentan nicht mehr dazu in der Lage sieht, neue Kredite an den internationalen Finanzmärkten aufzunehmen. Was ist die hieraus resultierende Folge? Ganz recht, die elektronische Druckerpresse rotiert praktisch 24/7, was die heimischen Inflationsrisiken stark ankurbelt.

Abschließend sei erwähnt, dass Argentinien seit dem Jahr 1956 nun bereits zum 22. Mal mit dem IWF über eine Schuldenrestrukturierung verhandelt. Mauricio Macri wurde der im Jahr 2018 mit dem IWF erzielte Kreditdeal zum Verhängnis.

Dessen Regierung erwies sich zwar als unternehmensfreundlich, sah sich jedoch auch zur Verabschiedung von Sparmaßnahmen gezwungen, was wiederum zu einer Rückkehr von Fernandez de Kirchner an die Spitze der politischen Machtzentrale in Buenos Aires geführt hat…

„Was heißt das für mich konkret!?“

Es empfiehlt sich, die Entwicklungen in den Schwellen- und Entwicklungsländern aufmerksam zu beobachten, von denen durchaus der Beginn einer neuen Finanzkrise ausgehen könnte. Während Venezuela und Argentinien wirtschaftlich bereits kaputt sind, droht dieses Schicksal auch einer Reihe von anderen Staaten in Lateinamerika.

Ganz abgesehen davon, was sich angesichts der sich verschlimmernden Lage in der Türkei – und somit vor Europas Haustür – gerade abspielt. Die Schwellenländer verfügen einfach nicht über die finanziellen Mittel, um die Auswirkungen aus der anhaltenden Covid-Krise dauerhaft abzufedern, was zu einer sich intensivierenden Destabilisierung der Soziallage vor Ort mit allen hieraus resultierenden Konsequenzen zu führen droht.

Behalten Sie diese Entwicklungen mit Blick auf die internationalen Börsen im Auge. Ein plötzlich auftauchender schwarzer Schwan – und sei es vielleicht nur das jetzt im Suez-Kanal festsitzende Mega-Frachtschiff – könnte sich als Auslöser für sich fortsetzende Korrekturen, siehe unter anderem China, an den internationalen Börsen erweisen.

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