Während zurzeit alle Augen auf den Bau der Pipeline Nord Stream 2 gerichtet sind, erweist es sich kaum als Überraschung, dass der russische Gasriese Gazprom in der vergangenen Woche im Angesicht der geopolitischen Entwicklungen bekannt gab, nach rekordhohen Gasexporten im Jahr 2018 zukünftig gar noch einen höheren Marktanteil in Europa anzustreben.

Europa: steigende Nachfrage bei sinkender Produktion

Grund hierfür ist einerseits ein prognostizierter Anstieg der europäischen Gasnachfrage und andererseits eine sinkende Gasproduktion in Europa. Im abgelaufenen Jahr verkaufte und exportierte Gazprom mehr als 200 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Europa – inklusive der Türkei.

Unter Bezugnahme auf einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters ist der Marktanteil Gazproms in Europa mittlerweile auf mehr als ein Drittel angewachsen. Laut Gazprom sähe sich der Konzern dazu in der Lage, potenzielle Gasproduktionsrückgänge in der Europäischen Union auszugleichen. Dies beträfe vor allem einen Ausstoßrückgang im niederländischen Gasfeld Groningen, einst Europas größtem Erdgasfeld.

Schon seit geraumer Zeit zeichnet sich ab, dass sich die europäische Gasproduktion in der Nordsee über den Verlauf der nächsten Dekade sukzessive verringern wird, wie es am Rande der Europäischen Gaskonferenz in Wien hieß. Inzwischen ist die Lage derart ernst, dass auf politischer Ebene bereits über die Entwicklung von nicht-traditionellen Gasressourcen debattiert wird.

Trotz allem sehen aktuelle Prognosen des Nationalen Energiesicherheitsfonds Russlands einen Rückgang der europäischen Gasproduktion um 43 Prozent im Vergleich mit dem Jahr 2013 vor. Auf eben jene Weise wird die Entwicklung auch bei der in Paris ansässigen Internationalen Energieagentur (IEA) gesehen.

US-Konkurrenz: Russischer Flüssiggassektor im Aufbau

Aktuelle IEA-Prognosen gehen bis zum Jahr 2040 gar von einem Gasproduktionsrückgang in Europa um die Hälfte aus. Diese Entwicklung stellt sich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt ein, da eine Reihe von europäischen Ländern der eigenen Absicht Nachdruck verleiht, sowohl der Atom- als auch der Kohleenergie den Rücken zuzuwenden.

Neben einem starken Ausbau der alternativen Energien – darunter Sonne- und Windenergie – wird also verstärkt auf einen Import von Erd- und Flüssiggas aus dem Ausland gesetzt werden müssen. Die hierfür notwendigen Investitionen sind enorm und lassen sich nicht von heute auf morgen stemmen. Doch nicht nur das. Denn auch die geopolitischen Auseinandersetzungen dürften zunehmen.

Schon zum aktuellen Zeitpunkt werden die europäischen Gasimporte aus Russland insbesondere in den Vereinigten Staaten auf massive Weise kritisiert. Russland ist gerade mit der Entwicklung seines eigenen Flüssiggassektors beschäftigt, was sowohl den USA als auch Katar ein Dorn im Auge ist. Beide Länder möchten ihre Flüssiggasexporte gerne deutlich steigern, sind jedoch im internationalen Vergleich zu teuer.

LNG: Katar sichert sich US-Anteile, China weiter größter Abnehmer

Nichtsdestotrotz nimmt Katar im Hinblick auf Flüssiggasexporte die führende Stellung in der Welt ein, während die USA schon bald auf den dritten Rang vorrücken werden. Eine sich intensivierende Zusammenarbeit beginnt sich zwischen beiden Staaten im Gassektor bereits abzuzeichnen. Denn schon seit geraumer Zeit steigert Katar seine Investitionen in Amerikas Flüssiggasindustrie.

Aus Sicht Katars könnte es sich hierbei um eine Diversifizierung des eigenen Geschäfts handeln, um sich neben Europa und Asien auch Marktanteile in den USA zu sichern. Asien erweist sich mehr als je zuvor als größter Abnehmer von Flüssiggas in der Welt. Immerhin liegt der Anteil der Nachfrage nach Flüssiggas auf dem asiatischen Kontinent bei satten 72 Prozent.

Trotz einer sich abschwächenden Wirtschaft in China soll sich dieser Nachfrageanteil in den nächsten Jahren noch auf 75 Prozent erhöhen. Russland sah sich seit Ende des 2. Weltkriegs in der komfortablen Position, über ein Gasmonopol auf dem europäischen Kontinent zu verfügen.

Naiv? Nord Stream 2 vertieft die Abhängigkeit von Russland

Kritiker bemängeln, dass es Russland auf diese Weise leicht gefallen sei, sich geopolitische Vorteile gegenüber Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – darunter insbesondere Polen sowie Estland, Lettland und Litauen – zu verschaffen. Immer wieder verweisen Kritiker auf die Möglichkeit eines Zudrehens des russischen Gashahns in den Wintermonaten.

Die aus Washington ertönende Kritik scheint Früchte zu tragen, da eine Reihe von EU-Mitgliedsländern einer sich intensivierenden Einfuhr von Flüssiggas aus den USA zukünftig nicht abgeneigt entgegenblickt. Vielleicht wird die deutsche Bundesregierung aus diesem Grund mancherorts auch als „naiv“ bezeichnet.

Beobachter werfen Berlin vor, sich im Angesicht der Pipeline Nord Stream 2 zukünftig noch abhängiger von der Einfuhr russischen Gases zu machen. Im Fall von Nord Stream 2 handelt es sich um eine insgesamt 1.222 Kilometer lange Pipeline, die Gas von russischen Feldern am Boden der Ostsee direkt nach Deutschland transportieren wird.

Im November soll der Betrieb aufgenommen werden

Auf diesem Wege würden bereits existierende Gasversorgungsrouten, die sich über den Landweg durch die Ukraine, Weißrussland und Polen ziehen, umgangen. Die jährliche Gasdurchleitungskapazität von Nord Stream 1 in Höhe von 55 Milliarden Kubikmetern würde sich dadurch verdoppeln.

In den Vereinigten Staaten wird unterdessen darauf gepocht, dass eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 mit erhöhten Sicherheitsrisiken in Europa Hand in Hand gehen würde. In Washington zeigt man sich hierüber vor allem deshalb verärgert, weil die USA einen großen Anteil an der Aufrechterhaltung der europäischen Sicherheit haben.

Wie dem auch sei, am 29. Januar berichtetedie Deutsche Welle unter Bezugnahme auf einen Projektingenieur, dass Nord Stream 2 voraussichtlich im November des laufenden Jahres den Betrieb aufnehmen soll.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts basiert auf einem Originalbericht, der auf der Seite von Oilprice.com veröffentlicht wurde.

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