Im Angesicht einer ökonomisch wachsenden Eurozone wächst auch der Druck auf die EZB, den größten Bondkäufer der Region, sich aus dem Markt zurückzuziehen. Dieser Prozess hat begonnen. Zuletzt verkündete die EZB, ihre monatlichen Bondkäufe auf 30 Milliarden zu drosseln.

Weidmann drängt Draghi auf baldigen Stichtag zur Beendigung der Bondkäufe

Insbesondere seitens der Deutschen Bundesbank erhöht sich der ausgeübte Druck auf Mario Draghi und die EZB, nachdem Bundesbank-Chef Jens Weidmann gegenüber der spanischen Tageszeitung El Mundo jüngst erklärte, dass die EZB ihr Bondankaufprogramm so bald wie möglich in Gänze aufgeben solle. Draghi sollte endlich ein Datum benennen, so Weidmann.

Weidmann wird als einer der heißesten Kandidaten in Bezug auf einen im Jahr 2019 an der EZB-Spitze stattfindenden Chefwechsel gehandelt. Weidmann hatte sich vielleicht nicht von ungefähr als einer der schärfsten Kritiker des durch die EZB propagierten QE-Programms im Laufe der vergangenen Monate erwiesen.

Die Länder sind abhängig von verbotener Staatsfinanzierung

Weidmann scheint nicht entgangen zu sein, dass Zentralbanken zu den größten Gläubigern von nationalstaatlichen Regierungen avanciert sind. Wie Weidmann gegenüber El Mundo ausführte, hätten sich die Finanzierungsbedingungen in der Eurozone seit Auflage des QE- und Bondankaufprogramms durch die EZB massiv verändert.

Denn heute hingen die Mitgliedsstaaten mehr als jemals zuvor von der Geldpolitik der EZB ab. Kritiker würden behaupten, dass die EZB nationalstaatliche Regierungen mittels ihrer Bondankäufe durch die Hintertür finanziert, was unter Bezugnahme auf die Europäischen Verträge strikt verboten ist. Doch wer in Brüssel schert sich noch darum?

Alles, was einmal für sakrosankt erklärt wurde - darunter auch die No-Bailout-Klausel -ist seit vielen Jahren - und spätestens seit dem Ausbruch der Euro- und Griechenlandkrise - aus dem Fenster geflogen. Längst schon zeichnet sich ab, dass die dramatische Abhängigkeit der Mitgliedsländer der Eurozone von einer laxen Geldpolitik der EZB dazu führen dürfte, dass sich im gemeinsamen Währungsblock so bald nichts ändern dürfte.

Was wären die Konsequenzen von einer Beendigung des Aufkaufprogramms?

Draghi hatte im Rahmen der jüngsten EZB-Zinssitzung verkündet, dass das QE-Programm in einem monatlichen Volumen von 30 Milliarden Euro bis September 2018 weiterlaufen werde. Eine abermalige Verlängerung über diesen Zeitpunkt hinaus ist im Angesicht der aktuellen Entwicklungen an der Eurozonen-Staatschuldenfront durchaus denkbar.

Doch das österreichische EZB-Direktoriumsmitglied Ewald Nowotny hatte jüngst gegenüber der Süddeutsche Zeitung erklärt, dass das Bondankaufprogramm der EZB im Falle eines Inflationswerts von über 1% bei anhaltendem Wirtschaftswachstum in diesem Jahr beendet werden sollte.

Aber was würde ein solcher Schritt für all jene Euro-Mitgliedsstaaten sowie deren Banken und Unternehmen bedeuten, die in einem derart außergewöhnlichen Ausmaß von einer laxen Geldpolitik der EZB abhängig gemacht wurden - beziehungsweise sich selbst davon abhängig gemacht haben?

Banken sind sie los – Nun sitzt die EZB auf einem Haufen italienischer Staatsanleihen

Ganz vorn in der Schlange der finanziell Bedürftigen findet sich die Regierung Italiens. Die italienische Regierung sieht sich mit einem der größten Schuldenberge unter allen Ländern dieser Erde konfrontiert. Mittlerweile hält die EZB italienische Staatsanleihen in einem Umfang von €325 Milliarden Euro.

Dieser Betrag übersteigt die seit 2012 erfolgte Zunahme der Bruttostaatsverschuldung Italiens in Höhe von 245 Milliarden Euro bei Weitem. Die durch die EZB getätigten Bondkäufe haben allen anderen Marktakteuren – darunter italienischen, französischen und deutschen Banken – die Chance ermöglicht, einen Teil von ihren bis dato gehaltenen Italo-Bonds loszuwerden. 

Nicht nur Rom käme in arge Bedrängnis…

Nun, da die EZB ihr QE- und Bondankaufprogramm sukzessive herunterfährt, werden diese Marktakteure in großem Umfang an die Euroraum-Staatsanleihemärkte zurückkehren müssen, da die Zinsen auf italienische Staatspapiere andernfalls zu klettern beginnen werden. Dadurch würden sich die Finanzierungskosten der Regierung in Rom massiv verteuern.

Für Italien, dessen Ökonomie auch rund zehn Jahre nach Ausbruch der globalen Finanzkrise noch immer auf ein um 6% geschrumpftes Wirtschaftswachstum blickt, dürfte eine solche Entwicklung zu einem enormen Problem werden. Die mittels des Bondankaufprogramms der EZB geschaffenen Finanzierungsabhängigkeiten gehen jedoch weit über nationalstaatliche Regierungen im Euroraum hinaus. 

…auch die Stabilität von den Banken in Spanien steht auf dem Spiel

Nicht von ungefähr warnte der IWF in seinem jüngsten Länderbericht davor, dass Spaniens Finanzsystem ähnlichen Gefahren wie Italien ausgesetzt sei. Spanische Banken haben sich in den letzten Jahren ebenfalls in außergewöhnlich hohem Ausmaß von der Liquiditätsorgie der EZB abhängig gemacht.

Mehr als 6,5% der Refinanzierungsaktivitäten wickeln spanische Banken inzwischen direkt mit der EZB ab. Es ist in diesem Fall weniger das QE- und Bondankaufprogramm der EZB, als vielmehr deren LTRO-Programmauflage in einem Volumen von fast 1 Billion Euro, das die finanzielle Abhängigkeit spanischer Banken von der EZB zementiert hat.

In den meisten Fällen haben die Euroraum-Banken die sprichwörtlichen Kreditgeschenke der EZB zum Aufbau von Carry Trades verwendet, um einen Jahreszins von 2%-3% abwerfende spanische Staatsanleihen zu erwerben, um sich diese Zinseinkünfte als Gewinn in die Tasche zu stecken.

Laut IWF gäbe es in Spanien eine Bankeninstitution, deren Name offiziell nicht genannt wird, deren Liquiditätsbedarf bereits in einem Umfang von 17% von den Finanzierungsaktivitäten der EZB abhängig sei. Beim IWF zeigt man sich alles andere als davon überzeugt, dass die spanischen Banken die Fähigkeit aufweisen, sich ausreichend selbstständig zu refinanzieren, wenn sich die EZB verstärkt aus ihren Aktivitäten zurückzieht.

Wenn diese Refinanzierungsquelle der EZB einmal entfiele, so der IWF, könnte sich eine Verlagerung der Refinanzierungsabhängigkeit unter spanischen Banken von den deutlich teureren Krediten der Bondmarktakteure äußerst negativ auf die Stabilität des spanischen Bankensystems auswirken. Eine Liquiditätskrise sei keineswegs ausgeschlossen.

Bank of America: Knapp 10% Zombieunternehmen in der Eurozone

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf die durch die EZB durchgeschleppten Zombie-Unternehmen im Euroraum. Nicht umsonst hatte ich <link wirtschaftsfacts beitrag ezb-draghi-vater-aller-europaeischen-zombies>in einem meiner letztjährigen Berichte getitelt, dass Mario Draghi Vater aller Euroraum-Zombies ist.

Diese Firmen befinden sich nur deshalb noch im Wettbewerb, weil das Negativzinsregime der EZB und deren (Junk-)Bondunternehmenssektor-Ankaufprogramm diesen Firmen nichts anderes als eine artifizielle Rettungsleine zugeworfen hat. Die Bank of America kam in einem im letzten Jahr veröffentlichten Bericht zu dem Fazit, dass sich knapp 10% der größten Euro-Unternehmen als lebende Tote – und somit Zombies – klassifizieren ließen. 

Systemische Risiken nicht gelöst, sondern vergrößert

Sobald die EZB ihre Unterstützung zurückziehen wird, werden diese Unternehmen nicht mehr dazu in der Lage sein, ihren Zinsdienst auch weiterhin aufrecht zu erhalten. Es zeigt sich, dass die EZB in den letzten Jahren keine Schritte unternommen hat, um die systemischen Risiken, welche die Eurozone plagen, zu adressieren. Dies gilt insbesondere auch für die Banken.

Vielmehr haben Mario Draghi und die EZB veritable und unumkehrbare Abhängigkeiten ins Leben gerufen, während sich die Probleme an der Wurzel noch weiter vergrößert haben. Es stellt sich aus diesem Blickwinkel die Frage, wie die Eurozone auf eigene Faust und ohne eine sich verewigende Unterstützung der EZB überleben soll, wenn die auf dem Tisch liegenden Fakten in allen Belangen in eine andere Richtung deuten.   

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