Blickt man auf die aktuellen Entwicklungen in Großbritannien, so beginnt sich abzuzeichnen, dass es für viele Unternehmen und private Haushalte aus ökonomischer Sicht ungemütlich zu werden droht.

Angesichts des Ausmaßes einer sich beständig intensivierenden Energiemarktkrise heben die Strom-, Gas-, Benzin- und Dieselpreise ab, wodurch die Kostenbasis der Unternehmen massiv beeinträchtigt und die allgemeinen Lebenshaltungskosten der britischen Verbraucher in bisher ungeahnte Höhen getrieben werden.

Die Probleme kennen wir aus den USA

Zuletzt hatte die Bank of England ihr Anleihekaufprogramm beendet, um zudem auch den eigenen Leitzins in bislang zwei Schritten um jeweils 25 Basispunkte anzuheben. Diese augenscheinlich zu spät eingeleiteten Maßnahmen im Kampf gegen die heimische Inflation haben erwartungsgemäß bisher nicht zu den erwünschten Erfolgen geführt.

Ähnlich wie die Federal Reserve Bank in den Vereinigten Staaten läuft die Bank of England der heimischen Inflationsentwicklung auf eine sehr gemächliche Weise hinterher. In den USA hob die Fed angesichts einer offiziell ausgewiesenen Inflationsrate in Höhe von 7,9 Prozent den eigenen Leitzins zuletzt gerade einmal um mickrige 25 Basispunkte an.

Unter Bezugnahme auf Schattenstatistiken soll die reale Inflation in den Vereinigten Staaten bereits ein Niveau von rund fünfzehn Prozent erreicht haben. Der Problemgrad, dem die Fed zurzeit ins Auge blickt, kommt auf Basis dieser Daten noch weitaus besser zum Ausdruck.

Eine „stagflatorische Hölle“

Um auf die aktuelle Lage in Großbritannien zurückzukommen, so warnte der Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, in der laufenden Woche im Rahmen einer Rede davor, dass die britische Wirtschaft sich auf einem direkten Weg hinein in eine Stagflation (stagnierende Wirtschaft bei einer steigenden Inflation) befinde.

Andrew Bailey sprach angesichts der abhebenden Energiepreise von einer „stagflatorischen Hölle“, da die aktuelle Inflationsentwicklung im Vereinigten Königreich schlimmer sei als in den 1970er Jahren (und somit zu Zeiten der Ölkrise).

Inzwischen hat die britische Regierung von Premier Boris Johnson die eigenen Bürger ganz offen vor einem potenziell deutlichen Rückgang des allgemeinen Lebensstandards im Land gewarnt.

Und weil Boris Johnsons Regierung allmählich die Ideen auszugehen scheinen, auf welche Weise sich die momentane Situation adressieren oder bekämpfen ließe, wird einfach ein Mehr jener Maßnahmen erwogen, die überhaupt erst mit dazu beigetragen haben, in eine derart brenzlige Lage hineinzuschlittern.

Zusätzliches Öl in ein loderndes Feuer gießen

Um den enormen Anstieg der Energiepreise abzufedern, sollen nun Millionen von britischen Haushalten direkte Fiskaltransfers seitens der Regierung zukommen. Eine bereits gefährlich hohe Inflation soll also dadurch bekämpft werden, indem über privaten Haushalten abermals Geld mittels einer Gießkanne ausgeschüttet wird.

Wessen Sinne noch nicht ganz getrübt sind, wird sich ausmalen können, dass eine solche Maßnahme die Inflationsentwicklung noch weiter befeuern wird. Oder anders ausgedrückt: es wird einfach noch mehr Öl in ein loderndes Feuer gegossen.

Wie passt sich eine solche Entwicklung in die jüngst getroffenen Aussagen von Andrew Bailey, wonach sich die britische Wirtschaft schnurstracks auf dem Weg in eine Stagflation befinde, ein?!

Eine der größten Herausforderungen in der jüngeren Historie der Bank of England

Laut eigener Aussage sieht sich die Bank of England aufgrund der drastisch kletternden Energiekosten mit der größten Herausforderung in ihrer jüngeren Historie konfrontiert, wie Andrew Bailey befindet.

Denn es stellt sich nun die ganz simple Frage, auf welche Weise Zentralbanken die aktuelle Inflationsentwicklung zu adressieren in der Lage sein werden, ohne deren Wirtschaften in eine wohl sehr schmerzhafte Rezession hineinzuschicken!

Mit einem anhaltenden Inflationsanstieg ist zu rechnen

Erwartungsgemäß scheint nun ein Punkt erreicht, an dem sich Zentralbanken in einer zuvor selbst gebastelten Falle, die nun am Zuschnappen ist, befinden. Aktuelle Prognosen der Bank of England stellen in Aussicht, dass die Inflation in Großbritannien im zweiten Quartal ihren Hochpunkt bei acht Prozent erreichen wird.

Zurzeit liegt die offiziell ausgewiesene Inflation im Vereinigten Königreich bei über sechs Prozent – und somit mehr als drei Mal höher als es der offiziell anvisierte Inflationszielsatz der Bank of England vorsieht.

Andrew Bailey macht keinen Hehl daraus, dass sich aus dieser Entwicklung aus Sicht von britischen Unternehmen und Haushalten ein „historischer Schock“ ableitet. Denn auch an der Lieferkettenfront haben sich die Probleme zuletzt noch einmal intensiviert, obwohl vielerorts auf eine Besserung der allgemeinen Lage gehofft worden ist.

Realeinkommen in Großbritannien im Sinkflug

Andrew Bailey warnt überdies vor einem bedeutsamen Rückgang der Realeinkommen in seinem Land, was wiederum die heimischen Konsumausgaben auf eine schwerwiegende Weise belasten wird.

Natürlich leisten extrem im Preis gestiegene Energieimporte wie auch die Preissteigerungen in anderen aus dem Ausland einzuführenden Produktgüterkategorien einen enormen Beitrag zu dieser Entwicklung.

Auf die potenziellen Unterschiede zwischen der damaligen Situation (während des Ölpreis-Schocks in den 1970er Jahren) und der heutigen Zeit eingehend, hofft der Chef der Bank of England noch immer darauf, dass die heutige Inflationsentwicklung nur temporärer Natur sein wird.

Eine ausgemachte Sache sei dies allerdings nicht. Weiteren Aufschluss über den zugrundeliegenden Trend werden die im zweiten Halbjahr zur Veröffentlichung anstehenden Inflationsdaten geben.

Diesjähriger Wirtschaftsschock größer als in den 1970er Jahren

Nichtsdestotrotz zeigt sich Andrew Bailey davon überzeugt, dass jener aus den aktuellen Energiepreisanstiegen resultierende Wirtschaftsschock in diesem Jahr größer sein wird als im Vergleich mit jedem einzelnen Jahr in der Dekade der 1970er Jahre.

Zu hoffen bleibe, dass sich diese Energiemarktkrise, ähnlich wie in der Dekade der 1970er Jahre, nicht über mehrere Jahre hinziehen wird. Denn der ökonomische Schock sei aus dem aktuellen Blickwinkel bereits enorm.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine neue und vor Kurzem publizierte Prognose des Büros für Budgetkontrolle im laufenden Jahr von der stärksten Schrumpfung der Realeinkommen in Großbritannien seit dem Beginn der Erhebung dieser Daten in den 1950er Jahren ausgeht.

Gleichzeitig wurde die eigens angestellte Wachstumsprognose von zuvor sechs auf nunmehr nur noch 3,8 Prozent für das Jahr 2022 gesenkt. Andrew Bailey und die Bank of England teilen diese Ansicht.

Das Vereinigte Königreich blicke anders als nach der Covid-Krise erhofft einer sich in vielerlei Bereichen der Wirtschaft bereits ankündigenden Wachstumsabschwächung ins Auge. In diesem Zuge wird ebenfalls mit einem mitunter deutlichen Rückgang der Nachfrage unter den britischen Verbrauchern zu rechnen sein.

Sowohl die jüngst eingegangenen Einkaufsmanagerindizes als auch Verbraucherumfragen wiesen auf einen solchen Trend bereits hin. Und so gibt Andrew Bailey mittlerweile auch unumwunden zu, dass sich die Bank of England momentan in einer nicht zu beneidenden Situation befinde.

Einerseits deuteten die aus dem Inflationsbereich eingehenden Daten auf eine anhaltende Preisteuerung in den nächsten Monaten hin. Andererseits müsse mit einer gleichzeitigen Abschwächung der britischen Wirtschaft gerechnet werden.

Zentralbanken, was nun?

Das Direktorium der Bank of England sähe sich aus diesem Grund vor eine der größten wirtschaftlichen Herausforderungen in der jüngeren Historie der Institution gestellt. Die Mittel, denen sich die Bank of England bedienen werde, fußten auf einem angedachten Abbau des Bilanzbuchs und weiteren Zinserhöhungen.

Erklärend sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Bank of England vorhat, einen Teil ihrer über die vergangenen Jahre erworbenen Anleihen im Rahmen eines Verkaufsprozesses wieder abzubauen und das eigene Bilanzbuch auf diese Weise sukzessive zurückzuführen.

Anders als in den Vereinigten Staaten zeige sich die Regierung von Premierminister Boris Johnson nicht dazu bereit, so Andrew Bailey, fiskalpolitisch auf eine solch massive Weise wie in den USA aufs Gaspedal zu treten.

Des Weiteren blickten die britischen Verbraucher harten Zeiten entgegen, da die Inflation in absehbarer Zeit wohl an einen Punkt gelangen werde, an dem es zu einer Nachfragezerstörung kommen wird.

Diese Zusammenfassung von Roman Baudzus für CK*Wirtschaftsfacts nimmt Bezug auf eine in der dieser Woche gehaltenen Rede des Vorsitzenden der Bank of England, Andrew Bailey, vor einer Zuhörerschaft des belgischen Think Tanks Bruegel.

„Was heißt das für mich konkret?“ (Roman Baudzus)

Wie über die vergangenen Jahre ausgeführt, scheint der Punkt nun erreicht zu sein, an dem sich die großen Zentralbanken der Welt, allen voran die Federal Reserve Bank, die Bank of England, die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan, in einem Dilemma befinden.

Wer einerseits die Finanz-, Kredit- und Aktienmärkte aufgrund des damit verbundenen „gefühlten Wohlstandseffekts“ nicht crashen lassen möchte, kann und darf die Zinsen nicht in einem überhohen Maß anheben.

Was letztmals geschah, als die Federal Reserve Bank ihren Leitzins bis auf 2,5 Prozent anhob und das eigene Bilanzbuch sukzessive abbaute, ließ sich Ende des Jahres 2018 beobachten. Damals gaben die Kurse an den internationalen Börsen irgendwann so stark nach, dass die Aktienmärkte am Rande eines Bärenmarktes standen.

Darauf senkte die Fed ihren Leitzins dann wieder sukzessive bis auf nahe null Prozent und begann im März 2020 abermals Anleihen in Billionenhöhe anzukaufen. Aus heutiger Sicht ist das Dilemma, in dem Zentralbanken weltweit stecken, noch um einiges größer.

Die Finanzmärkte auf Dauer auf Kosten des Rests der Gesellschaft zu schützen, wird ab einem gewissen Zeitpunkt sehr wahrscheinlich nicht mehr funktionieren.

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