Darf ich Ihnen eingangs mal eine Frage stellen, werte Leser? Können Sie es auch schon nicht mehr hören, dass Europas Banken im Schlamassel stecken und alles mit sich in den Abgrund reißen könnten? Mir hängen diese Meldungen wahrlich zum Hals heraus.

Es zeichnet sich langsam aber sicher ab, dass die „alternativlose“ Politik der Brüsseler EU und der deutschen Bundesregierung auf ganzer Linie gescheitert ist. Europa befindet sich spätestens nach dem Brexit-Votum in U.K. im Stadium der Desintegration.

Ein zeitliches Verschleppen und Übertünchen der massiven Finanz- und Schuldenprobleme in der Eurozone durch das sich verewigende Drucken von Geld durch die EZB samt deren verheerender Negativzinspolitik hat die realen Begebenheiten nicht „Verschwindbussen“ lassen.

Probleme um Deutsche Bank nur Spitze des Eisberges

Ganz im Gegenteil. Wie nicht anders zu erwarten, hat die Negativzinspolitik der EZB nicht nur dazu beigetragen, den Banken-, Pensions- und Lebensversicherungssektor ins Wanken zu bringen, sondern erweist sich zudem als Garant, die wirtschaftlichen Probleme im Euroraum zu zementieren und überdies schwerwiegende politische Gräben auf EU-Ebene aufzureißen.

Wann sich die zurzeit in politischer Verantwortung stehenden Herrschaften dieser Realität stellen werden, steht nach wie vor in den Sternen. Selbstverständlich sind momentan alle Blicke auf die Deutsche Bank AG gerichtet, doch bei näherem Hinsehen erweist sich die Lage um die DB AG eigentlich nur als Spitze des Eisbergs in Bezug auf Europas Bankensystem.

Darauf hatte in der vergangenen Woche ausgerechnet ein hochrangiger Insider im Rahmen einer durch Bloomberg abgehaltenen Konferenz aufmerksam gemacht. Niemand anderes als Tidjane Thiam, Vorstandsvorsitzender der Schweizerischen Credit Suisse AG, sprach offen aus, was für viele Bankenkritiker ohnehin seit Jahren feststand.

Italiens Großbanken pfeifen aus dem letzten Loch

Laut Thiam sei es um Europas GESAMTEN Bankensektor derart schlecht bestellt, dass Anleger von Investments in den Sektor absehen sollten. Europas Banken seien noch immer „kein Bereich für Investitionen“. Werte Leser, um zu dieser Ansicht zu gelangen, genügte es, seit Herbst 2015 nach Italien zu blicken, wo Großbanken auf dem letzten Loch pfeifen.

Der De-Facto-Kollaps der traditionsreichsten und ältesten Bank Italiens, Monte dei Paschi di Siena, hat dazu geführt, dass die Aktie des Instituts an der Borsa Italia gerade noch ein Pennystock-Dasein erlebt. Nach wie vor hofft das Management auf die Realisierung eines dritten Bailouts seit dem Jahr 2008 (!).

Doch nicht nur das. Blicken wir über den Kanal nach Großbritannien, wo Institute wie die Royal Bank of Scotland auch acht Jahre nach dem Höhepunkt der Finanz- und Bankenkrise massive Verluste schreiben. Auch Barclays und selbst Lloyds stehen auf tönernen Füßen. Ach, was war das am Freitag wieder für ein Spaß.

Deutsche Bank: Presseente sorgt für Short Squeeze

Nachdem seit dem Morgen Gerüchte an der Börse gestreut wurden, laut denen die DB AG vor einer Einigung mit und Reduzierung der vorgesehenen Strafzahlung durch das amerikanische Justizministerium stehen soll, erfolgte ein so genannter Short Squeeze par excellence, der die Leerverkäufer der DB-Aktie kurzfristig zum Covern zwang.

Interessant war aus meiner Perspektive, wie diese Meldung dann durch führende Medien aufgegriffen und breit gestreut worden ist. Zuerst war es die französische Nachrichtenagentur AFP, die in ihrem Bericht darüber sprach, Informationen von internen Quellen – wer auch immer das sein mochte – zugespielt bekommen zu haben.

Danach stünde die DB AG vor einer Einigung mit dem Washingtoner DOJ zur Reduzierung der Strafzahlung von $14 auf $5,4 Milliarden. Noch interessanter war dann, was zum Beispiel der Focus aus dieser Meldung machte, der die Dinge in einem eigenen Bericht so darstellte, als handele es sich bereits um ein Faktum.

US-Rundumschlag gegen europäische Großbanken?

Wer Strafzahlungen für Banken für deren betrügerische Aktivitäten fordert, der sollte auch einmal Strafzahlungen für derartige mediale Fehl- und Manipulationsleistungen durch diverse Medienbetreiber einfordern. Selbstverständlich hatte ein Dementi aus den USA nicht allzu lange auf sich warten lassen.

Da war es dann das Wall Street Journal, das „Hausjournal“ der Federal Reserve, das Berichte dieser Art am Wochenende dementierte. Es sieht zurzeit vielmehr danach aus, als ob das DOJ einen Rundumschlag gegen europäische Großbanken für deren Hypothekenbetrug einplane. Nicht nur die DB AG, sondern auch Credit Suisse, Barclays und RBS sollen „bluten“.

Davon lässt sich auch ausgehen, wenn man bedenkt, dass Amerikas Großbanken durch die US-Justiz bereits zu Strafzahlungen in Höhe von kumuliert mehr als $45 Milliarden veranlasst wurden. Festzustellen bleibt, dass die auf tönernen Füßen stehende Royal Bank of Scotland dadurch noch viel härter getroffen werden könnte als die DB AG.

Bankbilanzen vor massiver Schrumpfung

Denn der Umfang der betrügerischen Aktivitäten an Amerikas Immobilienmärkten durch die RBS war noch weitaus größer als jene der DB AG. Was wird also geschehen, wenn diese Strafzahlungen erst einmal unumstößlich verlautbart und durch das DOJ verhängt worden sein werden, fragen Sie sich?

Ganz einfach, Europas Banken werden ihre Bilanzen noch massiver schrumpfen als dies in den vergangenen Jahren ohnehin schon der Fall gewesen ist. Die Wirtschaftskrise in Europa dürfte sich in der Folge intensivieren.

Laut Thiam befänden sich Europas Banken in einer sehr instabilen Lage. Hinzu gesellte sich die Aussage, dass sich die Bedenken unter Investoren zuletzt noch weiter verschärft hätten, nach denen die europäischen Banken über kein funktionstüchtiges Geschäftsmodell mehr verfügten.

Offen ausgesprochene Wahrheiten durch einen aktiven und hochrangigen Bankeninsider sind zwar begrüßenswert, werden die aktuelle Lage jedoch gewiss nicht besser machen. Fraglich ist auch, wie lange das Management der DB AG im Angesicht der Aktienkursentwicklung noch zuzuwarten gedenkt, um eine Kapitalerhöhung zu verkünden.

Deutsche Bank: Neue Anteilsscheine keine Leckerbissen für Anleger

Je tiefer der Aktienkurs der DB AG fällt, desto mehr würden die Anteilsscheine der Bank verwässert. Hinzu kommt, dass es DB-Investoren gewiss nicht schmecken wird, dass die DB AG potenzielle Einnahmen aus einer Kapitalerhöhung für Strafzahlungen in den USA – und nicht für Zukunftsinvestitionen oder Stärkung des eigenen Geschäftsmodells – aufwenden würde.  

Bankeninvestoren könnten allein schon aufgrund der Tatsache der aktuell kursierenden Bailout- und Verstaatlichungsdiskussionen in deutschen Medien vor der Zeichnung frisch emittierter Anteilsscheine der DB AG zurückschrecken. Insbesondere im Fall einer (Teil-) Verstaatlichung würden Aktionäre gewiss in die Röhre blicken.

Festsetzen dürfte sich in vielen Köpfen auch die Warnung Thiams, laut denen Europas Bankensektor „kein Bereich ist, in dem sich Investitionen lohnen“. Einen größeren Bärendienst hätte der Credit-Suisse-CEO der Deutsche Bank AG momentan wohl kaum leisten können.

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