Die Zweifel bestehen nicht erst seit vorgestern!

Chinas vermeldete Wirtschafts- und Wachstumsdaten sorgen an den Finanzmärkten und unter Analysten schon seit Jahren für teils heftige Kontroversen. Immer stärker setzt sich vielerorts die Ansicht durch, dass die offiziell vermeldeten Regierungsdaten zum BIP-Wachstums der Realität keineswegs standen halten.

Ich verfolge diese Entwicklung und berichtefür Sie hierüber nun ebenfalls schon seit einigen Jahren. Ende des Jahres 2015 erhielten diese Spekulationen neue Nahrung. Damals führte ich unter Bezugnahme auf die Publikation China Daily aus, dass mehrere Lokalrepräsentanten in Chinas Nordostregion die zu diesem Zeitpunkt mitunter dramatischen Wirtschaftseinbrüche in deren Provinzen zu erklären versuchten, indem sie zugaben, in den Vorjahren gefälschte Wirtschaftsdaten publiziert zu haben.

Schwache Daten nähren Zweifel

Widmen wir uns der aktuellen Situation. Erstmals seitdem das Reich der Mitte Japan als zweitgrößte Wirtschaft der Welt im Jahr 2011 abgelöst hat, haben die Behörden des Landes überraschend schwache Konjunkturdaten publiziert, wodurch sich der vielerorts wachsende Glaube an eine geschönte und verzerrte Berechnung der chinesischen Wirtschaftsdaten nur noch intensiviert hat.

Die immer zahlreicheren Kritiker werfen der Kommunistischen Partei in Peking vor, wichtige Wirtschafts- und Konjunkturdaten zur Aufrechterhaltung von Stabilität und Ordnung in der Heimat zu fälschen, um ein deutlich rosigeres Bild von der Entwicklung der heimischen Ökonomie zu malen, als dies in der Realität tatsächlich der Fall ist.

Schönrechnen kaum noch möglich!

Inzwischen haben sich die Zweifel an der Kredibilität der offiziell vermeldeten chinesischen Wirtschaftsdaten unter Analysten und Investoren weltweit derart intensiviert, dass manche Häuser bereits dazu übergegangen sind, Schattenstatistiken zu berechnen. Nichtsdestotrotz scheint es schwieriger zu werden, den Wirtschaftsabschwung in China zu kaschieren.

Insbesondere im Verlauf der letzten Wochen kam es zu einer ganzen Reihe von ernsthaft nach unten tendierenden Konjunkturdaten. Allen voran sorgen Chinas Automärkte momentan für Schlagzeilen, nachdem die Fahrzeugabsätze im Reich der Mitte im Gesamtjahr 2018 erstmals seit mehr als zwanzig Jahren geschrumpft sind.

In den beiden ersten Monaten des neuen Jahres hat sich die Entwicklung der Absatzrückgänge nahtlos fortgesetzt. Hinzu gesellen sich massiv verschlechternde Daten von den Konsum- und Verbrauchermärkten, ein laut Einkaufsmanagerindex schrumpfendes Produktionswesen sowie weiter nach unten tendierende Einzelhandelsindikatoren.

Chinesischer Ökonomieprofessor: Wachstum in 2018 lag nur bei 1,7%

Öl ins lodernde Feuer um gefälscht ausgewiesene Wirtschaftsdaten goss vor Kurzem ein chinesischer Ökonom, der unter Bezugnahme auf eigene Berechnungen davor warnt, dass das chinesische BIP-Wachstum weit schwächer sei als es die offiziellen Datenpublikationen der Regierung in Peking zum Ausdruck brächten.

Laut offizieller Regierungsdaten ist Chinas Wirtschaft im dritten Quartal 2018 auf Jahresbasis um 6,7% gewachsen. Ökonomieprofessor Xiang Songzuo von der Renmin Universität in Peking hielt dem kürzlich im Rahmen einer eigenen Präsentation entgegen, dass eine geheime Forschungs- und Analysegruppe der Pekinger Regierung zu der Ansicht gelangt sei, dass Chinas BIP-Wachstum im Gesamtjahr 2018 in realo bei nur knapp 1,7% (!) gelegen haben könnte.

Nun, wahrscheinlich liegt die Wahrheit - wie so oft - irgendwo in der Mitte. Denn selbst Experten, die die offiziell vermeldeten Wirtschaftsdaten der Pekinger Behörden anzweifeln, übten Kritik an der Präsentation Xiangs. Ein Jahreswachstum von knapp 1,7% sei ebenso unrealistisch wie offiziell vermeldete Wachstumsdaten von mehr als sechs Prozent, wie es dazu hieß.

Enormes Interesse der Bevölkerung: Video inzwischen zensiert

Nichtsdestotrotz wurde ein YouTube-Beitrag zur Präsentation Xiangs inzwischen mehr als 1,5 Millionen Mal angeklickt. Pekings Behörden haben Xiang mittlerweile einem Zensurbann unterzogen, was für Xiang ebenfalls mit einer Kappung vom Festland-Internet wie auch einer Blockade von seinen Auftritten und Präsentationen in sozialen Medien einherging.

Die hohen YouTube-Klickzahlen machen jedoch deutlich, dass Xiangs Warnungen inzwischen auch unter einer wachsenden Anzahl von chinesischen Bürgern wahrgenommen und mit großem Interesse verfolgt werden. Vielleicht mag dies auch mit dem Einbruch an den chinesischen Festlandbörsen, die im Gesamtjahr 2018 um mehr als 25% nachgaben, zusammenhängen.

Börse gab 25% nach, Kreditvergabe von Nichtbanken sinkt – Insolvenzen nehmen zu

Gleichzeitig erweist sich die Kreditvergabe im weitläufig unregulierten und intransparenten Schattenbankensektor Chinas als rückläufig. Gerade hierin lag in den letzten Jahren jedoch einer der Treiber für das ungebrochene Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte, das jenes unter vielen asiatischen Konkurrenten ausstach.

Ein im Verlauf der letzten zwölf Monate spürbar rückläufiger Yuan/Renminbi sowie eine wachsende Flut an Insolvenzen unter so genannten Peer-to-Peer-Kreditvergabenetzwerken dürfte ein Übriges zu erhöhter Aufmerksamkeit unter gewöhnlichen Bürgern beigetragen haben.

Trotz allem wird (noch) keine Rezession erwartet…

Trotz aller Widrigkeiten rechnet momentan mit Blick auf die kommenden zwei Jahre kaum jemand mit dem Ausbruch einer Rezession in China, geschweige denn von einem offiziellen BIP-Wachstumsabschwung unter die Marke von fünf Prozent, da die Pekinger Regierung eine solche Entwicklung aufgrund von Instabilitätsängsten in der Heimat wohl niemals offiziell zugeben würde.

Unabhängig von der Akkuratheit der Präsentation Xiangs wird allerdings deutlich, dass sich die chinesische Wirtschaft weiterhin in einem Prozess der Abkühlung befindet. Eine Tatsache, die sich in diesen Tagen nur noch schwer bis überhaupt nicht leugnen oder verschleiern lässt.

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