Die 18 größten Banken der Welt haben sich nach monatelangen Verhandlungen unter Federführung des Internationalen Derivateverbandes (ISDA) auf neue Regularien im Hinblick auf eine potenzielle Abwicklung eines bankrotten Kreditgebers geeinigt. Danach werden gehaltene Derivatepositionen wie Credit-default Swaps im Fall der Pleite eines Konkurrenten zukünftig abgeschrieben. Da Forderungen aus so genannten Absicherungsderivaten gegen möglicherweise eintretende Konkurse ab Beginn des nächsten Jahres im Ernstfall nicht mehr ausgezahlt werden, stellt sich die Frage, warum diese Instrumente durch Aufsichtsbehörden nicht endlich komplett verboten werden?!

Die gänzlich intransparenten Derivatemärkte, die internationalen Aufsichtsbehörden und Experten schon seit vielen Jahren Kopfzerbrechen bereiten, scheinen vor einer Neuordnung zu stehen. Vielerorts wurde in den vergangenen Jahren kritisiert, dass die meisten dieser zu einer Absicherung gegen Bankrotte von Wettbewerbern dienenden Produkte größtenteils im Graumarktbereich und im so genannten Over-the-counter Geschäft zwischen den Beteiligten gehandelt werden.

Am rund $700 Billionen schweren Derivatemarkt sind nahezu alle großen Akteure an den Finanzmärkten beteiligt. Angefangen bei Versicherern und Banken über Vermögensverwalter wie Black Rock bis hin zu Hedgefonds wird auf globaler Ebene ein Rad durch die Akteure gedreht, das gänzlich unüberschaubar ist und kaum zu beziffernde Risiken in sich birgt.

Im Jahr 2008 trat dies im Zuge der Insolvenz von Lehman Brothers mehr als deutlich zutage. Nicht nur, dass der amerikanische Versicherer AIG plötzlich vor einem Zusammenbruch stand, nachdem sich herausstellte, dass der Konzern einen großen Teil der durch Drittparteien gehaltenen Derivateabsicherungen gegen einen Bankrott von Lehman Brothers emittiert und verkauft hatte.

Auch die Bankentürme in Europa begangen zu wackeln. Was folgte, war ein niemals zuvor in der Geschichte gesehener Bailout des europäischen Bankensystems durch die Federal Reserve. Lange Zeit sträubte man sich bei der Fed, die in Europa sitzenden Profiteure dieses Bailouts namentlich zu benennen.

Erst eine Klage seitens Bloomberg News durch alle gerichtlichen Instanzen hatte auf Basis des Informationsfreiheitsrechts schlussendlich Erfolg, um die Verantwortlichen der Fed zur Herausgabe der entsprechenden Dokumente zu zwingen (ich berichtete). Wie sich spätestens zum damaligen Zeitpunkt herausstellte, erwies sich die einstige Aussage von Warren Buffett, nach der die Massenvernichtungswaffen nicht im Irak, sondern in den Portfolien der Banken lagerten, als richtig.

Zum Ende dieser Woche haben sich die 18 größten Banken der Welt also nun untereinander darauf verständigt, die Regularien zum globalen Handel mit Derivaten zu ändern. Ziel ist es, die Situation zu vereinfachen, falls es in der Zukunft abermals zu einem Bankrott einer „Too-big-to-fail” Bank nach Art von Lehman Brothers kommen sollte.

Wie Quellen unter Bezugnahme auf die Financial Times berichten, soll es unter den größten 18 Banken und Kreditgebern der Welt zu einer Übereinkunft gekommen sein, nach der diese Institute ihr Ausübungsrecht im Derivatehandel im Falle eines möglicherweise kollabierenden Konkurrenten ad acta legen würden. Die potenziell entstehenden Verluste sollen von den Derivatehaltern fortan selbst getragen werden.

Die Gespräche über eine Neuordnung des internationalen Derivatehandels hielten seit mehreren Monaten an, an denen auch Aufsichtsbehörden und die Repräsentanten von großen Kapitalverwaltern wie Black Rock beteiligt waren. Die Gespräche und Treffen wurden stets unter dem Dach des Internationalen Derivateverbandes ISDA abgehalten.
 
Insbesondere die Behörden in den USA drängten große Kreditgeber zuletzt mit Vehemenz dazu, einen Plan auszuarbeiten, der im Krisenfall vorsehen würde, Abstand von einer Liquidierung der eigens gehaltenen Derivatekontrakte zu nehmen. Vom Internationalen Derivateverband ISDA wird nun erwartet, das eigene Protokoll und die Regeln zum Handel mit Derivaten wie Credit-default Swaps in den nächsten Tagen entsprechend anzupassen.

Mit Beginn des Jahres 2015 sollen diese angepassten Regeln dann zum Einsatz kommen. Die Hoffnungen unter den Finanzaufsichtsbehörden basieren darauf, dass der Derivatemarkt im Falle einer neuerlichen Insolvenz einer Großbank nicht mehr derart außer Rand und Bank geraten wird, wie dies im Jahr 2008 im Angesicht der Lehman-Pleite der Fall gewesen ist.

Vielmehr unterliegt der nun beschlossenen Regeländerung der Versuch, den Kernbereich eines möglicherweise kollabierenden Kreditgebers zu erhalten. Während die Aktionäre in diesem Zuge alles verlieren und einem Haircut anheim fallen würden, bliebe zumindest der operative Bereich der Bank erhalten. Pläne sehen vor, diesen Kernbereich im Zuge eines Insolvenzverfahrens zukünftig entweder zu rekapitalisieren oder an Konkurrenten zu verkaufen.

Woher das für eine Rekapitalisierung benötigte Kapital im Ernstfall stammen soll, wurde bislang von offizieller Seite nicht erwähnt. Wie schon vor Kurzem in meinem Bericht <link kategorie wirtschaftsfacts beitrag krugmans-entlarvte-geschichten-aus-maerchen-und-feenland-spieglein-spieglein-an-der-wand>Krugmans entlarvte Geschichten aus Märchen- und Feenland: Spieglein, Spieglein an der Wand... ausgeführt, hat die im Jahr 2010 durch Präsident Barack Obama unterzeichnete Finanzmarktreform nach Dodd/Frank ein Hintertürchen offen gelassen, um sich zugunsten solcher Operationen abermals den Mitteln der amerikanischen Steuerzahler zu bedienen.

Industriebeobachter erklärten unisono, dass die mit dem Derivategeschäft verbundenen Risiken und die Absorbierung von daraus entstehenden Verlusten nach der nun erfolgten Einigung durch den Finanzsektor zukünftig selbst getragen werden müssten. Gleichzeitig werde es finanziell insolventen Großbanken auf diese Weise ermöglicht, zumindest mit dem Kernbereich weiterhin im Geschäft zu bleiben.

Ein großer Anteil der weltweit gehandelten Derivate würden laut Beobachtern durch die nun unter den Großbanken getroffene Vereinbarung abgedeckt. Allerdings gibt es immer noch immense Lücken, wenn es um den Versuch einer Stabilisierung der Finanzmärkte in einem neuerlich Krisenfall geht. Laut der Vereinbarung stehen große Vermögensverwalter wie Black Rock & Co. weiterhin außen vor. Sie sind nicht Bestandteil der jetzt getroffenen Regelung.

Gleiches gilt auch für Tausende von Hedgefonds, deren Managements die nun getroffene Vereinbarung und durch die ISDA vorgesehene Protokolländerung mehrheitlich ablehnen. Viele Hedgefondsmanager verweisen in diesem Kontext auf ihre Pflichten als Treuhänder ihrer Kunden, nach denen man nicht auf potenzielle Erlöse aus Finanzwetten gegen einen Zusammenbruch eines Kreditgebers verzichten könne.

Da die Änderung der Regularien auf einer freiwilligen Vereinbarung unter den Großbanken basiert, wird sie zudem auch lautstark kritisiert. Experten hätten es lieber gesehen, wenn der Staat finanzielle Anreize gesetzt hätte, um auch die teils stark unregulierten Bereiche der Finanzmärkte, zu denen unter anderem Hedgefonds gehören, mit in die neue Struktur einzubinden und auf die neuen Regeln einzuschwören.

 

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