Es wäre vermessen davon auszugehen, dass die Bank of Japan nicht genau wüsste, welche systemischen Risiken von ihrer eigens verfolgten Geldpolitik ausgehen. Anders als führende Zentralbanken im Rest der Welt hat die Bank of Japan bislang unbeirrt an ihrer ultralockeren Geldpolitik festgehalten.

Kazua Ueda, der neue Vorsitzende der Bank of Japan, hatte im April nach seiner ersten durch ihn geleiteten Zinssitzung erklärt, dass sich Yield Curve Control, und somit eine durch die Bank of Japan erzwungenen Kontrolle über die heimische Zinskurve, fortsetzen wird.

Gibt es überhaupt noch eine andere Alternative? Natürlich, doch aus Sicht des Systems eine sehr unschöne.

Der eine oder andere unter Ihnen wird sich fragen, welche Alternative sich aus Perspektive der Bank of Japan angesichts des dramatischen Staatsschuldenbergs der Tokioter Regierung überhaupt noch anbieten würde?

Würde die Bank of Japan abrupt damit aufhören, permanent frische und durch nichts gedeckte Geldeinheiten auf elektronische Weise zu erzeugen, um selbst als Käufer an den heimischen Staatsanleihemärkten (JGB-Märkte) aktiv zu sein, so würde es wahrscheinlich sofort zu einem massiven Abverkauf an Japans Schuldenmärkten – und dem wahrscheinlichen Ausbruch einer Systemkrise – kommen.

Vor einiger Zeit sah sich die Bank of Japan dazu gezwungen, Konzessionen in Sachen einer sich fortsetzenden Zinskurvenkontrolle zu machen, weil der bis dahin bei 25 Basispunkten eingefrorene Zinssatz im 10-jährigen Bereich diese Schwelle wiederholt überschritten hatte.

Es handelte hierbei sich um ein klares Signal seitens der heimischen Banken und Versicherer gegenüber der Bank of Japan, den bis dahin in Form einer Obergrenze durch die Bank of Japan verteidigten Zinssatz im 10-jährigen Laufzeitbereich nicht länger hinzunehmen.

Und so erfolgte hierauf dann irgendwann die überraschende Ankündigung, den 10-jährigen Zinsen auf Sicht mehr Spielraum zu geben, um eine neue Obergrenze von 50 Basispunkten in diesem Bereich einzuziehen. An den Finanzmärkten wurde diese Entscheidung der Bank of Japan zum damaligen Zeitpunkt wie eine Zinsanhebung interpretiert.

Die japanische Notenbank scheint sich vollauf darüber bewusst zu sein, welche systemischen Risiken von ihrer eigens betriebenen Geldpolitik ausgehen. Denn schon seit Frühjahrsbeginn spannt die Bank of Japan nun schon den heimischen Bankensektor zum Kauf von JGBs ein.

Inflation im Blick

Analysten weisen auf zunehmende Finanzstabilitätsrisiken in Japan hin, weshalb dieser Schritt nahezu unumgänglich gewesen sei. Selbstverständlich kommt die Aufrechterhaltung einer Kontrolle über die japanische Zinskurve nicht ohne einen Preis daher.

Denn inzwischen hat sich der Inflationsausblick in Japan merklich verdüstert. Zum aktuellen Zeitpunkt liegt die Inflation in Japan fast auf einem 40-Jahreshoch. Analysten und Investoren gehen davon aus, dass die japanische Inflation in den nächsten Monaten und Quartalen weiter steigen wird.

Und von einer solchen Entwicklung würden nicht unbeträchtliche Risiken in Bezug auf die Stabilität der internationalen Vermögensmärkte ausgehen.

Um auf die JGB-Märkte zurückzukommen, so erforderte es einen als astronomisch zu bezeichnenden Ankauf von Staatsanleihen, um die Kontrolle über die heimische Zinskurve durch die Bank of Japan aufrechtzuerhalten.

Zinsdifferenzen weiten sich rasant aus

Da die Zinsen in weiten Teilen des Rests der Welt über den Verlauf der letzten eineinhalb Jahre teils signifikant angehoben wurden, erweist sich Japan mittlerweile als weltweit einzig verbliebene Niedrigzinsbastion.

Mittlerweile hält die Bank of Japan einen Anteil von mehr als der Hälfte an allen aktuell ausstehenden JGBs in ihrem Bondportfolio. Erst kürzlich hatte die japanische Notenbank unumwunden zugegeben, dass von dieser Situation zunehmende Finanzstabilitätsrisiken ausgehen könnten.

Japans Geschäftsbanken sollen der BoJ an den JGB-Märkten unter die Arme greifen

Und so hat die Bank of Japan ihre eigene Kreditvergabe an das heimische Bankensystem seit dem Frühjahr ausgeweitet, damit kommerzielle Geschäftsbanken fortan durch eine Zunahme von eigenen JGB-Käufen in die Bresche springen können. Aus der nachfolgenden Grafik von Bloomberg gehen die damit in Verbindung stehenden Veränderungen hervor.

Eine im April gegenüber dem Vorjahresmonat wieder leicht auf 3,5 Prozent angestiegene Inflation mag auf den ersten Blick im Vergleich mit dem Rest der Welt noch moderat erscheinen.

Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich Japan nach seiner Anfang der 1990er Jahre geplatzten Immobilienblase mehr als dreißig Jahre lang in einer hartnäckigen Deflation befand.

Die anhaltende Flutung der JGB-Märkte durch die Bank of Japan – und eine damit in Verbindung stehende Aufrechterhaltung des Monetisierungskarussells an den heimischen Schuldenmärkten – verleiht allen voran den japanischen Aktienmärkten Flügel.

Aktienmärkte profitieren – zumindest nominal

Auch wenn sich der Nikkei Index in den letzten drei Tagen unter Abgabedruck befand, so ging das Barometer gestern mit etwas mehr als 31.600 Punkten aus dem Handel. Hieran zeigt sich, wo ein Großteil des neu durch die Bank of Japan erzeugten Geldes hinfließt.

Sollte die Situation anhalten, so lässt sich keineswegs ausschließen, dass der Nikkei Index seine ehedem ausgebildeten Hochs bei 40.000 Punkten auf nicht inflationsbereinigter Basis wieder erreichen könnte.

Auf realer – und somit inflationsbereinigter – Basis sieht dies selbstverständlich ganz anders aus. Doch wen kümmert es, wenn nach wie vor das Narrativ Verbreitung findet, wonach im Kurs steigende Aktienmärkte eine robuste Wirtschaftsentwicklung widerspiegeln, nicht wahr?

Analysten an den Währungsmärkten befürchten, dass eine mittlerweile auf Dekaden-Hochs liegende Inflation nicht nur weiter steigen, sondern sich in die japanische Wirtschaft einbetten wird.

Aus japanischer Sicht wäre eine solche Entwicklung definitiv ein Grund zur Sorge, wenn der schiere Grad der über die vergangenen zwanzig Jahre erzeugten und teilweise nicht genutzten Liquidität berücksichtigt wird.

Das Bilanzbuch der Bank of Japan ist in Relation zum Bruttoinlandsprodukt des Landes schon jetzt das größte unter allen Zentralbanken weltweit. Es besteht also eine ganze Menge an Spielraum, um die japanische Inflation in nächster Zeit noch bei Weitem stärker zu befeuern.

Ferner befürchten Analysten, dass eine Beendigung der Kontrolle über die Zinskurve durch die Bank of Japan im Anschluss zu einem massiven Rückfluss von im Ausland veranlagten Geldern (Stichwort: Carry Trades) in die Heimat führen wird.

Denn in diesem Fall wäre mit deutlich steigenden Zinsen an den japanischen Bondmärkten zu rechnen. Sollte die heimische Inflation allerdings weiter steigen, würde dieser Rückfluss wohl weit niedriger ausfallen, weil die real in Japan zu generierenden Renditen im internationalen Vergleich noch immer zu niedrig wären.

Japans Yen im Blick

Eine weiter kletternde Inflation würde den auf dem japanischen Yen lastenden Abgabedruck zudem abermals verschärfen. Ein Blick auf den 5-Jahres-Chart der japanischen Währung in Relation zum US-Dollar, welcher der Seite tradingeconomics.com entnommen wurde, lässt darauf schließen, dass dieser Prozess bereits begonnen haben könnte.

Ein angesichts der japanischen Geldpolitik möglich erscheinender Wiederanstieg des Yens auf 150 pro US-Dollar – und darüber hinaus – würde die Importpreise (und hier insbesondere fast in Gänze aus dem Ausland einzuführende Energieprodukte) auf eine bedeutsame Weise ansteigen lassen. Das Resultat: Eine weiter steigende Inflation.

Die Bank of Japan und die heimischen Geschäftsbanken sähen sich hierauf wahrscheinlich dazu gezwungen, ihre Käufe an den heimischen Staatsanleihemärkten auszuweiten. Wie sich erahnen lässt, handelt es sich um einen unaufhaltbar erscheinenden Teufelskreislauf.

Denn die Alternative würde mit einem enormen Abverkauf (Meltdown) an den japanischen Schuldenmärkten und einer damit einhergehenden Systemkrise Hand in Hand gehen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite fxempire.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Es lässt sich davon ausgehen, dass Zentralbanken ihr Monetisierungskarussell an den Bond- und Schuldenmärkten noch so lange weiter betreiben werden, bis es zum Ausbruch einer globalen Währungs- und Staatschuldenkrise kommen wird.

An der Peripherie der globalen Wirtschaft lassen sich solche Entwicklungen, wie zum Beispiel anhand des Libanons oder von Sri Lanka, bereits beobachten. Egal ob deflationär oder hyperinflationär – es weist eigentlich bereits alles darauf hin, dass eine Systemkrise, egal aus welchem Winkel unserer Erde oder von welchem Anlagesegment ausgehend, schneller aufziehen könnte als uns allen lieb sein mag.

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