Indien wurde im letzten Jahr wahrhaft durch eine als „Bargeldreform“ bekannt gewordene Regierungskampagne erschüttert, von der sich sowohl weite Teile der Bevölkerung als auch das heimische Bankensystem noch über einen recht langen Zeitraum nicht so schnell erholen werden.

Diese Ansicht vertritt auch die Ratingagentur Fitch. Laut Fitch werde sich die am 8. November praktisch über Nacht durch die Regierung in Neu Delhi ausgerufene Entwertung von rund 88% aller bis dahin kursierenden Banknoten äußerst negativ auf die Qualität der durch Indiens Banken gehaltenen Vermögenswerte auswirken.

Hauptgrund für diese Annahme ist unter anderem, dass die durch die Regierung betriebene Demonetisierungskampagne zu einer enormen Bargeldknappheit in der gesamten Wirtschaft geführt hat, die sich insbesondere für Indiens informellen Sektor als fatal erweist.

Hoher volkswirtschaftlicher Anteil des informellen Sektors

Wie in den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern üblich, vereint der informelle Wirtschaftssektor auch in Indien einen hohen Anteil an den Gesamtwirtschaftsaktivitäten auf sich. 

Bei Fitch wird befürchtet, dass sich die vollen Auswirkungen der Demonetisierungskampagne der Regierung erst so richtig ab dem 1. Quartal dieses Jahres zeigen werden. Davon betroffen werden allen voran die Banken des Landes sein.

Denn der Bargeldcoup wird sich, so Fitch, negativ und stark belastend auf die Preiserholung der durch Indiens kommerzielle Geschäftsbanken gehaltenen Vermögenswerte auswirken. Die in den vorangegangenen Wirtschaftsquartalen einsetzende Bargeldknappheit hat sich auf die Einkommensentwicklung unter vielen Kredit- und Darlehensnehmern des Landes ausgewirkt.

Resultat ist eine allgemein rückläufige Wirtschaftsleistung bei einer deutlich sinkenden Fähigkeit unter den Kreditnehmern des Landes, deren Darlehen auch zurückzubezahlen.

Die Regierung brüstet sich zwar damit, die Reserve Bank of India (RBI) dazu angehalten zu haben, eine Reihe von einstmals vergebenen Darlehen im Landwirtschaftsbereich sowie zugunsten von Kleinfirmen erlassen beziehungsweise eine Stundung unter kommerziellen Geschäftsbanken durchgesetzt zu haben.

Doch eine genauere Betrachtung der aktuellen Lage an den indischen Kreditmärkten fördert zutage, dass es sich dabei nur um einen winzigen Anteil der insgesamt ausstehenden Darlehen in Indien handelt.

Deutliche Steigerung bei den Zahlungsausfällen

Bei Fitch wurde im letzten Jahr noch damit gerechnet, dass das Verhältnis der durch einen Zahlungsausfall bedrohten Darlehen in Relation zu den insgesamt ausstehenden Krediten im heimischen Bankensystem bis Ende März dieses Jahres auf 12,1% (von 11,4% im Vorjahr) klettern würde. 

Doch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen in Indien wird diese Prognose durch Fitch nun selbst infrage gestellt. Vielmehr ließe sich damit rechnen, dass das Verhältnis bis Ende März – und damit dem Ende des indischen Fiskaljahrs – noch deutlich höher klettern könnte.

Darauf deutet unter anderem allen voran die Tatsache hin, dass eine Reihe der wichtigsten Indikatoren, welche die Entwicklung der Qualität der durch Indiens Banken gehaltenen Vermögenswerte abbilden, bereits nahe in Richtung des tiefsten jemals in der Geschichte des Landes erreichten Niveaus gesunken ist.

Eine Erholung werde nur langsam vonstatten gehen und sich unter aller Voraussicht über einen Zeitraum der nächsten fünf Jahre erstrecken. Kurzfristig geht man bei Fitch von einer zunehmenden Verschlechterung der Lage aus, bevor es dann in zwei bis drei Quartalen zum Einsetzen einer leichten Erholung kommen dürfte.

Dies liegt vor allem an einem rückläufigen Einkommenswachstum unter weiten Teilen der Bevölkerung. Hinzu gesellt sich eine sich forcierende Unsicherheit in der ganzen Wirtschaft, welche die Kreditaktivitäten des Bankensektors belastet. Neueste Daten zeigen, dass sich das Einkommenswachstum im November 2016 auf 4,8% abgeschwächt hat.

Im Vormonat wurde noch ein Wert von 6,7% verzeichnet. Diese Entwicklung wirkt sich, so Fitch, auch direkt auf das Kreditwachstum in der indischen Wirtschaft aus. Sahen Prognosen für das sich dem Ende zuneigende Fiskaljahr ein Kreditwachstum von 10% voraus, so könnte dieser Wert nun gar unter das im vorherigen Fiskaljahr erreichte Niveau von 8,8% sinken.

Merklicher Anstieg bei den Konteneinlagen

Ein momentaner Lichtblick resultiert aus dem Aspekt, dass die Demonetisierungskampagne der Regierung zu einem deutlichen Anstieg der Konteneinlagen bei kommerziellen Banken geführt hat. Schließlich floss zumindest ein Teil des bis dahin unter Matratzen oder außerhalb des Bankensystems gehorteten Bargeldnoten zwangsläufig wieder ins Bankensystem zurück.

So zeigen die bis dato veröffentlichten Zahlen unter einer Reihe von indischen Banken, dass sich das Konteneinlagewachstum im November 2016 auf knapp 16% im Vergleich mit dem Vorjahresmonat belief. Im Monat Oktober lag dieser Wert bei rund 9%. Im vierten Quartal 2016 sind die Kundeneinlagen bei den Banken im Jahresvergleich um bis zu 30% geklettert.

Frage aller Fragen bleibt, wie hoch der erneut einsetzende Kapitalabzug von den Bankkonten ausfallen wird, wenn die Abhebbeschränkungen durch die indische Regierung gelockert oder in Gänze aufgehoben werden.

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