Es sind Ungarn und Polen, die mit der Unterstützung Sloweniens ihre Kräfte bündeln, um einen umstrittenen EU-Haushalt zu blockieren, in dessen Zuge auch festgelegt würde, welche Mitgliedsländer finanzielle Hilfszusagen in einer je nach individuellem Bedarf abgestuften Form erhalten würden.

Doch Brüssel hat eine solche Auszahlung von finanziellen Hilfszusagen von einer Einhaltung von als „demokratisch“ erachteten Standards in den einzelnen Mitgliedsländern abhängig gemacht. Insbesondere in Ungarn und Polen stoßen diese Forderungen auf vehemente Ablehnung, während die Wellen zurzeit vor allem in Ungarn hochschlagen.

Denn die europäischen Staats- und Regierungschefs zeigen sich empört über den durch ein ungarisches Regierungsmitglied kürzlich angestellten Vergleich zwischen Milliardeninvestor und „Philanthrop“ George Soros mit Adolf Hitler und den Nazis.

Szilard Demeter, ministerieller Kommissar und Leiter des Petofi-Literaturmuseums in der ungarischen Hauptstadt Budapest, veröffentlichte am vergangenen Sonntag eine Kolumne auf der populären Nachrichtenseite Origo, der innerhalb der EU zu einem Aufschrei geführt hat.

Die Nachrichtenseite Origo wird als rundheraus regierungsfreundlich betrachtet, was laut Beobachtern so weit gehe, dass der Publikation häufig der Vorwurf gemacht werde, staatlicher Propaganda Vorschub zu leisten. In seiner Kolumne titelte Szilard Demeter wie folgt: „Europa ist die Gaskammer von George Soros“.

Szilard Demeter ging in seiner Kolumne auf Versuche der Brüsseler Technokraten und von George Soros ein, nationale Kulturen im Namen und unter Flagge des „Multikulturalismus“ durch eine „Politik der offenen Grenzen“ zu zerstören. Hierbei handelt es sich um Vorwürfe, die seitens rechtslastiger Bewegungen in Europa schon seit geraumer Zeit aufrechterhalten werden.

Laut Szilard Demeter handele es sich im Fall von George Soros um einen „liberalen Führer“. Unter Bezugnahme auf Szilard Demeter ströme Giftgas aus der Kapsel einer multikulturell offenen Gesellschaft, was für die europäische Lebensweise tödlich sei. Im Fall von George Soros handele es sich um den liberalen „Führer“ dieser Denkweise.

Hinzu komme, dass dessen willige Gefolgschaft George Soros noch unterwürfiger als ehedem Adolf Hitler verehre. Laut Szilard Demeter hätten diese Menschen aus den Ereignissen im 20. Jahrhundert nichts gelernt.

Szilard Demeter hat zudem den anhaltenden Haushaltskampf innerhalb der EU in diesem Sinne kontextualisiert, nachdem Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán Anfang dieses Monats gegenüber einem staatlichen Radiosender erklärt hatte, dass Ungarn nicht erpressbar sei. Ungarn und Polen haben sich in der Zwischenzeit gegenseitig versichert, gemeinsam und in Eintracht gegen das Haushaltsbudget der EU in Höhe von 1,8 Billionen Euro inklusive des im Juli beschlossenen Wirtschaftserholungsfonds ein Veto einzulegen.

Der ungarische Premierminister kritisiert, dass sowohl der EU-Haushalt als auch der Covid-19 Wirtschaftserholungsfonds an politische Bedingungen geknüpft seien, die im Wesentlichen auf eine politische Bestrafung Warschaus und Budapests abzielten und hinausliefen.

Die Aussagen von Szilard Demeter wurden durch jüdische Organisationen in Europa und durch die israelische Botschaft in Budapest mit Empörung aufgenommen und in hohem Ausmaß kritisiert. Allgemein hieß es, dass die veröffentlichte Kolumne „geschmacklos“ und „unverzeihlich“ sei.

Im Fall der veröffentlichten Kolumne handele es sich zudem um einen Lehrbuchfall in Bezug auf eine Relativierung des Holocausts, weshalb solche Aussagen nicht mit den offiziellen Leitlinien der ungarischen Regierung vereinbar seien, die vorsähen, keine Toleranz in Bezug auf Antisemitismus walten zu lassen, wie es in einer Erklärung jüdischer Organisationen hieß.

Associated Press berichtete hierzu, dass die Forderungen nach einer sofortigen Entlassung von Szilard Demeter vielerorts zunähmen. Die Regierung Israels, ein enger Verbündeter Ungarns, verurteilte Szilard Demeters Äußerungen ebenfalls aufs Schärfste. Die israelische Botschaft in Budapest twitterte hierzu wie folgt:

Wir lehnen sowohl die Inanspruchnahme als auch den Missbrauch an die Erinnerung an den Holocaust für irgendwelche Zwecke rundheraus ab. Es gibt weder einen Ort noch Raum, um das schlimmste Verbrechen in der Geschichte der Menschheit und/oder dessen Täter mit einer zeitgenössischen Debatte in Verbindung zu bringen.“

Gordon Bajnai, ungarischer Premierminister in den Jahren 2009 und 2010, schrieb am vergangenen Sonntag auf Facebook: „Wenn Szilard Demeter nicht bis Montag von seinem Posten entfernt wird, werden Ungarn und der Rest der Welt (seine) Aussagen offensichtlich als gängige Position der ungarischen Regierung betrachten.“

Daraufhin soll Szilard Demeter seine veröffentlichte Kolumne im tobenden Sturm der Entrüstung samt der an seiner Person aufkommenden Kritik widerwillig zurückgezogen haben.

Dies wirft jedoch eine Frage auf, die sich wahrscheinlich nur wenige Beobachter stellen werden: Angesichts der Tatsache, dass US-Präsident Donald Trump seit Monaten und Jahren in großen Teilen westlichen Presse mit Adolf Hitler und fast schon täglich mit einem Nazi verglichen wird, kommt automatisch die Frage auf, ob diese Art der Diffamierung ebenfalls unter die Kategorie „Missbrauch der Erinnerungen an den Holocaust aus minderen Zwecken“ fallen müsste?

 

Szilard Demeters Äußerungen, so extrem diese auch sein mögen, erfolgen gewiss nicht völlig überraschend und aus heiterem Himmel, da Ungarns Premierminister bereits seit Jahren mit George Soros verfeindet ist, und dessen Regierung Gesetze erlassen hat, welche eine durch den Milliardär finanzierte Universität wie auch eine „Wohltätigkeitsorganisation“ aus dem Land verwiesen haben. Dies heißt noch lange nicht, dass Aussagen dieser Art gutzuheißen sind, wenn auf einen kultivierten Debattenaustausch Wert gelegt wird.

Unterdessen erweckt das öffentliche Erscheinungsbild der Europäischen Union immer weniger den Eindruck einer „solidarischen Gemeinschaft“ oder „Union“, da die Fliehkräfte sich unter deren Mitgliedern im Angesicht von zahlreichen Krisen deutlich zu verstärken scheinen. Neu sind diese Erkenntnisse unter Berücksichtigung der letzten Jahre nicht.

Schon in der Vergangenheit wurde offensichtlich, dass „demokratische Prozesse“ innerhalb des Blocks veränderbar und manipulierbar sind, falls dies notwendig werden sollte. Dies gilt vor allem dann, wenn die Dinge aus Perspektive von politischen mächtigen Technokraten in Brüssel in den Mitgliedsländern nicht so laufen wie erhofft oder erwartet.

Die Financial Times berichtete vor wenigen Tagen, dass Brüssel jetzt in Erwägung ziehen würde, nach Wegen zu suchen, um die Etablierung des Covid-19 Wirtschaftshilfefonds auch ohne eine Beteiligung von Polen und Ungarn auf die Beine zu bringen, hierbei Bezug auf eine hochrangige Quelle in der EU-Kommission nehmend.

Auf diese Weise solle der politische Druck auf Polen und Ungarn verstärkt werden, um die Regierungen beider Nationen dazu zu zwingen, deren in Aussicht gestelltes Veto gegen den zu verabschiedenden Budgetplan aufzugeben. Einmal mehr scheint folgendes Motto unter den Brüsseler Technokraten vorzuherrschen: „Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“

Weiter heißt es im Bericht der FT unter Bezugnahme auf die zitierte Quelle, dass die 25 verbleibenden Mitgliedsstaaten der EU den mit 750 Milliarden Euro auszustattenden Wirtschaftserholungsfonds unter Ausschluss von Polen und Ungarn ins Leben rufen könnten, und zwar so lange, bis die beiden Nationen ihr Veto gegen das 1,8 Billionen schwere EU-Budget einschließlich der Mittel für den Wirtschaftserholungsfonds fallenlassen würden.

Bis zum aktuellen Zeitpunkt wurde seitens Brüssels Polen und Ungarn der Vorwurf gemacht, sich „undemokratischer Mittel“ zu bedienen, um den Budgetplan samt Wirtschaftshilfefonds aufgrund von egoistischen Partikularinteressen zu blockieren. Dass die Brüsseler EU-Spitze jetzt damit droht, zu vergleichbaren Mitteln zu greifen, fällt in den aktuellen Diskussionen häufig unter den Tisch.

Seitdem Polen und Ungarn sich untereinander darauf geeinigt haben, den Budgetplan und den im Juli durch alle EU-Mitgliedsländer verabschiedeten Wirtschaftserholungsfonds durch ihr Veto zu blockieren, um sich gegen seitens Brüssels erhobenen Schlüsselforderungen, die an eine Auszahlung von Fiskalhilfen geknüpft sind, zu wehren, bezeichnen die Regierungen Ungarns und Polens das Gebaren der Brüsseler EU als „offene Erpressung“.

Auf eben jene Weise werden die Dinge jedenfalls durch Ungarns Regierungschef Viktor Orbán bezeichnet, was wiederum zu einem wachsenden Ärger und Frust unter anderen Mitgliedsländern der EU geführt hat, welche die ablehnende Haltung Polens und Ungarns als „Obstruktion“ und „Geiselnahme“ brandmarken.

Der „milliardenschwere Philanthrop“ George Soros hat sich zu den aktuellen Ereignissen inzwischen selbst zu Wort gemeldet.

 

Sich bereits formalen Untersuchungen durch die EU ausgesetzt sehend, bezeichnen führende Vertreter beider Länder die jüngsten Versuche Brüssels, eine potenzielle Verabschiedung des Budgetplans mit der Auszahlung von Fiskalhilfen zu verknüpfen, und sich somit konform mit den Brüsseler Forderungen zu verhalten als rein „ideologische Sichtweise“.

Die Brüsseler EU-Spitze bezeichnet diesen Ansatz hingegen als „Durchsetzung geltenden Rechts“, wohingegen Kritiker einräumen, dass es sich nur um einen weiteren Versuch handele, Mitgliedsländern der EU „extern vermittelte Werte“ und ideologische Direktiven überzustülpen. 

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts basiert auf einem Bericht auf der Seite des Finanzblogs Zerohedge und wurde durch Roman Baudzus inhaltlich ergänzt.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Die Uhr tickt, denn inzwischen trennen die EU und Großbritannien nur noch ganze 27 Tage von einem „Hard Brexit“, was auf dem Kontinent noch mehr Tumult auslösen dürfte als auf der grünen Insel. Zeitgleich verschärft sich der Konflikt zwischen der EU und den Staaten in Osteuropa, allen voran mit der sogenannten Visegrad-Gruppe, nachdem sich auch Slowenien hinter das Verhalten Ungarns und Polens gestellt hat. Fazit: EU – wie lange noch? Und was geschieht erst, wenn - wie die deutsche BaFin am Donnerstag gewarnt hat - ab Anfang 2021 „Wellen von Kreditausfällen“ auf die heimischen Banken zurollen werden und es zum Ausbruch einer neuen Finanzkrise kommen sollte?

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