Vorgestern berichteten wir, dass Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sich öffentlich dazu bekannt haben, Artikel 7 der EU-Verträge aufgrund einer nicht mit EU-Regeln zu vereinbarenden Migrationsquotenablehnung gegen Polen auszulösen.

Gleiches gilt für die aus EU-Sicht schwerwiegenden politischen Eingriffe in und Änderungen am Justizsystem des osteuropäischen Landes. Am Mittwochmorgen kam es dann schließlich zu einer historischen Entwicklung, nachdem die Europäische Kommission die Empfehlung abgab, gegen das Mitgliedsland Polen aufgrund eines „schwerwiegenden Bruchs“ der gemeinsamen Werte und des Justizrechts mittels einer Auslösung von Artikel 7 auszuholen. 

Zerbricht die EU daran?

Diese Entwicklung könnte sich durchaus als Vorbote für eine sich fortsetzende Zersplitterung des Länderblocks erweisen. Bislang nur als Warnung im Raum stehend, könnte Artikel 7 im Falle einer Nichtbefolgung von EU-Regeln nämlich gar selbst zu einer Verhängung von Sanktionen gegen Polen bei gleichzeitiger Suspension von dessen Abstimmungsrechte führen.

Diese bislang ungesehenen Maßnahmen wurden im Angesicht von politischen Spannungen, die sich seit nunmehr zwei Jahren zwischen der EU und Polen hinziehen, ergriffen. Wie es seitens Brüssels heißt, zeige sich der Länderblock ernsthaft besorgt über den in Polen zu beobachtenden Rechtsbruch. 

Tusk: Polen eine „Kraft der Desintegration“

Die justizrechtlichen Änderungen hätten in Polen zu einem Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems von der Politik geführt, wie es zusätzlich hieß. Polen habe durchaus das Recht dazu, Änderungen an seinem Justizsystem vorzunehmen, sollte dies jedoch in einer Weise tun, die das Recht respektiere, so Brüssel.

Der europäische Ratspräsident Donald Tusk, selbst polnischer Staatsbürger, teilte mit, dass Polen momentan als „Kraft der Desintegration“ in der Europäischen Union wahrgenommen werde. Es sei deshalb wichtig, die Selbstzerstörung von Warschaus Ansehen und Image zu beenden.

Laut der europäischen Kommission sei man innerhalb der EU nach zwei Jahren des stetigen Dialogs mit Warschau zu der Ansicht gelangt, dass die in Polen durchgeführten Justizreformen der jeweils herrschenden demokratischen Mehrheit die Kontrolle über das Justizsystem in die Hände spiele. 

Dramatische Eskalation

In Ermangelung einer justizrechtlichen Unabhängigkeit von der Politik stellten sich ernsthafte Fragen im Hinblick auf eine Umsetzung von EU-Recht auf nationalstaatlicher Ebene, so die Brüsseler Kommission.

Eine der bedenklichsten Justizänderungen leite sich aus dem Umstand ab, dass die polnische Regierung dem heimischen Staatspräsidenten größere Vollmachten übertragen habe, mittels derer der Staatspräsident fortan Richter für die Besetzung des Obersten Gerichts ernennen könne.

Es wird sowohl seitens Deutschlands als auch Frankreichs erwartet, der Empfehlung der EU-Kommission im Rahmen einer Abstimmung im kommenden Jahr Folge zu leisten. Es handelt sich hierbei um eine dramatische Eskalation der politischen Spannungen über die Frage von Minimalverpflichtungen eines Mitgliedslandes in Bezug auf eine EU-Mitgliedschaft.

Der Rubikon wurde nun also überschritten. Im Zuge der Bekanntgabe der Entscheidung teilte EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans mit, dass die in Polen regierende Partei der Gerechtigkeit (PiS) in den letzten zwei Jahren insgesamt dreizehn Gesetze verabschiedet habe, die eine Situation geschaffen hätten, in welcher der Staat „systematisch in die demokratischen Kräfteverhältnisse, die staatliche Verwaltung und die Funktionsweise des Justizwesens eingreifen kann“. 

Polens Abstimmungsrechte stehen zur Debatte

Timmermans machte Warschau ebenfalls zum Vorwurf, drei durch die EU-Exekutive erfolgte Warnungen ignoriert zu haben, laut denen die justizrechtlichen Eingriffe das Rechtswesen in Polen unterminierten. Letztendlich sei es einzig und allein das Justiz- und Rechtswesen, das uns gegen nackte politische Macht und Gewalt zu schützen in der Lage sei. Gleichzeitig handele es sich um ein Rechtswesen, das die EU an sich zusammenhielte, so Timmermans.

Timmermans fügte an, dass die durch die EU-Kommission abgegebene Empfehlung zum Auslösen von Artikel 7 schweren Herzens getroffen worden sei. Doch die auf dem Tisch liegenden Fakten hätten keine andere Option oder Alternative zugelassen. Denn im vorliegenden Fall drehten sich die Dinge nicht nur um Polen, sondern die EU als Gesamtheit.

Die Mitgliedsstaaten der EU müssen nun im Zuge einer anstehenden Abstimmung mit einer Zweidrittelmehrheit darüber entscheiden, ob sie der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Auslösung von Artikel 7 gegen Polen ihre Zustimmung erteilen möchten. Falls dem so sein sollte, könnten Polens Abstimmungsrechte suspendiert werden.

Polens Regierung hat drei Monate Zeit, um selbst mit Vorschlägen zum Geraderücken der erfolgten justizrechtlichen Eingriffe in der Heimat seine Ergebenheit zu zeigen. Ob dies geschehen wird, ist keineswegs ausgemachte Sache. Harren wir der weiteren Entwicklung.

Dieser Bericht basiert auf einer zusammenfassenden Darstellung eines Berichtesauf der Seite Zero Hedge zu aktuellen Geschehnissen in der Europäischen Union. 

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