Die Reserve Bank of India befindet sich nach drei Zinssenkungen seit Beginn dieses Jahres auf dünnem Eis. Die drastisch abwertende Rupie beschert der politischen Führung große Probleme, da stetig steigende Importpreise die heimische Inflation ankurbeln. Hinzu gesellen sich ein rekordhohes Leistungsbilanzdefizit sowie eine deutlich abschwächende Wirtschaftsleistung. Kritiker bemängeln die Verschwendungssucht des Kongresses und eine Regierung, die mit Ressourcen nicht verantwortlich umzugehen wisse.

Wie Brasilien und andere BRICS-Länder sieht sich auch Indien seit geraumer Zeit mit wachsenden Problemen konfrontiert. Die Amtszeit der Regierung von Premierminister Manmohan Singh endet im Frühjahr 2014, doch immer mehr Beobachter spekulieren bereits, ob es nicht zu vorzeitig angesetzten Wahlen kommen wird. Dies liegt insbesondere an der Tatsache, dass die Budgetpolitik der Regierung vollumfänglich gescheitert ist. Dazu gesellt sich ein ökonomischer Abschwung, den die wenigsten Experten in dieser Intensität jemals erwartet hätten.

 

Kritiker beklagen seit Jahren, dass Indiens Kongress höchst verschwenderisch und unverantwortlich mit den vereinnahmten Steuergeldern umgeht. Nun, wenn man berücksichtigt, dass sich das staatliche Haushaltsdefizit vom Fiskaljahr 2007/2008 bis zum Fiskaljahr 2011/2012 von 2,5% auf 5,7% ausgeweitet hat, würde man wohl dazu tendieren, den Kritikern Recht zu geben. Anfang Mai senkte die Reserve Bank of India (RBI) ihren Leitzins zum dritten Mal um 25 Basispunkte in diesem Jahr. Auch in Indien scheint den politischen Akteuren kaum mehr etwas anderes einzufallen, als den Versuch zu unternehmen, den ökonomischen Abschwung durch das Einpumpen billigen Geldes ins heimische Finanzsystem ins Gegenteil zu verkehren.   

 

Doch nicht nur die ökonomische Performance gab den Ausschlag zu der erneuten Senkung des Leitzinses auf 7,25%. Vielmehr sah sich die RBI dazu veranlasst, einen beständigen Rückgang der Inflation im Sektor der Großhandelspreise als Warnzeichen zu interpretieren. Doch die RBI befindet sich auf dünnem Eis, da die Verbraucherpreisinflation sich auch weiterhin auf einem höheren Niveau als vertretbar befindet. Dazu gesellt sich ein Leistungsbilanzdefizit auf einem der höchsten Niveaus in der Historie des Landes. Laut RBI sei der Spielraum für weitere Leitzinssenkungen aus diesem Grund äußerst begrenzt.

 

Weder der Einkaufsmanagerindex noch die aktuellen Wachstumsraten auf Quartalsbasis geben Anlass zu großem Optimismus. Vielmehr schwächt sich Indiens Wirtschaft in einer Intensität ab, wie es sich viele Experten noch vor Kurzem nicht hätten vorstellen können. 

 

Im Juli wurde die Wachstumsprognose für das laufende Jahr abermals auf 5,6% nach unten revidiert, nachdem man im Juni noch von einer Wachstumsrate in Höhe von 6% ausging. Für ein Land wie Indien ist das viel zu wenig, um für die Schaffung von ausreichend neuen Arbeitsplätzen zu sorgen. Im Gegenteil könnte eine wachsende Anzahl von Unternehmen bestrebt sein, die eigenen Margen im Zuge von Kostenreduktionen und Mitarbeiterentlassungen aufrecht zu erhalten. Größtes Problem – neben dem horrenden Leistungsbilanzdefizit – ist der drastische Verfall der indischen Rupie.

 

Da ausländische Investoren im Angesicht der Wirtschaftsabschwächung verstärkt Kapital aus Indien abziehen, gehört die Rupie bereits seit zwei Jahren zu einer der am schlechtesten performenden Papierwährungen der Welt. Der starke Verfall des Außenwerts der Rupie gegenüber dem USD hat einen stetigen Anstieg der Importpreise zur Folge, wodurch die heimische Inflation zusätzlich angekurbelt wird. Nachdem die Regierung die Goldimportsteuer auf nunmehr 8% erhöht hat und immer mehr Finanzfirmen aus dem Nichtbankensektor keine Goldkredite mehr akzeptieren, konnte das Leistungsbilanzdefizit in Q1 auf 3,8% des BIPs verringert werden.

Ein Blick auf das indische Leistungsbilanzdefizit und die Inflationsentwicklung.

 

Immerhin erreichte das Leistungsbilanzdefizit im selben Quartal des Vorjahres noch 6,7% des BIPs. Trotz allem geben sich Analysten nicht sonderlich optimistisch. Es sei zwar eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr feststellbar, was jedoch nichts an der Tatsache ändere, dass die Leistungsbilanz trotz aller eingeleiteten Maßnahmen immer noch weit im roten Bereich verharre. Hinzu kommt, dass sich die ökonomischen Aktivitäten in 2012/13 deutlich abschwächten. Diese Entwicklung ist nicht nur einer rückläufigen Nachfrage in der Welt geschuldet, sondern vielmehr einigen Faktoren an der Heimatfront.

 

Dazu gehören Kapazitätsbeschränkungen, eine deutlich rückläufige Stimmung unter Unternehmen und Verbrauchern sowie eine ausgedehnte Dürreperiode im Süden und Westen des Landes. Schätzungen sehen vor, dass sich das private Konsumwachstum, das für mehr als die Hälfte des nominalen BIPs verantwortlich zeichnet, im Fiskaljahr 2012/2013 auf 4,1% verlangsamt hat. Würden sich diese Schätzungen bewahrheiten, wäre es das langsamste Wachstum seit dem Fiskaljahr 2004/2005. Man hätte annehmen können, dass die Regierung durch erhöhte Staatsausgaben gegen diesen Trend steuern würde. Doch weit gefehlt, denn auch im Staatssektor sollen sich die Ausgaben von 8,5% im Fiskaljahr 2011/2012 auf nur noch 4,1% im aktuellen Fiskaljahr verringert haben.

 

Letztendlich wäre diese Entwicklung folgerichtig, da die Regierung alles daran setzt, ihre eklatante Leistungsbilanzlücke zu schließen. Um auf die Inflationsentwicklung zurückzukommen, hat sich die Preisinflation im Großhandelssektor im Monat April mit 4,9% auf ein 41-Monats-Tief abgeschwächt. Die Verbraucherpreise ermäßigten sich im April auf 9,4% von 10,4% im Vorjahr. Trotz allem rechnet man bei der RBI nicht damit, dass das Inflationsgespenst gebannt ist. Unberechenbare Lebensmittelpreise und Zweitrundeneffekte könnten in den nächsten Monaten wieder zu einem Anziehen der Inflation führen, wie es hieß.

 

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