In den Niederlanden werden die Bürger im März dieses Jahres an die Wahlurnen gebeten, um über die Zusammensetzung des Parlaments und die sich daran anschließende Neubildung der Regierung abzustimmen. In jüngsten Wahlumfragen sah das rechtskonservative Lager um den Islam-Kritiker Geert Wilders politischen seinen Kurs zuletzt bestätigt.

Denn manche Umfragen zeigen weniger als zwei Monate vor dem nationalen Urnengang an, dass die umstrittene Wilders-Partei sogar mit Abstand stärkste Fraktion im neu zu wählenden Abgeordnetenhaus werden könnte. Dass diese Entwicklung unter den (noch) regierenden Konservativen um Premier Mark Rutte nicht unbeachtet bleibt, zeigt der neueste Verlauf.  

In der vergangenen Woche verfasste Rutte nämlich einen offenen Brief, in welchem er die in den Niederlanden lebenden Minderheiten aufforderte, sich entweder in die niederländische Gesellschaft vollständig zu integrieren oder im Umkehrschluss besser in deren angestammte Heimatländer zurückzukehren.

Premier Ruttes Brief war zwar nicht direkt an die im Land lebenden Muslime, sondern an alle Minderheiten gerichtet. Allerdings fällt es meisten Beobachtern nicht sonderlich schwer, aus der verfassten Warnung, dass „irgendetwas falsch läuft im Staate Niederlande“ herauszulesen, dass insbesondere Muslime im Fokus dieser Botschaft zu stehen scheinen.

Im Vorfeld zu den am 15. März abzuhaltenden Nationalwahlen wird Mark Rutte seitens des Mainstreams nun ebenso Populismus vorgeworfen, wie dies mit Blick auf Geert Wilders, dem größten politischen Konkurrenten Ruttes von Rechtsaußen, schon über Jahre der Fall gewesen ist.  

Folgerichtig ist der verfasste Brief Ruttes unter den in den Niederlanden lebenden Muslimen auf Ablehnung, die mit einer Schockstarre einhergeht, getroffen. Laut in den Niederlanden ansässigen Muslimverbänden sei die Hasskriminalität gegenüber muslimischen Bürgern in den letzten Jahren bereits massiv angestiegen.

Deutlicher Rechtsschwenk in der niederländischen Gesellschaft

Auch offene Diskriminierung erlebten muslimischstämmige Bürger in den Niederlanden seit geraumer Zeit, die sich nach der Publikation des offenen Briefs von Premier Rutte nun große Sorgen machen, welche Zukunft ihnen nicht nur in den Niederlanden, sondern vielmehr auf dem europäischen Kontinent generell bestellt sein mag.

Auch unter Immigrationsverbänden wirkte der offene Brief Ruttes wie ein Schock, denn, so der Tenor, werde von einer Person in Position von Mark Rutte nicht erwartet, dass gänzlich offen über eine niederländische Identität schwadroniert und auf diese Weise impliziert werde, dass es Gesellschaftsgruppen in den Niederlanden gäbe, die sich als eine Bedrohung für die Lebensweise der Niederländer erwiesen.

Entwicklungen wie diese zeigen zumindest eines ganz deutlich. Nämlich, dass wachsende Teile der niederländischen Gesellschaft in den letzten Jahren einen bedeutenden Schwenk nach Rechts vollzogen haben, um auf diese Weise Ängsten vor Überfremdung nachhaltig Ausdruck zu verleihen.

Ausblenden des heiklen Themas führt nicht weiter

So sehr sich die Befürchtungen unter Einwanderern auch nachvollziehen lassen, so darf auch nicht länger so getan werden, als ob das Thema Immigration in den meisten europäischen Staaten keine gravierende Rolle spielen würde.

Über dieses Thema nur den Deckmantel des Schweigens bei einer vielerorts als unerträglich erlebten Political Correctness auszubreiten oder so zu tun, als ob dieses Thema non-existent wäre, könnte die herrschende politische Klasse zukünftig nicht nur massiv an Wählerstimmen, sondern letztendlich auch den Verbleib an der Macht kosten.

Der politische Rechtsschwenk setzte in den Niederlanden vergleichsweise schon zu einem recht frühen Zeitpunkt ein. Zu Beginn der 2000er Jahre wuchs die politische Bewegung von Pim Fortuyn, der im Jahr 2002 ermordet wurde. Geert Wilders trat kurz darauf in Fortuyns Fußstapfen, um die Rhetorik gegen muslimische Einwanderer noch zu verschärfen.

Trotz eines politischen Schauprozesses aufgrund einer Anklage der Diskriminierung ließ sich der rasante Aufstieg von Wilders in den jüngsten Wahlumfragen nicht stoppen, Im Gegenteil, manche Kommentatoren sehen in dem jüngst beendeten Gerichtsprozess einen Katalysator, den Wilders auf clevere Weise genutzt hat, um noch mehr Bevölkerungsgruppen im Land zu erreichen.

Der nun durch Premier Rutte verfasste Brief scheint diese Annahme vollauf zu bestätigen. Es erweckt den Eindruck, als wüchse so kurz vor den anstehenden Nationalwahlen die Angst vor einem Machtverlust unter den etablierten Volksparteien. Wie schnell sich eine Nationalwahl tatsächlich in ein Regierungsmandat ummünzen kann, hatte zuletzt die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten gezeigt.

Geert Wilders als niederländischer Premier? Oder eher Neuwahlen?

Dass Wilders nach dem 15. März neuer Premierminister der Niederlande werden könnte, scheint aus heutigen Blickwinkel trotz allem noch immer ein wenig abwegig. Denn Wilders müsste dann als vermeintlich stärkste politische Kraft trotz allem in eine Koalitionsregierung eintreten.

Die noch amtierende Rutte-Partei hatte eine solche Koalition in der Vergangenheit jedoch bis dato kategorisch ausgeschlossen. Auch bei Geert Wilders scheint das Eingehen einer solchen Koalition im Falle eines Wahlsiegs nicht auf fruchtbaren Boden zu fallen. Im politischen Linkslager wird eine Koalition mit Geert Wilders ohnehin mit Vehemenz ausgeschlossen.

Ob auf die etablierten Parteien aus dem konservativen und sozialistischen Lager allerdings am Ende eine Stimmmehrheit entfallen wird, um gemeinsam eine Koalitionsregierung zu bilden, zeichnet sich momentan ebenfalls keineswegs ab. Es könnte also durchaus der Fall sein, dass die Niederländer in der aufgeheizten politischen Stimmung erneut zu den Wahlurnen gebeten werden müssen... 

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