Ich möchte heute an meinen gestrigen Bericht zur offiziellen BIP-Entwicklung in China anschließen. China hat es in den vergangenen zehn Jahren zwar geschafft, die aus der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 resultierenden Klippen zu umschiffen.

Die offiziell ausgewiesenen BIP-Wachstumszahlen zeigten sich von dieser Entwicklung – abgesehen vom Höhepunkt des mit der globalen Finanzkrise verbundenen Einbruchs – in der Folge relativ unberührt.

Unter zwei oder über sechs Prozent Wachstum? Chinesische Daten bleiben weiter ein Ratespiel

Trotz allem wird den aus China vermeldeten Wirtschaftsdaten an den internationalen Märkten immer weniger über den Weg getraut. Deshalb sind Schätzungen zu Chinas „Realwachstum“ in den vergangenen Jahren verstärkt zu einem Substitutionsinstrument unter Analysten und Ökonomen geworden, auf das immer gern zurückgegriffen wird.

Ob Chinas nominales BIP-Wachstum nun bei unter zwei Prozent oder tatsächlich oberhalb von sechs Prozent pro Jahr liegt, erschließt sich selbst aufmerksamen Beobachtern seit einiger Zeit schon nicht mehr. Die Wahrheit dürfte wohl irgendwo in der Mitte liegen.

Auch Forscher amerikanischer Ideenschmieden – auf neudeutsch Think Tanks – haben sich mit diesem Thema auseinandergesetzt. Deren Schätzungen zu Chinas Wirtschaftswachstum liegt auf annualisierter Basis bei Werten von zwischen zwei und vier Prozent.

Ein Wirtschaftsabschwung in China zöge die restliche Welt mit sich

Selbstverständlich sind die meisten Augen zurzeit auf die Wirtschaftsentwicklung in China gerichtet, war es doch so, dass sich das Reich der Mitte nach dem Überwinden der globalen Finanz- und Bankenkrise zur neuen Wirtschaftslokomotive in der Welt emporschwang.

Es zeichnet sich ab, dass sich Abkopplungsideen in der Ökonomenzunft im Falle einer Weltrezession als ebenso wenig haltbar erweisen werden, wie dies im Fall der Vereinigten Staaten von Amerika vor Ausbruch der globalen Finanzkrise der Fall gewesen ist.

Ganz im Gegenteil droht ein anhaltender Wirtschaftsabschwung in China den Rest der Welt in die Rezession zu ziehen, da aufgrund einer starken Vernetzung Rückkopplungseffekte wirken. In dieser Gemengelage hat ein Forscherteam des Brookings Institutes eine weitläufige Studie zu den Mechanismen einer Inflationierung der BIP-Zahlen durch die Pekinger Regierung veröffentlicht.

Brookings Institute: Chinesische Daten sind deutlich geschönt, das Wachstum ist geringer, der Abschwung heftiger

In diesem Zuge ist man bei Brookings zu der Ansicht gelangt, dass Chinas Wirtschaft rund zwölf Prozent kleiner sei als es in den offiziell vermeldeten BIP-Daten Pekings zum Ausdruck komme. Der Nationale Parteikongress hat seine wirtschaftliche Wachstumsprognose für das laufende Jahr in diesen Tagen mittlerweile auf zwischen 6% und 6,5% abgesenkt.

In der Analysestudie von Brookings haben sich die Forscher hingegen mit der Vergangenheit – und somit dem Zeitraum zwischen den Jahren 2008 und 2016 – beschäftigt. Darüber hinaus kam man zu dem Ergebnis, dass der aktuelle Wirtschaftsabschwung in China stärker sei als es zurzeit allgemeinhin angenommen wird.

Das im vergangenen Jahr offiziell ausgewiesene Wirtschaftswachstum in China in Höhe von 6,6% - dem schlechtesten seit Beginn der 1990iger Jahre – wird zudem angezweifelt. In der Realität habe dieses Wachstum sehr wahrscheinlich unterhalb der Schwelle von sechs Prozent gelegen, wie es heißt.

Falsches Anreizsystem führt zu Datenmanipulation auf lokaler Ebene

Bei Brookings wird kritisiert, dass der größte Teil der Manipulation offizieller Behörden- und Regierungsstatistiken in China auf lokaler Ebene stattfände. Im Angesicht maoistischer Staats- und Wirtschaftsplanung gäben die Zentralbehörden in Peking den lokalen Behörden Wachstumsziele vor, deren Vertreter alles daransetzten, um diese Jahresziele zu erfüllen.

Chinas nationale Statistiken basieren laut Brookings Institute auf durch Lokalregierungen gesammelten und übermittelten Daten. Dabei würden all jene Lokalregierungen in den Genuss von Belohnungen kommen, die ihre Wachstumsziele erfüllten. In eben jenem Aspekt fänden sich auch die Anreize zur Manipulation von Statistiken.

Nach der Übermittlung der lokalen Wirtschaftsdaten passe das Nationale Statistikbüro in Peking diese entsprechend an, um daraus die BIP-Daten auf nationaler Ebene zu berechnen, wie aus der Brookings-Studie weiter hervorgeht.

Nationale Statistikbehörde bemüht sich Zahlen zu glätten – Gegenmaßnahmen werden aber nicht ergriffen

Disparitäten zeigten sich seit Jahren schon in der Summe der auf Provinzebene berechneten und übermittelten Wachstumsdaten, die von Jahr zu Jahr immer stärker anstiegen, in Relation zu nicht bereinigten Daten des Nationalen Statistikamtes in Peking. Daraufhin kam es im Jahr 2017 erstmals zu Vorwürfen der Zentralbehörden gegenüber drei Provinzen des Landes, die ihre Lokalstatistiken manipuliert und getürkt haben sollen.

Trotz allem hat Peking seitdem nichts unternommen, um dieser Entwicklung einen Riegel vorzuschieben. Vielmehr habe das Nationale Statistikbüro immer mehr Probleme damit, die inflationierten Provinzdaten auf nationaler Ebene entsprechend anzupassen. Vor dem Jahr 2008 seien Chinas Statistiken weitaus verlässlicher gewesen.

Beim Nationalen Statistikbüro gäbe man sich zwar alle Mühe, um die durch Lokalregierungen inflationierten Wachstumszahlen zu glätten, wohingegen es der Behörde jedoch an politischer Macht, Kapazitäten und Anreizen mangele. Aus diesem Grund sei es auch unfair, Ch

Auch Xi steht unter Druck: Ende 2016 hatten sich 12% fälschlich angenommenes Wachstum kumuliert

Welche Schlüsse lassen sich aus diesen (nicht allzu) neuen Erkenntnissen im Hinblick auf die anhaltenden Handelsgespräche zwischen den USA und China ziehen? Die Antwort auf diese Frage dürfte wie folgt lauten: Chinas Präsident Xi Jinping hat ebenso viel zu verlieren wie US-Präsident Donald Trump.

Laut Brookings eigenen Berechnungen sei Chinas nominales BIP-Wachstum zwischen den Jahren 2008 und 2016 um durchschnittlich 1,7% pro Jahr zu hoch ausgewiesen worden. Zum Ende des Jahres 2016 sei Chinas Wirtschaft daher um zwölf Prozent kleiner gewesen als es offizielle Statistiken ausweisen.

Das Realwachstum der chinesischen Wirtschaft sei in dem untersuchten Zeitraum um zwei Prozent pro Jahr inflationiert worden. Die am stärksten manipulierten Daten fänden sich im so wichtigen Bereich des chinesischen Industrieausstoßes, die im Untersuchungszeitraum teils deutlich inflationiert worden seien.

Cui bono? Bernanke & Janet Yellen sind beim Brookings Institute mit an Board…

Dahingegen erwiesen sich die aus Peking vermeldeten Konsum- und Verbraucherdaten mit Abstand als am verlässlichsten. Abschließend möchte ich meinen Lesern mit auf den Weg geben, dass die beiden ehemaligen Fed-Vorsitzenden Ben Bernanke und Janet Yellen nun im Dienst des Brookings Institutes stehen. Cui bono? Beantworten Sie sich diese Frage selbst, obwohl ich selbst nicht an die offiziell aus China vermeldeten Wachstumszahlen glaube.

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