Wie soll der Schuldendienst bei steigenden Bondzinsen bedient werden? US-Fiskalpolitik wandelt auf nie zuvor betretenen Pfaden

Hauptgrund ist die Erwartung an weiter steigende Bondzinsen, wodurch sich die Bedienung der ausstehenden Schulden in den USA massiv verteuern würde. „Die Bundesfiskalpolitik betritt in den USA absolutes Neuland“, wie Goldman in einem jüngst veröffentlichten Bericht warnte.

In der Vergangenheit habe der US-Kongress in Phasen der ökonomischen Erholung bei stark anziehenden Verschuldungsniveaus mittels Steueranhebungen sowie Ausgabereduzierungen auf eine solche Entwicklung geantwortet.

Dieses Mal sei, so Goldman, jedoch genau das Gegenteil der Fall gewesen. Weil die durchschnittliche Verfallszeit der ausstehenden Schuldpapiere in den USA bei rund sechs Jahren liegt, werden steigende Zinsen erst mit einer zeitlichen Verzögerung dafür sorgen, die durch das US-Finanzministerium zu zahlenden Regierungsbondzinsen über die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts zu befördern.

Laut Schätzungen werden Zinsen in Relation zum BIP das Niveau der 80er Jahre erreichen

Schätzungen Goldmans sehen vor, dass die offizielle US-Staatsverschuldung in Relation zum BIP ab diesem Zeitpunkt deutlich zu klettern beginnen wird. Aktuell liegt dieses Verhältnis bei knapp 77%.

Sollten die aktuell verfolgten Fiskalstrategien in den USA beibehalten werden, so sehen die Goldman-Schätzungen einen Anstieg der amerikanischen Nettozinskosten in Relation zum BIP Werte vor, die jene in den 1980iger Jahren erreichten Niveaus überschreiten werden.

Spätestens im Jahr 2027 soll es so weit sein, sofern sich an dem momentan eingeschlagenen Pfad nichts ändern sollte. Gleichzeitig wird die Staatsverschuldung in Relation zum BIP zu diesem Zeitpunkt bei über 100% angekommen sein.

Ein deflationärer Schock bleibt abzuwarten

Laut Goldman Sachs drohe den Vereinigten Staaten auf diese Weise „ein Abdriften in die schlimmste Fiskalkrise seit den 1940iger Jahren.“ Die größte Gefahr scheint sich anhand der Wahrscheinlichkeit abzuleiten, dass sich die Fiskalposition der USA selbst im Fall von harten Budgetkürzungen aufgrund der steigenden Zinskosten weiter zu verschlechtern droht.

Beste Beispiele seien neben Belgien auch Italien und Japan, wo sich die Schuldenkennziffern in den 1970iger, 1980iger und 1990iger Jahren selbst im Angesicht von steigenden Zinsen noch deutlich verschlechterten. Ob es in den USA letztendlich zu einem deflationären Schock kommen wird, bleibt abzuwarten.

Revidierte Prognose: 10-jährige US-Bonds steigen auf 3,25%

Alles begann zu Jahresbeginn, als Goldman davor warnte, dass sich die Schuldenemissionen in den Vereinigten Staaten im laufenden Jahr von $488 Milliarden in 2017 auf $1,03 Billionen mehr als verdoppeln werden.

Darauf folgte dann vor Kurzem eine Aufwärtsrevision im Hinblick auf Goldmans Zinsentwicklungsprognosen. Aufgrund von revidierten Wachstums- und Inflationserwartungen liegen die Schätzungen zur Zinsentwicklung nun in nahezu allen Bereichen um rund 20 Basispunkte höher als zuvor.

So wird bei Goldman nun damit gerechnet, dass der Zins auf 10-jährige US-Staatsanleihen auf 3,25% klettern wird. Im Fall von deutschen Bonds gleicher Laufzeit soll die Schwelle von 1% genommen werden. 10-jährige britische Gilts würden in diesem Fall 2,0% sehen, während Japans 10-jährige einen Anstieg von 10% erleben würden.

Skeptischer Blick auf Anleihe- und Aktienmärkte

Goldman blickt mit wachsender Skepsis auf die US-Staatsanleihemärkte, an denen die Kurse sinken, wenn die Zinsen klettern. Doch auch bezüglich Aktien gibt sich die Bank mittlerweile vorsichtig, nachdem Goldmans renommierte Aktienstrategin Abby Joseph Cohen selbst vor der Gefahr eines beginnenden Bärenmarktes gewarnt hatte.

Tatsache sei, dass die Fiskalpolitik in den USA nie zuvor eingeschlagene Pfade beschreite, nachdem der US-Kongress zuletzt zwei Mal in den vergangenen beiden Monaten darüber abgestimmt hatte, das staatliche Budgetdefizit zu expandieren. Beide Male wurde im Rahmen dieser Abstimmungen die Entscheidung getroffen, das staatliche Budgetdefizit auszuweiten, obwohl das staatliche Verschuldungsniveau bereits äußerst grenzwertig ist.

Wenn es so weitergeht, stehen bald Nachhaltigkeits- und Systemfragen im Raum

Goldman warnt gar davor, dass steigende Zinsen und die damit verbundenen Nettozinskosten zur Bedienung des amerikanischen Schuldenbergs zu einer ökonomischen Katastrophe führen werden, wenn die aktuellen Ausgabepläne der Regierung nicht entsprechend überarbeitet und gesenkt werden.

O-Ton Goldman: „Der kontinuierliche Anstieg des öffentlichen Verschuldungsniveaus in den USA wird über kurz oder lang Nachhaltigkeits- und Systemfragen auf den Tisch bringen, falls ein Gegensteuern ausbleiben sollte.

Dieser Entwicklung dürfte insbesondere im Angesicht der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Federal Reserve ihre Bilanz unbekümmert weiter schrumpft, womit der wichtigste Player im Staatsfinanz-Monetisierungs-Zirkus ausfällt – was zumindest solange gilt, solange nichts anderes verkündet wird.

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