Vor der am Freitagabend durch den russischen Energieriesen Gazprom verlautbarten Ankündigung, die Pipeline Nord Stream 1 aufgrund eines während zuvor durchgeführter Wartungsarbeiten entdeckten „Öllecks an einer Gasturbine“ über einen „undefinierbaren Zeitraum“ stillzulegen, kursierten Meldungen in den deutschen Medien, wonach sich die Füllstände der Gasspeicher im Land über die letzten Wochen in einem schnelleren Tempo erhöht haben als zuvor angenommen.

Selbst, wenn dem so wäre, so stellt sich nun automatisch die Frage, ob die aktuellen Gasspeichermengen nach dem durch Gazprom verkündeten Gaslieferstopp auch tatsächlich ausreichen werden, um über den diesjährigen Winter zu kommen.

Wie nicht anders zu erwarten, haben die Gaspreise nach Wiedereröffnung des Handels am heutigen Morgen erneut Bocksprünge gemacht. Von einem Preissprung um bis zu 35 Prozent war am heutigen Morgen zu lesen.

Es wird wohl noch weitaus schlimmer kommen…

Es wird trotz des in den vergangenen Wochen medial zur Schau gestellten Optimismus in den nächsten Monaten wahrscheinlich noch weitaus schlimmer kommen. Denn wie es in einem in der letzten Woche veröffentlichten Bericht der Nachrichtenagentur Reuters hieß, wird selbst eine komplette Aufstockung der Gasspeicherfüllstande nicht ausreichen, um die allgemeine Energieversorgung in den Ländern der Europäischen Union aufrechtzuerhalten.

In dem Bericht von Reuters wurde unter anderem Bezug auf Berechnungen der Firma Aurora Energy Research genommen. Danach sehen sich die Füllspeicher in der Europäischen Union lediglich dazu in der Lage, Erdgas für einen Zeitraum von bis zu neunzig Tagen bei einem durchschnittlichen Gasverbrauch in den Herbst- und Wintermonaten zur Verfügung zu stellen.

Aus einer separaten Analyse der Firma ICIS geht hervor, dass die europäischen Gasreserven spätestens im März gegen null sinken werden. Aus diesem Grund wird an den Finanzmärkten die politische Forderung nach einer Reduzierung des allgemeinen Gasverbrauchs begrüßt.

Dass es sich angesichts der aktuell beschlossenen Entscheidungen der Politik eigentlich nur noch um eine Mangelverwaltung handelt, scheint dabei nicht mehr großartig ins Gewicht zu fallen. Im Vordergrund dieser Entscheidungen scheint vor allen anderen Belangen nur noch die Hoffnung auf eine wackelige Aufrechterhaltung des Gas- und Stromangebots zu stehen.

Gaseinsparungen wichtiger als Speicherfüllstände

Zum Ausdruck kommt diese Sichtweise anhand von Aussagen des belgischen Think Tanks Bruegel. Dort heißt es wie folgt: „Um mit der enormen Krisensituation umzugehen, wird eine Absenkung des allgemeinen Gasverbrauchs wichtiger sein als die aktuellen Füllstände der europäischen Gasspeicher.“

Weswegen sich die Ampel-Koalition in Deutschland unter Berücksichtigung von solchen Bedingungen noch immer gegen einen Weiterbetrieb der letzten drei zum 31. Dezember vom Netz gehenden Atomkraftwerke zu sträuben, steht allein in den Sternen.

Selbst CDU-Chef Friedrich Merz, dem nun gewiss niemand den Vorwurf machen wird, sich einer Verbreitung von „Verschwörungstheorien“ zu bedienen, warnte am Wochenende vor einem Stromausfall – sprich – in Deutschland in den Wintermonaten, falls die drei bislang noch verbleibenden Atomkraftwerke im Land nicht in einen „Streckbetrieb“ gehen sollten.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass die Berechnungen von ICIS zum aktuellen Zeitpunkt bereits obsolet sind. Denn in deren Studie heißt es, dass die Europäische Union im Frühjahr des nächsten Jahren noch immer über zu einem Grad von 45 Prozent gefüllten Gasspeichern verfügen könnte, falls der allgemeine Verbrauch um fünfzehn Prozent unterhalb des Fünf-Jahres-Durchschnitts gesenkt werden könne.

Doch: Dieser angestellten Berechnung lag die Bedingung zugrunde, dass Russland seine Erdgaslieferungen auf den zuletzt zu beobachtenden Niveaus, heißt zwanzig Prozent in Relation zur Gesamtlieferkapazität der Pipeline Nord Stream 1, halten würde.

Weiter hieß es in der Studie von ICIS, dass die europäischen Gasspeicher noch immer über einen Füllstand von 26 Prozent im nächsten Frühjahr verfügen könnten, falls Russland seine Gaslieferungen ab Oktober komplett einstellen sollte.

Der komplette Gaslieferstopp aus Russland ist nun da!

Eine solche Einstellung der Erdgaslieferungen über einen „undefinierbaren Zeitraum“ wurde allerdings am Freitagabend nun bereits durch Gazprom verkündet. Wie dem auch sei, hinzu gesellte sich die Warnung, dass die europäischen Gasspeicherstände auch im kommenden Jahr aufgrund des Versagens der Europäischen Union, sich ausreichende Gasreserven für den diesjährigen Winter zu sichern, leiden werden.

Heißt in der Übersetzung also, dass sich die jüngsten Warnungen des belgischen Premiers de Croo zu manifestieren beginnen, wonach es der europäische Kontinent in den nächsten fünf bis zehn Wintern mit einer Gas- und Energiekrise zu tun bekommen könnte.

Untermauert wird diese Befürchtung anhand von Aussagen des Oxford Institute of Energy Studies in Großbritannien. In diesen Aussagen hieß es wie folgt: Falls Russland den Fluss von Erdgas komplett unterbinden und die Länder der Europäischen Union ihre Gasspeicherreserve in der anstehenden Heizperiode aufbrauchen wird, drohten die Gasspeicher in der EU bereits im November des nächsten Jahres leer zu sein.

Deutlich wird anhand dieser Berechnungen, Aussagen und Warnungen, dass die Europäische Union dringend alternative Lieferanten im Erdgasbereich benötigt! Doch bis dato haben sich an dieser Front keine wesentlichen Erfolge eingestellt.

Nicht Realitätssinn, sondern pure Überheblichkeit wird an den Tag gelegt

Diese Entwicklung lässt sich leichterdings nachvollziehen. Wenn politisch Verantwortliche des Länderblocks nach Katar, Kanada oder wo auch sonst immer reisen, um dort um eine kurz- bis mittelfristige Belieferung mit Erdgas zu betteln, so liegt es auch an jener an den Tag gelegten Haltung dieser Repräsentanten, dass es Absagen hagelt.

Denn in diesen Gesprächen und „Verhandlungen“ wird die eigene Sichtweise in den Vordergrund gestellt, Erdgas nur als einen Energieträger zu betrachten, dem angesichts der sich eigens verfolgten Hinwendung zu grün-alternativen Energietechnologien nur eine Überbrückungsfunktion zukommen soll.

Dass sich die Kataris dabei vor lauter Lachen auf die Schenkel klopfen, liegt ganz einfach daran, weil diese Nationen aufgrund von immens hohen Investitionen in eine Erschließung und Ausweitung ihrer Gasreserven nur an langfristigen Lieferverträgen Interesse hegen.

Vertreter Deutschlands und der Europäischen Union legen ein Verhalten an den Tag, als ob es im Rest der Welt nicht auch viele andere Länder und Wirtschaftsräume geben würde, die Gas und Öl den jeweiligen Produzenten mit Kusshand abzunehmen bereit sind.

Und nun kommen wir auf die in Europa nach wie vor herrschenden Hoffnungen in Bezug auf eine deutliche Steigerung der Flüssiggaslieferungen aus den Vereinigten Staaten von Amerika zu sprechen.

Explizit erwähnt sei hier nochmals, und wie rückblickend bereits im Jahr 2018 berichtet, dass Flüssiggas aus den USA im Vergleich mit Pipeline-Lieferungen aus Russland laut der großen Energiekonzerne nicht nur sündhaft teuer ist, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Länder aufgrund von steigenden Energiekosten beeinträchtigen würde.

Bidens Energieministerin ruft heimische Raffinerien zu Exportdrosselung auf

Blicken wir jetzt auf aktuell in den Vereinigten Staaten von Amerika geführte Diskussionen rund um dieses Thema, so kann Beobachtern aus europäischer Perspektive eigentlich nur angst und bange werden.

Denn in einem jüngst verfassten Brief der amerikanischen Energieministerin Jennifer Granholm heißt es, dass die großen Raffineriebetriebe in den Vereinigten Staaten davon ablassen sollten, deren Energieexporte an die Europäische Union zu steigern.

Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem die Europäische Union sich durch Washington in eine Frontstellung gegen die Russische Föderation hat versetzen lassen – und die Energienöte der Europäer jedermann auf der Welt offenbar werden – erweckt es den Eindruck, als ob die Amerikaner damit deutlich gemacht haben würden, Brüssel und dem europäischen Kontinent einen dick ausgefahrenen Mittelfinger zu zeigen.

Selbst das Wall Street Journal hat diese Verhaltensweise der Amerikaner im oben verlinkten Bericht als „schickanös“ und „tyrannisch“ bezeichnet. Anstelle die eigenen Energiereserven weiterhin auf historisch hohen Niveaus nach Europa zu verschiffen, so Jennifer Granholm, solle sich der Fokus der heimischen Raffineriebetriebe zukünftig darauf fokussieren, die Energiebestände in den USA zu erhöhen.

Diese Aussagen stammen von einer Ministerin, deren eigene Administration es über die letzten Monate möglich gemacht hat, die strategischen Petroleumreserven der Vereinigten Staaten von Amerika nach deren temporären Freigabe auf ein 40-Jahres-Tief zu senden.

Erinnert sei daran, dass ein Teil dieser strategischen Petroleumreserven in diesem Zuge auch an die Volksrepublik China und andere Nationen exportiert wurde, was in den Vereinigten Staaten nach Bekanntwerden zu einem Aufschrei geführt hatte.

In ihrem Brief gestand Jennifer Granholm offiziell ein, dass sich die Bestände an Destillaten wie Benzin und Diesel in manchen Teilen des eigenen Landes auf historischen Tiefständen befinden.

Europa wird aufgerieben – und trägt selbst dazu bei!

Ob man sich in Europa ob dieser getroffenen Aussagen, die beispielsweise in deutschen Medien noch kaum einen großen Widerhall gefunden haben, wirklich darüber bewusst sein mag, zwischen den Interessen der Großmächte USA, Russland und China aufgerieben zu werden, steht auf einem anderen Blatt.

Wer die aktuellen Entwicklungen aufmerksam verfolgt, könnte auf den Gedanken kommen, als würden Spitzenverantwortliche in der europäischen Politik gar selbst alles dafür tun und geben, um den europäischen Kontinent aufzureiben und in den Bankrott zu treiben.

Zweitens stellt sich automatisch die Frage, wie sich die jetzigen Aussagen der amerikanischen Energieministerin mit einer gemeinsamen verfassten Erklärung des Weißen Hauses und der Europäischen Union in Einklang bringen lässt.

Denn in dieser Erklärung vom 27. Juni 2022 hieß es, GEMEINSAM an Lösungen arbeiten zu wollen, um die Energieabhängigkeit der Europäischen Union von der Russischen Föderation zu senken.

Dass dabei die Absicht einer primär verfolgten Reduzierung der russischen Energieeinnahmen im Vordergrund allen Handelns steht, soll an dieser Stelle nicht unter den Tisch fallen. Unter anderem wurde in der damaligen Erklärung darauf hingewiesen, auf welche Weise dieses Ziel erreicht werden soll.

Erstens mittels einer markanten Reduzierung der Erdgasnachfrage in der Europäischen Union. Zweitens mittels einer amerikanisch-europäischen Zusammenarbeit im Bereich des Ausbaus von energieeffizienten Technologien. Und drittens mittels einer zukünftigen Diversifizierung der Energieimporte.

Urteilen Sie für sich selbst! Die Frage lautet: Wie verhält es sich nun aus aktueller Perspektive mit diesem einstigen Bekenntnis zu Kooperation und Zusammenarbeit?

Sollte die Europäische Union durch die Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada fallen gelassen werden, wonach es nach dem jüngsten Besuch des deutschen Kanzlers Olaf Scholz im Ahornland aussieht, so hat der europäische Kontinent ein wirklich großes Problem!

Erste Massenproteste in der Tschechischen Republik

Wer würde angesichts dieser Entwicklungen nicht die lauter werdenden Rufe nach einer sofortigen Öffnung und Inbetriebnahme der jüngst erst fertiggestellten Pipeline Nord Stream 2 verstehen? Es handelt sich hierbei um die einzig noch verbliebene Logik, um nicht einen völligen Zusammenbruch der Energiemärkte in Europa zu riskieren.

 

Die am Samstag aus der tschechischen Hauptstadt Prag eingehenden Bilder sprechen für sich. Dort ist es am Wochenende zu den größten Protesten und Massendemonstrationen seit dem Jahr 1989 gekommen (es sei, wie oben abgebildet, auf ein Twitter-Posting der örtlichen Polizeibehörde verwiesen).

Die Teilnehmerzahl soll bei zwischen siebzig- und einhunderttausend Protestlern, und somit immerhin bei um (rund) ein Prozent der tschechischen Bevölkerung, gelegen haben. Die Forderungen der Demonstranten lauteten primär wie folgt:

  • Rücktritt des Kabinetts von Premierminister Petr Fiala,

  • Aufhebung der EU-Sanktionen gegen die Russische Föderation,

  • Sofortige Einleitung von Maßnahmen zur Lösung der Energiekrise,

  • Verfolgung der Interessen der tschechischen Bevölkerung anstelle einer Verfolgung der Interessen von Drittstaaten durch die heimische Regierung.

Wer möchte aktuell noch davon ausgehen, dass sich derartige Entwicklungen nicht wie ein Lauffeuer in der gesamten EU ausbreiten werden?

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht von Reuters (HIER) und einen Bericht des Wall Street Journals (HIER).

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Ziehe sich im Herbst und Winter jeder warm an. Oder packt einfach die Koffer, um aus Europa abzuhauen. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Abschließend sei auf ein Video von Michael Mross zu den aktuellen Geschehnissen verwiesen, dem ich wegen seiner logischen Aussagen das letzte Wort überlassen möchte.

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