Die meisten Fed-Beobachter geben sich im Hinblick auf Änderungen in der Sprachakrobatik, der verwendeten Grammatik und der Syntax in den öffentlichen Verlautbarungen des Offenmarktausschusses der Federal Reserve, dessen Mitglieder turnusmäßig über die Zinsen beraten, fasziniert.
Eine trügerische Stille
Im Rahmen des letzten Zinstreffens des Offenmarktausschusses am 26. Juli unternahm die Fed nichts. Auch das alljährliche Sommertreffen der Fed in Jackson Hole, Wyoming brachte Ende August keine neuen Erkenntnisse darüber, in welche Richtung sich die Zinsen bewegen werden.
Das nächste Zinstreffen des Offenmarktausschusses findet erst am 20. September statt. Um es kurz zu machen, befinden wir uns momentan in einer der selten gewordenen Zeitperioden, in denen sich im Hinblick auf die Fed kaum etwas bis überhaupt nichts zu tun scheint.
Wie lässt es sich dann erklären, dass es in der vergangenen Woche zu dem von mir eingangs angesprochenen Moment von enormer Bedeutung und Tragweite gekommen ist? Nun, recht unbeachtet im aktuellen Sommerloch, haben eine Reihe von Fed-Mitgliedern für Schlagzeilen gesorgt.
Die bedeutendste Rede in der Geschichte der Fed: Wir haben keine Ahnung
Am Dienstagmorgen des 5. September hielt Fed-Gouverneurin Lael Brainard eine der bedeutendsten Fed-Reden jemals. Die verklausierte Ausdrucksweise in Fed-Protokollen für Sie in verständliches Englisch übersetzend, gab die Fed in Form von Brainard mehr oder weniger zu, dass man bei der Fed keine Ahnung davon hat, auf welche Weise Mechanismen der Inflation wirken.
Brainard wies darauf hin, dass die Fed ihren geldpolitischen Straffungszyklus in dem Glauben begonnen habe, dass die gute Lage an den amerikanischen Arbeitsmärkten auf das Einsetzen einer sich zeitlich verzögernden Inflation hindeute.
Die Fed hob ihren Leitzins erstmals seit der Finanzkrise im Dezember 2015 an. Darauf folgte die nächste Zinserhöhung erst ein Jahr später im Dezember 2016. Im März und Juni 2017 war es dann abermals so weit. Hauptgrund sei, um einer sich zukünftig entwickelnden Inflation zuvor zu kommen.
Es passiert exakt das Gegenteil von den Prognosen
Anstelle dessen ist das exakte Gegenteil dieser Prognose eingetreten. Das durch die Fed favorisierte Inflationsbarometer sank zwischen Januar und Juli dieses Jahrs von 1,9% auf nur noch 1,4%. Diese Entwicklung stellte sich gar im Angesicht einer anhaltenden Schaffung von neuen Stellen in der US-Wirtschaft sowie einer weiter sinkenden Arbeitslosenquote ein.
Um es mit anderen Worten auszudrücken, so zeigt sich, dass das Verhältnis zwischen „gut laufenden“ Arbeitsmärkten und der Inflationsentwicklung auf das exakte Gegenteil von dem hindeutet, was bei der Fed zuvor prognostiziert worden ist.
Die Fed-Modelle liegen in Ruinen – Folgt etwa eine Leitzinssenkung?
Die Fed-Modelle liegen in Ruinen und weisen keine Treffsicherheit mehr auf. Ich hatte meine Leser seit einiger Zeit wiederholt auf dieses absehbare Ergebnis aufmerksam gemacht. Bei der Fed hat man die Zinsen trotz einer zugrundeliegenden Schwäche in der Wirtschaft angehoben.
Von einem nachhaltigen und sich dauerhaft selbst tragenden Wachstum der amerikanischen Wirtschaft kann weiterhin keine Rede sein. Nicht auszuschließen, dass die Fed schon bald wieder ihren Leitzins senken könnte, um das Abrutschen unseres Landes in eine Rezession zu vereiteln.
1. Signal setzen, dass keine Zinserhöhungen mehr zu erwarten sind
Und auf eben jenen Aspekt machte Brainard in ihrer Rede aufmerksam. Brainard präsentierte ihren Zuhörern ein auf drei Säulen fußendes Heilmittel gegen Disinflation. Zuallererst gehörte dazu der zukünftige Ausblick, um den Marktakteuren zu signalisieren, dass mit weiteren Fed-Zinsanhebungen nicht mehr zu rechnen sei.
Schon allein dabei handelt es sich um eine Form der geldpolitischen Lockerung, da die Markterwartungen bis dahin in eine gänzlich andere Richtung – sprich zu weiter anhaltenden Zinsanhebungen – tendierten.
2. Mit der Macht der Gedanken die Inflation herbei meditieren
Die zweite Säule beruhte auf der Forderung, die Inflationserwartungen an den Finanzmärkten anzukurbeln, indem die Fed fortan öffentliche Mitteilungen zu ihrem Ausblick publizieren sollte.
Diese Herangehensweise wäre vergleichbar mit dem „Denksystem“ von Professor Harold Hill in dem Musical The Music Man. Hill ist ein Hochstapler, der Instrumente an Schulkinder verkauft. Er kann den Kindern das Musikmachen nicht lehren, erzählt ihnen aber, dass sie nur hart genug daran „denken“ müssten, was genug sei, um zum Musizieren in der Lage zu sein.
Brainard sagte, wenn wir alle denken und davon ausgehen, dass es zu einer anziehenden Inflation kommen wird, dann wird diese auch kommen. Die Chancen auf einen Erfolg stehen hingegen ebenso in Frage wie der von den erteilten Ratschläge des Professors Hill, der in der Folge durch einen wutentbrannten Mob fast aus der Stadt geprügelt wurde.
3. Inflation von 3% kein Problem!?!
Die dritte Säule ist die interessanteste. Bei der Fed verfolgt man ein eigens gesetztes Inflationsziel von 2%, wobei dieses Inflationsziel auch gleichzeitig als Obergrenze gesetzt wurde.
Brainard sagte, dass – da dieses eigens gesetzte Inflationsziel von 2% seit nunmehr fünf Jahren nicht erreicht wird – es in Ordnung wäre, die Inflation auf eine Weise anzukurbeln, dass diese irgendwann oberhalb von 2% verordnet sei. Langfristig gesehen würde es dann schließlich ja zu einer Anpassung an historische Durchschnittswerte kommen.
Übersetzt heißt das, dass Brainard mit 3% Inflation zufrieden ist, eine Aussage, die sich auch in jüngsten Aussagen von Chicago-Fed-Präsident Charles Evans widerspiegelt. Eine Inflation von 3% würde den Wert des US-Dollars innerhalb der nächsten 24 Jahre abermals halbieren.
Brainard und Evans sind der Ansicht, dass die Fed den Inflationsgeist wieder in die Flasche zurückbringen könnten – falls notwendig. Doch 3% Inflation könnten auch ganz schnell zu 4% oder 5% werden, wenn sich die allgemeinen Inflationserwartungen an den Finanzmärkten tatsächlich verändern sollten.
Überraschender Rücktritt des Fed-Vize-Präsident Stanley Fischer am folgenden Tag
Darauf folgte am Mittwochmorgen des 6. September die völlig überraschende Bekanntgabe zum nahezu sofortigen Ausscheiden von Fed-Vize-Präsident Stanley Fischer aus dem Board der Fed.
Fischer erklärte, die Gründe für seinen Rücktritt seien persönlicher Natur, was ich tatsächlich auch zu glauben bereit bin. Ich traf Stan des Öfteren in Tagen, in denen ich noch für Long Term Capital Management aktiv gewesen bin.
Doch dieser Rücktritt bedeutet nun auch, dass vier der sieben Fed-Board-Sitze nun vakant sind. Eine Nominierung seitens Trumps (Randy Quarles) befindet sich auf dem Weg, doch auch dann bleiben drei weitere Kandidaten zum Fed-Board zu benennen.
„Trump gehört die Fed“ – Neubennenung von fünf der sieben Fed- Gouverneure
Und hierin enthalten ist noch nicht einmal Janet Yellen, deren Amtszeit als Fed-Chefin Ende Januar des nächsten Jahres ausläuft. Trump fällt also die formidable Aufgabe zu, fünf der sieben Fed-Gouverneure in weniger als einem Jahr, in dem er als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika amtiert, neu zu benennen.
Ich erklärte gegenüber meinen Lesern bereits vor Monaten, dass „die Fed Trump gehört“. In der Realität zeichnet sich diese Vermutung noch schneller und deutlicher ab, als ich es mit je vorzustellen gewagt hatte.
Rückt Kevin Warsh nach, nachdem Gary Cohn aus dem Rennen gekegelt wurde?
Schlussendlich ließ das Weiße Haus am vergangenen Mittwoch des 6. September an Axios durchsickern, dass Gary Cohn, Trumps ökonomischer Chefberater und ehemaliger COO bei Goldman Sachs, ganz plötzlich aus dem Rennen um die Nachfolge von Fed-Chefin Janet Yellen sei.
Auch hierin spiegelt sich eigentlich nur das wider, wovon ich bereits in den letzten Monaten ausgegangen war. Es erweckt den Eindruck, als ob Kevin Warsh der nächste Chef der Fed werden würde. Warsh hatte bereits zuvor im Fed-Board gesessen.
Nach seiner Nominierung durch Präsident George W. Bush war Warsh regionaler Fed-Gouverneur. In dieser Position diente er von 2006 bis zu seinem erklärten Rücktritt zu Beginn des Jahres 2011.
Wachablösung – Pragmatisten statt Ideologen
Diese Personalie wird das Antlitz der Fed nach außen hin komplett verändern. Es handelt sich um eine Wachablösung. Die alte Garde um Yellen und Fischer scheidet aus. Eine enge Vertraute der alten Garde, Lael Brainard, hat öffentlich zugegeben, dass die Modelle der Fed nicht mehr verlässlich sind, und deshalb niemand weiß, was dort eigentlich gemacht wird.
Kevin Warsh und dessen erfolgende Nominierungen werden vor Ende dieses Jahres eine neue Garde bei der Fed Einzug halten lassen. Bei ihnen handelt es sich um Pragmatisten und keine Ideologen wie Yellen.
Raubzug der Regierung gegenüber Sparern wird sich fortsetzen
Brainard hat mit einer Sache recht. Im Fall von Disinflation handelt es sich um ein ernsthaftes Problem im Hinblick auf ein Land, das über eine offizielle Staatsverschuldung von 105% in Relation zu dessen BIP verfügt.
Inflation wird dringend benötigt in den USA, um nicht irgendwann alle Hoffnungen fahren lassen zu müssen, das Verschuldungsproblem im Griff behalten zu können. Es bedeutet, dass sich der Raubzug der Regierung gegenüber Sparern im Angesicht von Negativzinsen fortsetzen wird. Warsh und dessen Pragmatisten sind sich darüber im Klaren.
Rechnen Sie mit sinkenden Realzinsen, langsamer Bilanzschrumpfung und höherer Inflation
Warsh war der Ansicht, dass die Federal Reserve die Zinsen schon vor langer Zeit hätte anheben sollen. Doch mit einem bedenklich stimmenden Ausblick auf Disinflation, die in den aktuellen Erwartungen eine bedeutend größere Rolle spielt als Inflation, heißt ein Pragmatist zu sein, sich nicht weiter auf das Zinsanhebungsspielchen einzulassen, falls es die Bedingungen an den Märkten schlichtweg nicht hergeben.
Rechnen Sie aus diesem Grunde mit sinkenden Realzinsen, einer weitaus langsamer vonstattengehenden Bilanzschrumpfung bei der Fed und einer höheren Inflation als es die aktuellen Markterwartungen einpreisen.
And the winner is….Gold
All diese Dinge werden nicht zum selben Zeitpunkt einsetzen und geschehen, doch in sukzessiven Schritten und Abfolgen – und dies im Lauf des nächsten Jahres. Größer Gewinner dieser Entwicklung wird aus meiner Sicht Gold sein. Es empfiAll diese Dinge werden nicht zum selben Zeitpunkt einsetzen und geschehen, doch in sukzessiven Schritten und Abfolgen – und dies im Lauf des nächsten Jahres. Größer Gewinner dieser Entwicklung wird aus meiner Sicht Gold sein. Es empfiehlt sich, über Goldinvestments nachzudenken. Dies gilt für all jene, die dies nicht schon längst getan haben.
Gastbeitrag für CK*Wirtschaftsfacts / © 2017 The Daily Reckoning, Agora Publishing
James Rickards war im Jahr 1998 federführender Unterhändler des durch die Fed auf dem Höhepunkt der Asienkrise orchestrierten LTCM-Bailouts. Er diente dem Pentagon und der CIA als Berater in Finanzstrategien und ist nicht nur renommierter Buchautor und gern gesehener Fernsehgast, sondern betreibt mit Tangent Capital auch sein eigenes Finanzunternehmen.
Ein besonderer Dank geht an The Daily Reckoning und den Verlag Agora Publishing in Baltimore/USA.
Kommentare
Selbst eine technologische Revolution wie die des Elektro-und selbstfahrenden Autos z.B. wird nicht mehr wie bei früheren anderen technischen Revolutionen zu einem rasanten Anstieg von Arbeitsplätzen und damit Einkommenssteigerungen führen. Die Digitalisierung, Robotertechnik und Automatisation immer weiterer Bereiche des produzierenden Gewerbes und der Dienstleistungsbranche macht den Menschen als Arbeitskraft immer unattraktiver und überflüssiger. Und keine Firma kann es sich im Wettbewerb leisten auf Digitalisierung usw. zu verzichten. Sozial im Sinne der Arbeitnehmer zu wirtschaften bedeutet heute inzwischen fast überall den wirtschaftlichen Untergang.
Nur wo bitte soll denn dann langfristig die flächendeckende Kaufkraft herkommen, die als Einzige in der Lage ist, die Wirtschaft wieder auf einen echten Wachstumspfad zu bringen ?
Es doch ganz simpel:
Wenn sich offensichtlich immer weniger Menschen, immer weniger von den Produkten die in immer kürzerer Zeit auf den Markt geworfen werden leisten können, dann kann das nicht funktionieren.
Also entweder verzichten die AG´s, die Superreichen und Großaktionäre lange, lange Zeit zu Gunsten von weltweit deutlich höheren Löhnen auf Ihre Gewinne und zwar vollständig oder es wird logischerweise im Desaster enden.
Ich tippe auf Desaster !!
Dies kann doch nicht Dummheit sein, die machen das doch mit Absicht.
Ist doch toll wenn man die falschen Modelle hat.
Hierzu sollte man sich vll. einmal mit den Eigenschaften von Modellen beschäftigen.
Diese haben nämlich leider nicht die Eigenschaft, die Realität nicht unbedingt abzubilden, sonst bräuchte man sie schließlich auch nicht.
Bei Modellen werden bewusst Dinge ausgeschlossen und ignoriert. Entweder weil sie schlicht auf Annahmen beruhen, bei denen man es nicht besser weiß, oder weil man ein Ergebnis darstellen möchte, dass mit zu vielen Einflüssen zu kompliziert wäre. Oder man geht davon aus, dass sich etwas nicht so stark auswirkt, dass man es jedes Mal mit berücksichtigen müsste. Alles schöne Fehlerquellen.
Dazu kommt noch, dass man heute ja weiß welches Ergebnis man haben möchte, und die Modelle danach entsprechend aufbaut.
In der Astronomie funktioniert vieles nur deswegen, weil man annimmt, dass es dunkle Materie gibt.
Man weiß es aber nicht. Lange Zeit war auch Antimaterie nur eine Annahme, mit der die entsprechenden Modelle funktioniert haben. Heute weiß man es, hätte sich aber auch irren können.
Dabei ist es doch einfach. Die FED ignoriert vollkommen die Qualität der Arbeitsplätze und dass die offiziellen Zahlen zum Arbeitsmarkt geschönt sind. Nur weil man nicht als arbeitslos zählt, heißt das ja noch lange nicht, dass man über Kaufkraft verfügt.
Die Notenbanken und führenden Ökonomen ignorieren auch vollkommen, dass ein Arbeitsmarkt kein Kartoffelmarkt ist (Flassbeck lässt grüßen). Ebenso, dass wie oben erwähnt, die aktuelle Entwicklung deflationäre Tendenzen beinhaltet und Industrie 4.0 eben keinen Wirschaftswachstumsschub erzeugt, wie die Industrierevolutionen davor. Zu dem Thema kann man sich mal was von Richard David Precht anhören.
Genauso wird vollkommen ignoriert, dass die Geldschwämme an Stellen landet, bei denen mehr Geld nicht zu mehr Nachfrage führt. Und zu guter Letzt, dass die Notenbanken überhaupt keine Mittel haben die Inflation gezielt und kontrolliert zu steuern. Die halten sich nur für sehr wichtig. Hier wären Sie mindestens von Staaten abhängig, die dieses Geld verteilen. Was machen aber die Staaten aufgrund von immensen Schulden? Sparen! Und zwar an den wiederum falschen Stellen. Anstatt teure Subventionen in tote Industriezweige aufzugeben (darum kann sich ja die FED mit Anleihekäufen kümmern, haha) wird in Grundversorgung, Bildung, Sozialem und Umverteilung gespart.
Wie soll das nochmal zu höherer Nachfrage führen?
Gut zusammengefasst... genau an dem Punkt stehe ich auch...