Im deutschen Handelsblatt wird über einen möglichen Bailout der Deutsche Bank AG durch die Bundesregierung spekuliert. Die Aktie der DB AG, die seit dem Jahr 2007 rund 90% an Wert eingebüßt hat, ist auf neuen Rekordtiefständen angekommen. Allein im laufenden Jahr hat das Papier um knapp 50% an Wert verloren.

Hinter den Kulissen muss also eine ganze Menge los sein. Die aufgearbeiteten Skandale, in die die DB AG verwickelt gewesen ist, haben nicht nur Reputation und Vertrauen, sondern auch eine Menge Geld gekostet. Doch vorbei ist vorbei, ja, wenn da nicht auf einmal die Nachricht geleakt worden wäre, laut der die US-Regierung $14 Milliarden haben möchte.

Eine gewiss mächtige Geldsumme in Form einer satten Strafzahlung für ehedem begangenen Hypothekenbetrug, die fast dem aktuellen Börsenwert der DB AG gleichkommt. Bei einem Börsenwert von 16 Milliarden Euro führt die DB AG zu allem auch noch einen Gegenwert von $45 Billionen (!) – oder sind es gar $70 Billionen? – an Derivaten in ihren Büchern.

Riesiger Derivateturm: Wirklich "kein Problem"?

Seitens des Internationalen Währungsfonds wurde der DB AG dann auch vor Kurzem ein Prädikat verliehen, das sich keineswegs als Gütesiegel lesen lässt, sondern die Bank als die am stärksten zu systemischen Risiken beitragende Geschäftsbank im Weltfinanzsystem betitelte.

Selbstverständlich argumentiert die DB AG, dass die riesige Derivatesparte für die eigene Stabilität kein Problem darstelle. Dies dürfte allerdings nur solange gelten, solange um die DB AG und deren Aktienkurs nicht eine medial-öffentlich werdende Krise ausbrechen sollte. Wie schnell die Pleite von Lehman Brothers damals auch den Versicherer AIG und eine Reihe von anderen Playern in den Abgrund gerissen hatte, zeigte die Bankenkrise im Jahr 2008.

Noch sehr kurz vor Ausbruch dieser Bankenkrise in den USA ließen sich ähnliche Statements wie heute vernehmen. Der zu jener Zeit aktive US-Finanzminister Hank Paulson warf verbale Beruhigungspillen in der amerikanischen Öffentlichkeit ab, die in dem Statement gipfelten, laut dem das amerikanische Bankensystem „gesund und stabil“ sei. Die Menschen brauchten sich keine Sorgen über die Stabilität ihres Finanzsystems zu machen.

Wolfgang Schäuble: Keine Sorgen um die Deutsche Bank

Erinnern wir uns. Zu Jahresbeginn fühlte sich plötzlich auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble dazu berufen, wie aus dem Nichts ein öffentliches Statement abzugeben, laut dem er sich um die DB AG keine Sorgen mache. Doch Hallo, die Vergangenheit hat klar und deutlich aufgezeigt, dass jedermann erst recht aufhorchen sollte, wenn es zu solchen Erklärungen aus Banken oder seitens Regierungsoffiziellen kommt.

Um auf die Forderungen der US-Regierung zurückzukommen, so spricht die DB AG zwar darüber damit zu rechnen, mit einer weitaus geringeren Strafzahlung davonzukommen. Doch Vorsicht. Auch die in den Vereinigten Staaten ansässigen Megabanken wie Bank of America ($17 Milliarden) oder Citibank ($7,55 Milliarden) bekamen saftige Strafen für ähnliche Betrügereien an den Hypothekenmärkten von Washington aufgebrummt – und zahlten.

Selbstverständlich könnte die DB AG die nun im Raum stehende Forderung der Washingtoner Regierung in Höhe von $14 Milliarden niemals ohne eine Kapitalerhöhung schultern. Doch mal ehrlich, welcher Aktionär trägt eine Kapitalerhöhung mit, die im Angesicht einer abermals stark verwässerten Aktienanzahl in Gänze für eine Strafzahlung draufginge?!!

Würde man die Deutsche Bank einfach untergehen lassen?

Für etwaige Strafzahlungen hat die DB AG im Moment gerade einmal $5,5 Milliarden beiseite gelegt. Finanziell und bilanztechnisch betrachtet erweckt die DB AG also alles andere als einen stabilen Eindruck. Sollte der Aktienkurs weiter sinken, wovon auszugehen ist, dürfte die Nervosität an den Weltfinanzmärkten noch deutlich zunehmen.

Wirtschaftlich könnte die DB AG also untergehen. Doch politisch? Ich kann mir beileibe nicht vorstellen, dass die Berliner Bundesregierung die DB AG als einzige deutsche Großbank, die als systemisch wichtig eingestuft wird, mir nichts dir nichts untergehen lassen würde. Ansonsten haftet dieses Prädikat nur noch dem deutschen Versicherer Allianz an.

Wie könnte solch eine „Rettung“ aussehen? Im Angesicht des riesigen Derivatebuchs der DB AG lässt sich dies aus heutiger Sicht nur schwer einschätzen. Persönlich bin ich jedoch der Ansicht, dass es zu einer potenziellen „Rettung“ der DB AG nicht ausreichen würde, wenn sich Bundeskanzlerin Merkel – wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise – an die Sparer und Konteninhaber wenden würde, um deren Einlagen staatlich zu garantieren.

Notfallszanario mit Nachtsitzungen auf europäischer Ebene?

Die DB AG ist so gefährlich, dass sie die ganze Eurozone in den Abgrund reißen könnte. Aus diesem Grund würde im Ernstfall wohl wieder einmal ein EU-Krisengipfel den nächsten jagen, auf denen die Berliner Regierung in Brüssel unter Umständen „an den Zusammenhalt und die Einheit des Kontinents“ appellieren dürfte, um die 27 EU-Staaten oder zumindest die Staaten der Eurozone zu einer Teilnahme an einem Bailout zu verpflichten.  

Der Stress, der sich auf Brüsseler Ebene aus einem solchen Umstand ableiten würde, lässt sich vorausahnen. Man denke nur an Griechenland oder Italien, deren Regierungen sich dazu aufgefordert sähen, daran beizutragen, der DB AG einen Bailout zu liefern. Ein Dokument des Financial Stability Board gibt Aufschluss darüber, auf welche Weise systemisch wichtige Banken abgewickelt werden sollen, falls dies notwendig werden sollte. 

Es wird in diesem Dokument zwar ausgeführt, dass eine Abwicklung eingeleitet werden soll, wenn eine systemisch wichtige Bank nicht mehr solvent ist und der Ausblick für die zukünftige Fortführung der Geschäftsaktivitäten negativ sei. Doch bei Licht besehen wird in keiner Zeile beschrieben, welcher Auslöser einer solchen Entscheidung vorausgehen würde.

Bloß nicht den Eindruck einer Inanspruchnahme von Steuergeldern vermitteln!

Stellen Sie sich vor, die Berliner Regierung samt deren Aufsichtbehörden würden bekannt geben, dass die DB AG langfristig nicht mehr überlebensfähig wäre. Eingangs würde eine Prüfung eingeleitet, um die Werthaltigkeit der durch die Bank gehaltenen Vermögenswerte zu prüfen.

Laut des FSB-Dokuments dürfen die nationalen Aufsichtsbehörden dabei nicht den Eindruck erwecken, dass die entsprechende Bank letztendlich doch noch einmal durch einen Einsatz von Steuerzahlergeldern gerettet würde. In diesem Fall dürfte der Aktienkurs der DB AG bereits gegen Null tendieren.

An den Finanzmärkten dürfte Panik ausbrechen, da die nicht werthaltigen Vermögenswerte hohe Verluste unter Aktionären und Bondhaltern auslösen werden. Halter von nachrangigen Verpflichtungen der DB AG würden ohnehin als erste rasiert und unter dem Bus landen. Ein Überspringen dieser Krise auf die Aktienkurse der anderen europäischen Großbanken dürfte nicht lange auf sich warten lassen.

Mögliche Aufspaltung der Bank

Die Prozedur sähe weiter vor, dass die werthaltigen und vom Restgeschäft abgetrennten Vermögenswerte in eine Auffanggesellschaft ausgelagert werden, um diese in Gänze zu den höchstmöglichen Preisen zu veräußern. Laut FSB-Dokument wäre es jedoch erlaubt, diese Auffanggesellschaft „temporär“ unter staatliche Kuratel zu stellen, um in diesen Prozess kontrollierend einzugreifen.  

Theoretisch wären Bailouts mittels Steuerzahlergeldern also nicht gänzlich ausgeschlossen und nach neuester Lesart „temporärer Natur“. Es würde also nicht mehr zu Verstaatlichungen wie im Fall der Royal Bank of Scotland kommen, an der Großbritanniens Regierung auch acht Jahre nach dem Finanzkrisenhöhepunkt weiterhin 80% hält. Ist das wirklich so?

Es würde sich im Ernstfall zeigen. In Sachen DB AG würden sich jedoch auch noch ganz andere Fragen und Probleme stellen. Denn schließlich gäbe es im Fall eines Kollapses der DB AG keine einzige systemisch wichtige Bank mehr in Deutschland. In Frankreich gibt es derer zurzeit allerdings (noch) drei Institute.

Wer könnte Teile der Deutschen Bank überhaupt übernehmen?

Hinzu kommt, dass die anderen relevanten deutschen Großbanken und Versicherer unter aller Voraussicht nicht die Kraft dazu hätten, Teile der DB AG zu übernehmen. Commerzbank? Allianz? Ein Versicherer soll Teile einer untergehenden Systembank übernehmen? Bei einer Commerzbank, die seit einer Dekade selbst aus dem letzten Loch pfeift?

Interessenten auf den USA, Großbritannien, Frankreich oder gar China dürften es nicht leicht haben zum Zuge zu kommen, da diese ganze Situationen auch einen höchst brisanten politischen Charakter hätte. Ob die Berliner Regierung die werthaltigen Vermögenswerte ihres einstigen Vorzeigeinstituts in die Hände von Ausländern gehen lassen würde, muss auf Basis aller bislang gemachten Erfahrungswerte bezweifelt werden.

Was wären die Alternativen? Dazu braucht man nur nach Italien auf den Koloss Unicredit zu blicken. Unter Aktionären weltweit verlacht, hat die italienische Regierung geholfen, einen Bankenkoloss aus Inlands- und Auslandsbanken in Nachbarländern zu schmieden, der schon seit langer Zeit ein Zombiedasein führt.

Zuletzt ließ die Meldung über Fusionsgespräche zwischen der DB AG und der Commerzbank an den Finanzmärkten aufhorchen. Zwei lahme Fußkranke, die sich zusammentun, könnten „temporär“ also eine Option sein, um den Ausbruch einer Superkrise um die DB AG mit allen Mitteln zu verhindern und weiterhin Handlungsspielraum vorzutäuschen.

Bail-Out-Regeln: Respektieren oder (wieder einmal) über Bord werfen?

Falls Berlin allerdings dazu neigen sollte, das Regularienwerk des FSB zu ignorieren, um der DB AG einen unerlaubten Bailout im Alleingang liefern zu wollen und die Bank in diesem Zuge (teil) zu verstaatlichen, würde Deutschland in Gänze gegen die europäischen Regeln im Hinblick auf Bankenbailouts und Staatsverschuldung verstoßen.

Anderen Euromitgliedern wie Griechenland, Portugal, Italien, Spanien oder Irland würde die Berliner Regierung keine Austeritäts- und Sparmaßnahmen mehr aufoktroyieren können. Auch in diesem Fall würde also auf europäischer Ebene hochgradig Stress ausbrechen – und zwar politischer Stress, der sich in Sachen „Migrantenkrise“ und Brexit ohnehin schon massiv verschärft hat.  

Am Ende dessen könnte das Ende des europäischen Experiments stehen. Selbst Diskussionen über einen Ausschluss Deutschlands aus der Eurozone auf Brüsseler Ebene wären in meinen Augen durchaus vorstellbar. Etwaige Forderungen bissiger und frustrierter Südländer könnte ich mir in diesem Zusammenhang in der Tat lebhaft vorstellen. Warten wir es ab!

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