Ignacio Galan, der Vorstandsvorsitzende des spanischen Energiekonzerns Iberdrola, warnte gegenüber der Financial Times vor einem finanziellen Desaster, auf den der Sektor der erneuerbaren Energien global zusteuere. Wenn diese Entwicklung einmal einsetze, so Galan, werde sich der einstige Kollaps des amerikanischen Energieriesen Enron dagegen wie ein Kindergeburtstag ausnehmen.

Das bevorstehende Ende des durch Zentralbanken zur Verfügung gestellten billigen Geldes werde vor allem äußerst schädliche Auswirkungen im Bereich neuer Akteure an den globalen Energiemärkten zur Folge haben. Ich brauche Sie in diesem Zusammenhang gewiss nicht abermals auf den gefährlich hohen Verschuldungsgrad unter vielen dieser „neuen“ Akteuren aufmerksam zu machen.

Der Entwicklung an den Junkbond- und Ramschanleihemärkten sowie Zentralbanken wie der EZB sei Dank, haben sich viele dieser Akteure in den vergangenen Jahren im Windschatten der QE- und Anleihekaufprogramme der Notenbanken sowie deren Null- und Negativzinspolitik an den Junkbondmärkten verschuldet, um Fuß in einer Branche zu fassen, die sich nach wie vor als weitläufig von politischen Versprechungen und Zusagen abhängig erweist.

Im globalen Sektor der alternativen oder grünen Energien tummelten sich heutzutage viele Akteure, die nicht aus der traditionellen Energieindustrie stammten, so Galan. Dementsprechend mangele es den meisten dieser Akteure an grundlegenden Erfahrungen im Hinblick auf den Verlauf von Geschäftszyklen.

Es seien jedoch insbesondere viele dieser neuen Akteure, die überaus optimistisch und auf eine viel zu aggressive Weise Angebote für Kontrakte zum Bau von alternativen Energieträgern abgegeben hätten, wie Galan weiter ausführte. In der Branche habe in den letzten Jahren das Mantra vorgeherrscht, dass es sich um ein „El Dorado“ zum Geldverdienen handele. Galan führte weiter wie folgt aus:

Weil Geld derart billig ist, tummeln sich in der Branche der alternativen Energien heutzutage viele Leute, die nicht über das notwendige Geschäftstalent verfügen, und die sich im Windschatten der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken auf ein viel zu hohes Maß an Fremdfinanzierung gestützt haben. Im Angesicht von in den nächsten Jahren steigenden Zinsen wird es in absehbarer Zeit zu einer Bereinigung im gesamten Sektors kommen.

Nun ja, auf wie viele andere Branchen in der Welt treffen diese Ansichten des Iberdrola-Chefs wohl ebenfalls zu? Wie in der Vergangenheit anhand von handfesten Beispielen ausgeführt, ist der Grad der Kapitalfehlallokationen aufgrund der Null- und Negativzinsen kaum mehr zu toppen.

Galan fügte an, dass das, was rückblickend im Fall des amerikanischen Energieriesen Enron passiert sei, schon in absehbarer Zeit erneut geschehen könnte. Enron erwies sich vor dem Untergang des Konzerns als völlig überladen mit Fremdfinanzierungen und entsprechend gehebelt.  Gleichzeitig bewies das Enron-Management wenig Fortune oder Talent im operativen Bereich der eigenen Energiemarktaktivitäten oder dem Energiehandel.

Ende vom Lied war, dass der Konzern im Jahr 2001 zusammenbrach und weltweit große Schäden unter Aktionären und Bondhaltern anrichtete. Galan pochte gegenüber der FT darauf, nicht falsch interpretiert werden zu wollen. Er wolle den vielen neuen Akteuren im globalen Energiesektor keine Bilanzfälschungen oder sonstigen Dinge dieser Art vorwerfen, die einst mit zum Fall von Enron beigetragen hatten.

Heutzutage tummelt sich im Bereich der alternativen Energien eine ganze Reihe von Unternehmen, die seitens Private-Equity-Firmen und Infrastrukturfonds finanziert würden, so Galan. Vielmehr ginge es darum, davor zu warnen, dass in den vergangenen Jahren eine zu große Anzahl von erfahrungslosen Akteuren aufgrund des billigen Geldes der Notenbanken in diesen Sektor eingetreten sei. Viele dieser Akteure verstünden ihr Geschäft allerdings nicht.

Die Warnungen Galans passen sich nahtlos in weitläufigere Befürchtungen unter Analysten ein, die mit potenziellen Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten im Zuge einer Rückführung der im Angesicht der globalen Finanzkrise im Jahr 2009 verabschiedeten QE-Programme der Zentralbanken rechnen.

Laut Galan hielten Banken ihren Kunden stets einen Regenschirm hin, wenn es nicht regne. Doch wenn es zu nieseln beginne, seien Banken schnell bei der Sache, diesen Regenschirm zurückzufordern. Die über einen viel zu langen Zeitraum viel zu lockere Geldpolitik der Notenbanken habe sich als einer der Hauptfaktoren hinsichtlich der Preisinflation bei schnell steigende Kosten im Sektor der erneuerbaren Energien erwiesen, so Galan.

Steigen die Zinsen, werde es Marktakteuren, die nicht dem traditionellen Energiesektor entstammten, auf recht schnelle Weise dämmern, als wie schwierig es sich plötzlich gestalte, neue Projekte an Land zu ziehen. Iberdrola selbst fällt es als einem dieser traditionellen Energieakteure zurzeit immer schwerer, sich im Wettbewerb zu behaupten.

Immerhin gelang es Iberdrola im Angesicht der vielen neuen Akteure im Sektor der erneuerbaren Energien nicht einmal, sich im Rahmen einer jüngst abgehaltenen 3-Gigawatt-Windauktion in der spanischen Heimat einen Kontrakt zu sichern.

Galan scheint diese Entwicklung allerdings nicht sonderlich anzufechten. Vielmehr blickt er optimistisch in die Zukunft, darauf hinweisend, dass steigende Zinsen und die damit einher gehende Bereinigung im Energiesektor sich hervorragend auf die Geschäftsentwicklung von Iberdrola auswirken werden.

Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Generierung von zukünftigen Kontrakten im Sektor der alternativen Energien nach einer erfolgten Marktbereinigung. Dass vor allem hoch verschuldete Marktakteure, die sich ihren Markteintritt einst über eine Emission von Bonds an den Junkbond- und Ramschanleihemärkten finanzierten, im sich ändernden Umfeld wie die Fliegen umzugehen drohen, wird unter einer Mehrheit von Beobachtern und Analysten nicht bestritten, sondern vielmehr erwartet.

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