Einige der jüngst publizierten Daten zur brasilianischen Wirtschaftsentwicklung lohnen eine eingehendere Analyse. Die Hoffnungen sind groß, dass die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft das Land aus seiner Lethargie reißen wird. Doch die Probleme sind vielfältig – allen voran eine weit über dem Zielsatz der Zentralbank liegende Inflationsrate, die auf den Konsumausgaben wie ein Pfund Blei lastet. Erhöhte Staatsausgaben sollen es richten, selbst die zur Abwehr von ausländischen Kapitalströmen eingeführte Kapitalertrags- bzw. Bondsteuer wurde zur Stützung des Real wieder abgeschafft. 

Brasilien stand in den letzten Wochen verstärkt im Fokus der Weltöffentlichkeit, nachdem der Regierung durch einen Teil der Bevölkerung ins Bewusstsein gerufen wurde, dass den Menschen erschwingliche Lebensmittelpreise wichtiger sind als die im nächsten Jahr anstehende Fußball-Weltmeisterschaft. Ich hatte Ihnen im Rahmen einiger Berichte zu den Schwellenländern bereits aufgezeigt, dass sich das ökonomische Wachstum Brasiliens in den letzten beiden Jahren deutlich verlangsamte.

 

Natürlich erwies sich auch das allgemeine Verbrauchervertrauen in diesem Zuge seit Oktober 2012 als deutlich rückläufig. Zwar konnte der Index zum Verbrauchervertrauen im Mai erstmals wieder marginal um 0,2 Punkte zulegen gegenüber dem Vormonat. Doch mit 111,8 Punkten lag das Barometer dort, wo es im Februar 2010 herkam – daraus resultiert ein mehr als 3-Jahres-Tief. Im Juni sank der Index dann auf nur noch 110,7 Punkte. Ihren Frust über die ökonomische Entwicklung tragen die Brasilianer nun verstärkt auf die Straße.

Das Verbrauchervertrauen sank im Juni auf ein 4-Jahres-Tief, während die Industrieproduktion nur noch marginal wächst.

 

Eine hohe Inflation bei einer gleichzeitig wieder kletternden Arbeitslosigkeit machen Durchschnittsbürgern schwer zu schaffen, was sich vor allem in der monatlichen Datenreihe zu den Konsumausgaben zeigt. Neben der Industrieproduktion ist der heimische Konsum die tragende Säule des brasilianischen Wirtschaftsmodells. Der durch HSBC berechnete Einkaufsmanagerindex lag im Mai saisonbereinigt bei 50,4 Punkten – und damit nur noch leicht oberhalb der 50-Punkte-Marke, die Wachstum von einer Schrumpfung der Aktivitäten trennt. Nebenbei bemerkt, wurde ein neues 7-Monats-Tief ausgebildet.

 

Unterdessen schreckte die brasilianische Statistikbehörde Investoren durch die Meldung auf, dass die Industrieproduktion im Mai um 2% gesunken ist gegenüber dem Vormonat. Grund hierfür sind vor allem die sich deutlich verlangsamenden Exportaktivitäten. Seit Oktober 2012 gab es mit April 2013 nur einen einzigen Monat, in dem die Ausfuhren kletterten. Im Mai folgte dann sogleich die Ernüchterung, nachdem ein Rückgang um 6% gegenüber dem Vormonat auf dem Fuß folgte. Als problematisch für die brasilianische Exportwirtschaft erweist sich nun die Tatsache, dass China die USA bereits im Jahr 2009 als größter Außenhandelspartner des Landes ablöste.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Der im Monat April gemessene Zuwachs in der Industrieproduktion wurde im Mai wieder mehr als zunichte gemacht. Hier ein Blick auf die Volumenänderungsrate im Bereich der Industrieproduktion.

 

Die stark steigende Rohstoffnachfrage aus China führte dazu, dass insbesondere Eisenerz und andere Konzentrate zum gefragtesten Ausfuhrgut der Brasilianer avancierten. Seit 2001 sind die Rohstoffausfuhren nach China um fast 15% gewachsen, zulasten von halbgefertigten Produkten und Industriegütern, die hauptsächlich in die USA ausgeführt werden. Nachdem sich das Wachstum in China deutlich verlangsamt hat, bekommen Brasiliens Exporteure nun die Kehrseite der Medaille zu spüren. So ist es kaum verwunderlich, dass die Ausfuhren von Eisenerz mit Ausnahme des Monats Januar 2013 seit Beginn des Jahres 2012 schrumpfen.

 

Hinzu kommt, dass Brasiliens Rohstoffexporteure stark unter dem Verfall des Eisenerzpreises leiden, der seit Januar dieses Jahres um rund 24% eingebrochen ist. Dieser Preisverfall, gepaart mit einem stark rückläufigen Exportvolumen, lastet auf Brasiliens Exporteinnahmen heute wie ein Pfund Blei. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, als ob ein Großteil der brasilianischen Ausfuhren nur noch von der ökonomischen Entwicklung in China abhängig ist. Ein Problem, das die Regierung nicht in den Griff zu bekommen scheint, zeichnet sich an der Inflationsfront ab. Während der eigens gesetzte Zielbereich der Zentralbank in einem Band von zwischen 2,5% und 6,5% verläuft, liegen die gemessenen Inflationswerte seit Jahresbeginn deutlich darüber.

Der Eisenerzpreis ist seit Jahresbeginn um rund 24% gesunken. Diese Entwicklung drückt auf die Margen der brasilianischen Rohstoffexporteure. 

 

Während die offizielle Inflationsrate im April bei 7,16% lag, kam sie im Mai ein wenig auf 6,95% im Vergleich mit dem Vorjahr zurück. Doch diese Inflationswerte tragen zum Ärger und Frust unter großen Teilen der Bevölkerung bei, die nun offen gegen extrem hohe Lebensmittelpreise auf den Straßen revoltiert. Anstatt ein Fußball-Spektakel zu beheimaten und darin horrende Steuermittel zu versenken, fordern die Menschen ihre Staatsführung dazu auf, für erschwingliche Lebensmittel- und Energiepreise zu sorgen. Es waren eben jene Zinssenkungen der Banco do Brasil, die zur aktuellen Situation beitrugen.

 

Ziel der Zentralbank war es, die heimischen Investitionen und die Konsumausgaben durch eine drastische Verbilligung von Krediten anzukurbeln – ein Schuss, der aus heutiger Sicht gänzlich nach hinten los gegangen ist. Nicht von ungefähr hob die Zentralbank ihren Leitzins vor rund zwei Monaten um einen halben Prozentpunkt auf 8% an. Langsam scheint sich die Erkenntnis breit zu machen, dass die ultralockere Geldpolitik, gepaart mit deutlich steigenden Staatsausgaben, zu einem Anziehen der Inflation in der heimischen Wirtschaft geführt hat. Während die Nachfrageseite künstlich angekurbelt wurde, führten sinkende Investitionen zu einem wachsenden Druck auf der Angebotsseite.     

 

Einen Lichtblick bieten die Bruttoanlageinvestitionen, die in Q1 erstmals seit drei Quartalen Schrumpfung in Folge wieder gewachsen sind. 

 

Immerhin bieten die Bruttoanlageinvestitionen einen Lichtblick, die in Q1 nach drei Quartalen der Schrumpfung erstmals wieder wuchsen. Hoffnungen basieren nun darauf, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, doch weniger optimistische Beobachter sind der Ansicht, dass einige Sonderfaktoren zu den letzten Ergebnissen geführt hätten, weshalb ab dem 2. Halbjahr wieder mit Katzenjammer zu rechnen sei. Andere Beobachter sind wiederum der Meinung, dass sich der Trend in Bezug auf die Bruttoanlageinvestitionen bis ins kommende Jahr fortsetzen werde, weil die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft vor allem zu stark wachsenden Investitionen des Staates in die Infrastruktur und andere vorbereitende Maßnahmen führe.

 

Um die Schrumpfung der Industrieproduktion zu stoppen, hat sich die brasilianische Regierung dazu entschlossen, vielen Industriezweigen sowohl die Energiekosten als auch die Einkommenssteuern zu reduzieren. Es besteht die Hoffnung, dass dem privaten Unternehmenssektor auf diese Weise mehr Kapital für Investitionen zur Verfügung stehen wird. Auch die kleinen Leute sollen bedient werden, indem die Regierung eine neue Kreditfazilität für Haushalte mit niedrigen Einkommen ins Leben gerufen hat. Insgesamt stehen für diesen Zweck umgerechnet $8,68 Milliarden bereit. Auch die im Jahr 2010 eingeführte Kapitalertragssteuer für ausländische Käufer von brasilianischen Staatsanleihen wurde aufgehoben.

Damals wurde die Steuer verabschiedet, um Brasiliens Finanzmarkt gegen riesige Kapitalströme aus den USA abzuschirmen. Finanzminister Giulio Mantega erklärte damals, dass sich die Welt in einem Währungskrieg befinde, hauptsächlich befeuert durch die viel zu laxe Geldpolitik der Federal Reserve. Nachdem der brasilianische Real – wie viele andere Schwellenländerwährungen – zuletzt deutlich im Außenwert sank, weil ausländische Investoren ihre Gelder aus den Emerging Markets abziehen, scheint die neue Maxime der Regierung plötzlich zu lauten, den Real zu stützen – koste es, was es wolle. So schnell ändern sich heutzutage die Zeiten. Weltweit wird eine Politik verfolgt, die nur noch darauf reagiert, aus welcher Richtung der Wind bläst!

 

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"