EUR/USD eröffnet heute bei 1.3200 (07.35 Uhr), nachdem im asiatischen Geschäft Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3145 markiert wurden. Der USD notiert gegenüber dem JPY bei 93.15. EUR-JPY stellt sich in der Folge auf 123.00, während EUR-CHF bei 1.4325 oszilliert. Bevor wir uns mit den Themen des Tages beschäftigen, bedanke ich mich herzlich für die vielen Rückmeldungen am gestrigen Tag. Das Echo war sehr bunt.

Mehr als 50% der Rückmeldungen erachten Frau Merkels Position als richtig und folgten damit nicht meinen hier geäußerten Ansichten. Es gab sehr viele tiefgreifenden Hintergrundmails. Es gab einige, die Humor verrieten. Es gab auch welche, die weniger sachlich ausfielen. Zur Klarstellung, ich bin kein „Bilderberger“ und auch kein „Freimaurer“ und wer Alkohol horten will, dem sei das selbst überlassen.

Die Dramatik der aktuellen Situation erlaubt es mir leider nicht, in den Mails geäußerte Ansichten hier vertiefend darzustellen. Einige Mails sind beantwortet worden, heute werden weitere Antworten folgen. Ich sehe mich jedoch außerstande, alle Mails in dieser Form zu bearbeiten. Die gestrigen Wirtschaftsdaten bearbeiten wir im Hinblick auf die Dominanz der Politik ausnahmsweise im Telegrammstil:

* Der US - S&P Case/Shiller Hauspreisindex sank im Monatsvergleich unerwartet um -0,9% (Prognose -0,3%). Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 0,6% (Prognose +1,2%)

* Das US-Verbrauchervertrauen nach Lesart des Conference Board legte per April überraschend stark von 52,3 auf 57,9 Punkte zu und unterstreicht damit seine notorisch bekannte Volatilität und damit verbunden seine eingeschränkte Aussagefähigkeit. (Schauens auf den ABC … siehe "Letzte Nachrichten" … )

* Der Richmond Fed Manufacturing Index legte per April nachhaltig von zuvor 6 auf 30 Punkte zu.

Werfen wir nun zunächst einen Blick auf das, was Deutschland bei seinen "Freunden" in Südeuropa angerichtet hat. Mit anderen Worten halte ich umfänglich an meiner gestern geäußerten Position und Kritik fest.

Unten abgebildet finden Sie die Entwicklung der CDS-Aufschläge. Die Verweigerungshaltung Deutschlands hat dazu geführt, daß die Spekulationswelle gegen Südeuropa in der Phase ab März massiv zugenommen hat.

Es sei hier noch einmal darauf hingewiesen, daß Griechenland lediglich die Schwelle zur Risikozone zu einem Staatsbankrott mit 30% der Steuereinnahmen, die für Zinszahlungen aufzubringen sind, erreichte. Es sei noch einmal darauf verwiesen, daß Griechenland mit den schärfsten Auflagen unter Kontrolle des IWF und der EU in der Restrukturierungspolitik konfrontiert ist.

Als Resultat genau dieser Entwicklung der CDS-Spreads, die gestern dazu führten daß 2-jährige Griechenbonds oberhalb der Marke von 18% rentierten und die Staatsanleihen Portugals so gehandelt wurden wie die Bonds der Griechen per Anfang März, kam es zu Herabstufungen der Ratings Griechenlands um drei und Portugals um zwei Stufen durch Standard & Poors..

 

Zum weiteren Verständnis ist es unumgänglich sich noch einmal die Verschuldungsquoten vor Augen zu führen: Status Ende 3. Quartal 2009 (Quellen Eurostat, BEA, US-Treasury)

* Griechenland 118,5%
* Portugal 80,5%
* Spanien 51,3%
* Irland 61,2%
* Deutschland 73,1%
* USA 83,6%

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben ….

Die EU hat in den letzten Wochen seit März immer wieder Lösungsvorschläge vorgelegt, denen grundsätzlich zugestimmt wurde. Anschließend kam es von deutscher Seite regelmäßig zu Nachverhandlungen oder neuen Anforderungen.

Die deutsche Boulevardpresse feierte unsere "Angie" ab und machte auf einem Niveau Stimmung gegen Griechenland, das einen sachlichen Diskurs erheblich erschwerte. So ein bißchen "Basta"-Politik macht sich am Stammtisch in NRW gut.

Per März wäre es voraussichtlich mit dem Schwur ausreichend gewesen, der Spekulationswelle Einhalt zu gebieten.

Mit dem Zögern und Zaudern durch unsere eiserne "Angie" wird es nun teuer. Erstens werden wir um die Hilfestellung in realem Kredit nicht herumkommen. Darüber hinaus haben die deutschen Verhaltensweisen die Spekulation gegen Portugal und Spanien angefacht.

Wir verweisen auf die oben abgebildeten Verschuldungsdaten, die verdeutlichen, daß weder Portugal noch Spanien in den "Beritt" Staatsbankrott gehören.

Das portugiesische und spanische Feuer nun mit Worten zu beschwichtigen, wird nicht leicht sein. Es kann sogar sehr teuer sein. Stammtischen zu folgen, hat offensichtlich einen hohen Preis.

In dieser Krise hat seit dem Lehman Debakel die homogene Handlungsweise auf G-30 Ebene, die kein wesentliches systemisches Risiko zuließ, dazu geführt, daß die für viele überraschende Konjunkturerholung als auch Erholung des Finanzsystems greifen konnte. Das war ein sensationeller Erfolg! Die aktuelle Verhaltensweise der deutschen Regierung stellt eine wesentliche Aufkündigung dieses Konsenses dar und erhöht damit systemisches Risiko.

Daraus resultiert erhöhte Risikoaversion, die den Kreditzyklus gefährdet. Das ist wiederum der Schlüssel, um die konjunkturelle Erholung zu gefährden.

Kommen wir zum Klartext:

Die bisherige Verweigerung einer Kreditzusage über 8,4 Mrd. Euro zu Gunsten Griechenlands kann über die Ansteckungseffekte innerhalb der Eurozone, die offensichtlich sind, für die deutsche Wirtschaft bedeuten, daß der junge und dynamische Aufschwung abgewürgt wird und darüber hinaus der Aufschwung der Weltwirtschaft gehemmt wird.

Damit würde das deutsche Mehrwertsteueraufkommen sinken, die Beschäftigungserfolge mit entsprechendem Einkommensteueraufkommen stünden zur Disposition und die Gewinnsteuern wären geschmälert. Steigende Arbeitslosigkeit hätte höhere Sozialausgaben zur Folge.

Diese Kosten würden ungleich höher sein als die Kreditzusage oder auch Inanspruchnahme durch Griechenland. Der politische Preis ist nebenher deutsche Isolation.

Hiermit soll verdeutlicht werden, daß der verbale Schwur per Februar oder März die billigere und kluge Option gewesen wären.

Das Risiko, daß die aktuelle Politik in Deutschland großen wirtschaftlichen Schaden heraufbeschwört, ist real.

Ich bin seit mehr als 25 Jahren in diesem Geschäft. Das Maß meiner aktuellen Fassungslosigkeit hinsichtlich der sich anbahnenden Konsequenzen als Folge des aktuellen Handelns unserer Regierung stellt für mich eine neue Erfahrung dar.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Sofern in der heutigen Sitzung der Bundesregierung mit Herrn Trichet (EZB) und Herr Strauss-Kahn (IWF) eine Fortsetzung des deutschen Eiertanzes ansteht, der schlußendlich ureigne Interessen der deutschen Wirtschaft ignoriert, da er die systemische Stabilität gefährdet, erwägen wir den Bias auf negativ zu drehen.


Viel Erfolg!

© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank

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