In Anlehnung an meinen Bericht aus der vergangenen Woche, in dem sich das Thema um eine im Jahresvergleich signifikant gestiegene Anzahl von faulen Krediten in Chinas Bankensystem drehte, möchte ich heute einen Folgebericht nachschieben. In der Überschrift meines Berichtes aus der letzten Woche hieß es, dass dies nur die halbe Wahrheit sein dürfte. Renommierte Bankenexperten sehen dies ebenso. Selbst Chinas Kreditgeber trauen ihren eigenen Zahlen nicht über den Weg.

Die aus China eingehenden Wirtschaftsdaten sind mit Vorsicht zu genießen. Ein im Jahr 2010 geleaktes Kabel zu einem Gespräch zwischen Chinas Ex-Premier und dem US-Botschafter in Peking, in dem es hieß, dass Chinas Wirtschafts- und Konjunkturdaten „handgemacht“ seien, gab spätestens seitdem allen Anlass zu dieser Vorsicht.

Sprung bei den faulen Krediten und Bilanztricksereien

Der Sprung der faulen Kredite von 1,5% auf 4,5% basiert lediglich auf den offiziellen Angaben der chinesischen Banken. Derweil dürfte die allgemeine Lage noch deutlich schlimmer aussehen. So sieht das auch die renommierte Finanz- und Firmenanalystin Violet Ho, die in der Vergangenheit niemals Vertrauen in die durch Chinas Banken vermeldete Anzahl der faulen Kredite gefasst hatte.

Laut eigener Aussage habe Ho, die sich regelmäßig selbst ein Bild von der Lage vor Ort mache, China landauf, landab bereist. Sie sei sich über jede auch nur erdenkliche Art von Tricksereien bewusst, die dazu beitragen sollen, die reale Lage in Chinas Bankensystem so weit wie möglich zu verschleiern.

Zu diesen Bilanztricksereien gehört unter anderem der Transfer von Vermögenswerten, die beispielsweise von der Muttergesellschaft in eine Tochter übertragen und dort ausgelagert werden. Auf diese Weise werden die Bilanzen diverser Konzernzentralen aufgehübscht, um die Tatsache zu verschleiern, das sich einst vergebene Kredite nicht mehr einbringen lassen.

Hat China als weltweite Konjunkturlokomotive ausgedient?

Ho erklärte gegenüber Bloomberg, dass Sie Investoren und Analysten einen gut gemeinten Ratschlag mit auf den Weg geben wolle. Und dieser Ratschlag laute wie folgt: alle Leute, die sich Sorgen über den finanziellen Gesundheitszustand des chinesischen Unternehmenssektors machten, hätten auch allen Grund dazu, sich diese Sorgen zu machen.

Denn die meisten der Kredit- und Ratingberichte seien im Hinblick auf den tatsächlichen Finanzzustand des chinesischen Firmensektors nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben wären. Es sind selbst Chinas Banken, die den Veröffentlichungen ihrer Verbände nicht mehr über den Weg zu trauen scheinen.

Immer öfter kommt es in letzter Zeit dazu, dass Banken spezielle Analysten anheuern, um den wahren Zuständen in Chinas Bankensystem eingehender auf den Grund zu gehen. Längst sind Debatten an den internationalen Finanzmärkten entbrannt, die sich voll und ganz um das Thema drehen, ob China als weltweite Konjunkturlokomotive ausgedient haben könnte. Nicht wenige Beobachter prophezeien China einen rapiden wirtschaftlichen Absturz nach dem Vorbild Japans. Japan war nach dem Platzen seiner Immobilienblase in den 1980iger Jahren in einen Zustand einer jahrzehntelangen Wirtschaftsparalyse gesunken, an dem auch das Einpumpen von massiven Kapitalspritzen ins heimische Bankensystem nichts zu ändern vermochte.

Ein Schuldenrad nach den Beispielen Japans oder der USA?

Wer auf die aktuelle Wirtschaftsentwicklung blickt, könnte auf den Gedanken kommen, dass dieser Paralysezustand nun auf die wichtigsten Weltregionen überzuspringen droht. Es sind die extrem hohen Schulden, die Japan über die letzten Jahrzehnte in der Stagnation hielten. Ebenso verhält es sich auch im Hinblick auf China, dessen Bankensystem – im Verbund mit der heimischen Zentralbank – in den letzten Jahren ein Schuldenrad gedreht hat, das in der Welt – abgesehen von den USA – seines Gleichen sucht.

Für Ho und viele andere Analysten steht jedenfalls fest, dass der in der vergangenen Woche offiziell verkündete Anstieg der Anzahl der faulen und ausfallgefährdeten Kredite in Chinas Bankensystem weit untertrieben ist. Laut eines neuen Berichts von Ho beliefen sich die faulen Kredite – unter Einbeziehung des intransparenten Schattenbankensystems – auf mindestens 20% an allen einst vergebenen Darlehen der heimischen Institute – wenn nicht gar noch mehr.

Auch die "Zentralbank der Zentralbanken" warnt vor Überschuldung

Auch ein im September publizierter Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnte davor, dass das Verhältnis zwischen den durch Chinas Banken vergebenen Krediten in Relation zum BIP-Wachstum darauf hindeute, dass sich das Land auf dem Pfad zum Ausbruch einer potenziellen Megabanken- und Finanzkrise befinde.

Bei der französischen Großbank BNP Paribas hat man längst damit begonnen, sich durch die Bilanzen von Tausenden an der Börse gelisteten, chinesischen Unternehmen zu wühlen. Es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als die Frage, wie viele dieser Unternehmen in der Lage sein werden, auch in der Zukunft ihren Schuldendienst zu leisten.

Belastbare offizielle Zahlen? Fehlanzeige!

Momentan rangieren die Schätzungen zu stark ausfallgefährdeten Unternehmen in China zwischen 6 und 10%. Aktuell bedienen sich die meisten chinesischen Kreditgeber noch eines Bilanztricks, um die wahren Zahlen unter der Decke zu halten, indem sie fällig werdende Darlehen rollieren oder zeitlich strecken.

Chinas Bankenindustrie glaubt selbst nicht an die offiziell gemeldeten Daten. Dies ging unter anderem aus einer im Jahr 2014 veröffentlichten Bankenumfrage hervor, laut der nur 17% der befragten Bankenmanager davon ausgingen, dass die offiziell gemeldeten Zahlen zu denen im heimischen Bankensektor kursierenden und stark ausfallgefährdeten Krediten korrekt seien.

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