Sowohl China als auch Russland treten auf der Weltkarte wieder in Erscheinung, was den geopolitischen Spielraum der USA einengt. „Warum auch nicht?“, wie mich ein chinesischer Diskussionspartner zuletzt bei einem Aufenthalt in der österreichischen Hauptstadt Wien fragte.

G7 zeigte nicht nur die Grenzen des transatlantischen Bündnisses auf…

Darin ließe sich doch nichts Nachteiliges ausmachen, da sowohl das eigene Land wie auch Russland in der Welt dringend gebraucht würden, um das globale Mächteverhältnis endlich wieder auszubalancieren, wie mein Gesprächspartner aus Peking anmerkte. Wie dem auch sei, die historischen Veränderungen, denen unsere Welt ins Auge blickt, wurden im Angesicht des jüngsten G7-Gipfels überaus deutlich.

Denn wenn der G7-Gipfel eine Erkenntnis gebracht haben mag, dann gewiss jene, dass auch der transatlantischen Kooperation und Zusammenarbeit Grenzen gesetzt sind. Zum selben Zeitpunkt verdeutlichte die SCO-Konferenz, mit welcher Geschwindigkeit die Integration des Eurasischen Kontinents voranschreitet.

…auch die Relevanz schwindet zusehends

Inwiefern Störfeuer der Amerikaner, die sich gegen eine solche Integration richten, über einzelne Stellvertreter in der Region auch zukünftig angefacht werden können, wird sich in den kommenden Jahren – und im Angesicht der Seidenstraßen-Initiative Chinas – zeigen müssen.

Rückblickend lässt sich der am vorvergangenen Wochenende in Kanada abgehaltene G7-Gipfel als bislang ungesehenes Aufeinanderprallen von auseinander strebenden Interessen der Gipfelteilnehmer interpretieren. Vordergründig geht es um Differenzen und weit auseinander liegende Positionen in Handels- und Zollfragen.

Doch es fällt schwer, im Angesicht der aktuellen Ereignisse nicht auch ein gewisses Grundrauschen im Hinblick auf eine Verschiebung von geopolitischen Interessen und Positionen zu vernehmen. Dass die G7-Staaten nicht mehr mit einer Stimme sprechen, weist darauf hin, dass sich diese Veranstaltung auf dem Weg in die Irrelevanz befindet.

Konferenz der Shanghai Cooperation Organisation zeigt ein anderes Bild

Nachdem der kanadische Premierminister Trudeau die Handelspolitik der Trump-Regierung in den USA scharf kritisiert hatte, weigerte sich Donald Trump gar, den finalen Entwurf der gemeinsamen G7-Abschlusserklärung zu unterzeichnen. Der US-Präsident machte deutlich, wie wenig ihn die Interessen seiner traditionellen Verbündeten kümmern, diese Tatsache mittels einer verfrühten Gipfelabreise unterstreichend.

Wer sein Augenmerk auf Kontraste in Sachen Geopolitik wirft, sieht die Unterschiede zwischen dem jüngst abgehaltenen G7-Gipfel und der Konferenz der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) in China ziemlich deutlich in Erscheinung treten. Erstmals nahmen an einer SCO-Konferenz übrigens auch Indien und Pakistan als Neumitglieder teil.

Die unipolare Welt blickt ihrem Ende entgegen

Sowohl in China als auch in Russland sind sich die Staatsführungen der äußerst fragilen Lage im Mittleren Osten bewusst. Ein um den Iran ausbrechender Konflikt hätte nicht nur das Zeug dazu, die gesamte Region, sondern die ganze Welt ins Chaos zu stürzen. Dass sich der Iran auf politische und wirtschaftliche Rückendeckung aus Russland und China wird verlassen können, dürfte außer Frage stehen.

Aufhorchen ließ die Tatsache, dass sich nicht einmal die Europäische Union amerikanischen Sanktionen gegen den Iran zu beugen gedenkt – und nun sogar über eine Abwicklung des bilateralen Erdölhandels mit Teheran auf Euro-Basis nachdenkt. Auch in Sachen Zollpolitik zeichnet sich zwischen den USA und der Europäischen Union ein Auseinanderdriften bzw.  die gegenseitige Verhängung von Sanktionierungsmaßnahmen ab.  

Den transatlantischen Beziehungen werden diese Entwicklungen unter aller Voraussicht alles andere als gut tun. Gleichzeitig schweben die kürzlich verhängten US-Sanktionen gegen das Pipeline-Projekt Nordstream 2 wie ein Damoklesschwert über der transatlantischen Zusammenarbeit.

Es kristallisiert sich heraus, dass die unipolare Weltordnung unter Führung der Vereinigten Staaten nicht mehr länger existiert. Vielmehr beginnen sich die Konturen einer multipolaren Weltordnung, die im Schatten der jüngsten SCO-Konferenz in China sichtbar wurden, mehr und mehr heraus zu bilden.

Washington hat die Situation forciert

Die isolationistische Politik in Washington hat hieran großen – wenn nicht den größten – Anteil. Ergebnis dieser Politik ist, dass bislang bestehende Differenzen zwischen Nationen in Asien, dem Mittleren Osten und Teilen Europas beigelegt werden, um ein internationales Gegengewicht zu bilden.

Europa bietet sich im Angesicht der „America First“ Doktrin die Chance, Partnerschaften über die EU und die NATO hinaus zu manifestieren. Gleichzeitig muss sich Europa darüber gewahr sein, innenpolitischen Herausforderungen ins Auge zu blicken, die – wie im Falle des Brexit – oder der aktuellen Lage in Italien, das Zeug dazu haben, die EU und die europäische Währungsunion zu sprengen. 

Das Emporkommen so genannter „populistischer Kräfte“ auf dem europäischen Kontinent wurzelt gewiss auch am Festhalten und dem Bekenntnis zur neoliberalen Ideologie durch das traditionelle politische Establishment. Folge ist, dass sich die politische Landschaft in Europa am Verändern ist.

Umso stärker diese Veränderungen auf dem alten Kontinent zu Tage treten, desto markanter fällt der sich entwickelnde transatlantische Bruch ins Gewicht. In Russland und China wird momentan sehr genau beobachtet, inwiefern dieser sich auftuende Graben in der Zukunft dazu beitragen könnte, die Beziehungen zwischen den EU-Staaten, Russland und China zu kitten beziehungsweise zu verbessern.

Trump scheint diese Entwicklungen gar noch zu forcieren, den Europäern den Eindruck vermittelnd, dass es unnütz für sie sei, Diener und Pudel Washingtons zu bleiben und auf ein wohlwollendes Entgegenkommen Amerikas zu warten. Der Westen scheint vor historischen Veränderungen zu stehen – nämlich entweder ganz schnell wieder zusammen zu finden oder sich in Bruchstücke und Einzelteile aufzulösen.

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