Nun, ob sich die zu beobachtenden Entwicklungen an den Währungsmärkten einer ganzen Reihe von Schwellenländern als „Sturm im Wasserglas“ bezeichnen lassen, entspricht wohl eher einer eklatanten Verniedlichung der zugrundeliegenden Probleme. Immerhin sind Währungen wie der argentinische Peso, der venezolanische Bolivar, der brasilianische Real, der südafrikanische Rand, die türkische Lira, die indische und indonesische Rupie & Co. in den letzten Monaten um mehr als 50% gegenüber dem US-Dollar abgestürzt. Resultat ist, dass Kapitalkontrollen, Importbeschränkungen, Handelsrestriktionen und anderer Nonsense dieser Art bereits zu einer veritablen Güterverknappung samt explodierenden Inflationsraten in einer wachsenden Anzahl von Emerging Markets geführt haben.   

CK*wirtschaftsfacts Leser waren seit mehreren Monaten darüber auf dem Laufenden, dass auf Argentinien eine neue Problemlawine zurollt. Nicht nur völlig absurde politische Entscheidungen sozialistischer Prägung, sondern vor allem auch eine Reihe von so genannten Geierfonds treiben das südamerikanische Land nach den Ereignissen im Jahr 2001 abermals in Richtung eines Staatsbankrotts.

Nachdem sich der argentinische Peso bereits seit Wochen im Taumeln befand, erfolgte am Donnerstag der letzten Woche ein jäher Absturz, nachdem die Wechselkursrate gegenüber dem US-Dollar an nur einem Handelstag um mehr als 15% in den Keller rauschte. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Allerdings erfolgte der heftige Absturz des argentinischen Pesos nur einen Tag, nachdem Staatspräsidentin Cristina Kirchner ihr erstes öffentliches Statement seit beinahe sechs Wochen abgab.

 

Darin mied sie jedweden Kommentar zu Argentiniens ökonomischer Entwicklung. In den letzten Monaten führte eine deutlich steigende Inflation samt der durch die Regierung eingeführten Preiskontrollen und Handelsauflagen einmal mehr zu sozialen Unruhe in dem wirtschaftlich gebeutelten Land. Für einen Schock an den Finanzmärkten sorgte hingegen eine Meldung der nationalen Statistikagentur Indec, die mit Blick auf den Monat Dezember über einen rekordhohen Einbruch des argentinischen Handelsüberschusses berichtete.

 

Laut des Berichts brach der Handelsüberschuss im Monat Dezember um 67% (!) gegenüber dem Vorjahr ein. Unter dem Strich stand nur noch ein Plus von umgerechnet $272 Millionen. Daran hatten deutlich rückläufige Exporte, die im Dezember um 13% auf umgerechnet $5,45 Milliarden sanken, einen großen Anteil. Einerseits wurden 10% weniger Ausfuhrprodukte in die Welt verschifft, andererseits litten die Exportpreise unter einem Rückgang von 4%. Auch die Importe fielen um 5% auf $5,18 Milliarden.

Argentiniens Handelsüberschuss fiel im Jahr 2013 auf $9 Milliarden von $12,4 Milliarden in 2012. Laut Indec hätten stark gestiegene Benzinimporte im letzten Jahr besonders schwer auf der Handelsbilanz gelastet. Das so genannte Energiedefizit, dass die Differenz zwischen den argentinischen Energieexporten und -importen kennzeichnet, verdoppelte sich in den letzten 12 Monaten auf $6,2 Milliarden.

Ähnlich wie das Nachbarland Brasilien, das stark von seinen Eisenerz- und Sojaausfuhren abhängt, ist Argentinien vom Export einer Reihe landwirtschaftlicher Güter wie Getreide, Sojaöl sowie Rohstoffen abhängig. Letztendlich tragen Verkäufe dieser Exportprodukte ins internationale Ausland stark dazu bei, um auf diese Weise Fremdwährungen zu verdienen, mit denen Gläubiger bezahlt und importierte Waren wie Fahrzeuge oder Erdgas bezahlt werden. 

Eine Inflationsrate von über 25% hatte zuletzt immer mehr Argentinier – siehe dazu auch meinen vorherigen Bericht zu Venezuela – dazu bewogen, in den US-Dollar zu flüchten. Zu tief sitzt die Erinnerung an die Staatsbankrottkrise im Jahr 2001 den meisten Bewohnern des Landes immer noch wie ein Stachel im Fleisch. Bislang hatte es Staatspräsidentin Kirchner noch geschafft, einen Run auf die Fremdwährungsreserven der Notenbank zu vereiteln, indem sie unter anderem Importrestriktionen verhängte.

Auch eine Limitierung der Zuweisung von US-Dollars zum Zweck von Auslandsreisen und internationalen Handelsgeschäften trugen dazu bei. Nichtsdestotrotz reduzierten sich die USD-Reserven der Notenbank in der letzten Woche auf $29,35 Milliarden – das niedrigste Niveau seit Spätherbst 2006. Allein in den letzten Tagen sanken diese Reserven um $80 bis $100 Millionen pro Tag. An den Finanzmärkten schätzt man die aktuelle Lage wahrscheinlich mit sehr viel mehr Realitätsbewusstsein ein als die argentinische Regierung.

Anfang dieser Woche hieß es, dass sich das Risiko einer ausgewachsenen Kapitalfluchtwelle mit jedem Tag vergrößere. Wenn es erst einmal so weit sei, ließe sich ein solcher Prozess nur noch sehr schwer kontrollieren. An den Märkten werde eine Verschärfung der vor etwa zwei Jahren eingeführten Kapitalkontrollen nach Vorbild Venezuelas schon seit Wochen gewittert. Bei Piper Jeffrey hat man dazu seine eigene Sichtweise. Dort hieß es, dass diese Regierung den Druck, der über die Währungsmärkte erzeugt werde, weder verstünde noch respektiere.

Nun, dazu braucht man sich in einem Wirtschaftswunderland sozialistischer Prägung, in dem die Aktienkurse über das vergangene Jahr zulegten, während Güter des alltäglichen Bedarfs teilweise schon kaum mehr erhältlich waren, auch keineswegs zu wundern. Laut Piper Jeffrey habe sich Argentinien bereits seit Dezember 2013 in der frühen Phase einer Währungskrise befunden. Trotz allem sei die Regierung hauptsächlich darauf fokussiert gewesen, staatliche Zahlungsrückstände zu begleichen und ausländische Direktinvestitionen ins Land zu locken.

Wie dem auch sei, am Freitag letzter Woche lockerte Argentiniens Regierung Restriktionen für den Ankauf von US-Dollars zum ersten Mal seit der Verhängung von Kapitalkontrollen. Seitdem hat sich – wie in Venezuela – ein Schwarzmarktwechselkurs gebildet, der deutlich oberhalb der offiziellen Wechselkursrate notiert. Seit Beginn dieser Woche ist es Argentiniern gestattet, US-Dollars auf Basis ihres deklarierten Einkommens zu erwerben.

Auch die durch den Staat erhobene Transaktions- bzw. Umtauschsteuer wurde von 35% auf 20% gesenkt, was jedoch nur gilt, wenn die erworbenen Dollarbestände mehr als 1 Jahr lang auf Dollarkonten bei argentinischen Banken gehalten werden. Schon am Dienstag ruderte die Regierung partiell zurück indem sie mitteilte, dass das Kauflimit bei maximal $2.000 pro Monat für jeden Einwohner festgelegt werde.

Die Regierung erhofft sich von diesem Schritt, die Lage zu beruhigen und den Peso ein wenig zu stabilisieren. Hauptproblem ist das geringe Vertrauen, dass die Bewohner des Landes der eigenen Währung entgegenbringen. Dies gilt insbesondere, seitdem die Regierung den Peso im Jahr 2002 offiziell vom US-Dollar abkoppelte. Nachdem die Regierung im vergangenen Jahr mehr als $5 Milliarden ihrer Währungsreserven aufwendete, um den Peso zu verteidigen, kam es in der letzten Woche dann schließlich erneut zu diesem heftigen Absturz.

Zum Vergleich: Im Jahr 2011 lagen Argentiniens Dollarreserven noch bei $52,5 Milliarden. Dass diese Reserven nun auf $29,35 Milliarden abgestürzt sind, hat längst Befürchtungen in Bezug auf den Ausbruch einer neuen Staatsbankrottkrise angefacht.

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