In den Vereinigten Staaten zeichnet sich ein Trend ab, der den Offenmarktausschuss der Federal Reserve Bank hellhörig machen sollte. Unter Bezugnahme auf die Publikation der neuesten Umfrage der Federal Reserve Bank of New York zu den Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der heimischen Verbraucherpreisinflation zeigt sich, dass amerikanische Verbraucher mittlerweile dazu bereit sind, höhere Preise zu bezahlen, weil in der Zukunft mit noch höheren Preisen gerechnet wird.
In einem solchen Umfeld lassen sich Preiserhöhungen im Unternehmenssektor auf eine recht einfache Weise durchsetzen. Obwohl Unternehmen neben ihren Preisen vielerorts auch ihre offerierten Löhne und Gehälter aufgrund eines anhaltenden Arbeitskräftemangels (vor allem in den blau regierten Bundesstaaten) angehoben haben, halten höhere Löhne und Gehälter nicht mit den erfolgten Preisanstiegen im Produkt- und Dienstleistungsbereich mit.
In den Vereinigten Staaten droht also die berühmt berüchtigte Inflationsspirale, in deren Zuge höhere Preise in der Folgezeit noch höhere Preise bedingen. Es verwundert angesichts dieser Entwicklungen kaum, dass die Inflationserwartungen unter den amerikanischen Verbrauchern unter Bezugnahme auf die jüngste Publikation des Survey of Consumer Expectations durch die New York Fed förmlich durch die Decke schießen.
So zeigt sich, dass die Befragten von einem Inflationsanstieg in den USA auf 4,8 Prozent bis Juni 2022 – somit also von heute bis zum Frühsommer nächsten Jahres – ausgehen. Hierbei handelt es sich um den höchsten Anstieg der amerikanischen Inflationserwartungen seit Juni 2013.
Dabei lassen sich mit Blick auf verschiedene Altersklassen bemerkenswerte Unterschiede feststellen. So zeigt sich, dass die Befragten im Alter unterhalb von vierzig Jahren innerhalb der nächsten zwölf Monate von einem allgemeinen Inflationsanstieg auf einen moderateren Wert in Höhe von 3,8 Prozent ausgehen.
In der Gruppe der vierzig- bis sechzigjährigen sieht dies schon ganz anders aus, da deren Erwartungen von einem Anstieg der heimischen Inflation bis zum nächsten Jahr auf einen durchschnittlichen Wert von 4,7 Prozent ausgehen. Noch ganz anders sieht die Einschätzung der Befragten im Alter von über sechzig Jahren aus.
Diese Altersgruppe kann sich noch gut an die in den 1970- und 1980iger Jahren gemachten Erfahrungen erinnern, was zum Ergebnis hat, dass die über Sechzigjährigen mit einem Inflationsanstieg auf 5,7 Prozent in den nächsten zwölf Monaten rechnen.
Die gestern durch die New York Fed veröffentlichten Umfragedaten decken sich größtenteils mit den jüngst durch die Universität von Michigan publizierten Daten zum allgemein erwarteten Inflationsanstieg unter den amerikanischen Verbrauchern, die ebenfalls einen deutlichen Sprung nach oben gemacht haben – und zwar auf 4,6 Prozent.
Es empfiehlt sich, einen genaueren Blick auf einzelne Produktkategorien zu werfen, die aus der Umfrage der Federal Reserve Bank of New York hervorgehen. So gehen die befragten Verbraucher innerhalb der nächsten zwölf Monate von Preisanstiegen in Höhe von weiteren +6,2 Prozent im Immobilienbereich, +9,7 Prozent im Mietsektor, +7,1 Prozent im Getränke- und Lebensmittelbereich, +9,2 Prozent im Benzin- und Tankstellensektor, +9,4 Prozent im Gesundheitsbereich sowie +7,0 Prozent im Bildungssektor aus.
Sollten sich die erwarteten Preisanstiege in den oben aufgeführten Bereichen tatsächlich auf diese Art und Weise bewahrheiten, so ließe sich bis zum Juni nächsten Jahres mit einer noch höheren Verbraucherpreisinflation in den USA rechnen, da die oben erwähnten Bereiche den mit weitem Abstand größten Ausgabeposten aus Sicht der meisten Privathaushalte in den USA darstellen.
Was den Mitgliedern der Federal Reserve Bank, die wie Fed-Chef Jerome Powell nach wie vor nur von einer „temporären Entwicklung“ ausgehen, Sorgen bereiten sollte, leitet sich anhand des Umstands ab, dass die befragten Verbraucher im selben Zeitraum nur mit Lohn- und Gehaltsanstiegen von durchschnittlich 2,6 Prozent rechnen.
Wenn die Inflation parallel jedoch einen Sprung auf 4,8 Prozent - was, wie oben ausgeführt, noch eine konservative Schätzung sein könnte - machen sollte, so dürfte sich abzeichnen, unter welch finanziellen Druck viele amerikanische Durchschnittshaushalte im Verlauf der nächsten zwölf Monate geraten werden.
Diese Vermutung wird anhand eines Blicks auf die nachfolgende Grafik, in welcher die einjährigen Inflationserwartungen (rote Linie) zu den erwarteten Anstiegen von Löhnen und Gehältern (grüne Linie) unter den befragten Verbrauchern in Relation gesetzt werden, untermauert.
Trotz dieser Entwicklung bleibt es aus aktueller Sicht bei den weitläufig gehypten Aussagen der Federal Reserve Bank und der US-Regierung, die in den meisten Gazetten des Landes und unter sogenannten „Experten“ ein Echo finden.
Danach handele es sich lediglich um ein „temporäres“ und „vorübergehendes“ Phänomen, was sich jedoch nicht mit den jüngsten Veröffentlichungen zu den Inflationsdaten in den Vereinigten Staaten deckt.
Mancherorts wird vor einer aktuell bereits deutlich höheren Inflation gemahnt, die durch eine Verzerrung der offiziell ausgewiesenen Verbraucherpreisinflation – und somit auf Basis von statistischen Taschenspielertricks – kaschiert werde.
Wie dem auch sei, unter Umständen ließen sich die Dinge aus Perspektive der Federal Reserve Bank betrachten, wenn die „unnatürlichen Faktoren“, welche für die aktuellen Preisanstiege mit verantwortlich zeichnen, abebben würden.
Doch nach wie vor stellt sich an den globalen Transportmärkten keine „Normalität“ ein, ganz im Gegenteil klettern die Containerfrachtpreise für die Seerouten Asien-USA und Asien-Europa unaufhaltsam weiter.
Die Welt blickt weiterhin auf teilweise angeschlagene Lieferketten und dadurch mitverursachte Produktknappheit, die nicht nur im globalen Halbleiter- und Chipsektor offen zutage tritt.
Zuletzt hatte ich über die Entwicklung an den amerikanischen Mietmärkten berichtet, welche sich zu den Faktoren hinzurechnen lässt, die nicht für ein „vorübergehendes Phänomen“ sprechen.
Gewiss, ein disinflationärer oder gar deflationärer Trend könnte uns ganz schnell wieder haben, gesetzt den Fall, dass es zu einem Crash an den Finanzmärkten sowie einer Zunahme der Unternehmensinsolvenzen käme.
Doch solange die Federal Reserve Bank auch weiterhin das Gaspedal der elektronischen Gelderzeugung durchdrückt und die US-Regierung ein Konjunkturstimulierungspaket (aka Bailout) nach dem anderen vom Stapel lässt, muss eher damit gerechnet werden, dass sich der aktuelle Inflationstrend verstetigen wird.
Vielleicht haben einzelne Mitglieder des Offenmarktausschusses der Federal Reserve Bank auch längst erkannt, den Entwicklungen unter Umständen hinterherzuhecheln und sich „hinter der Kurve“ zu befinden. Warum sonst sollten sich die Diskussionen über früher als erwartete Zinsanhebungen in den USA und eine womögliche Drosselung der eigenen Bondankäufe im Board der Fed intensivieren?
Andere große Zentralbanken, wie die Bank of Japan, haben damit begonnen, die eigenen Bondankäufe zu drosseln. In Japan begann dieser Prozess vor einigen Monaten, was in der Tat zu einer Reduzierung der durch die Bank of Japan gehaltenen Vermögenswerte in Höhe von umgerechnet etwa 70 Milliarden US-Dollar (und somit in einem bislang nur relativ überschaubaren Ausmaß) geführt hat.
Darüber hinaus hat eine ganze Reihe von Zentralbanken angekündigt, ihre jeweiligen Leitzinsen anheben zu wollen. Angemerkt sei, dass es beispielsweise in Brasilien, Mexiko, der Russischen Föderation und der Türkei bereits zu teils deutlichen Zinserhöhungen durch die jeweiligen Zentralbanken gekommen ist.
Der Grund? Die allgemeine Furcht vor einer möglicherweise aus dem Ruder laufenden und nur noch schwer kontrollierbaren Inflation. Auch die australische Zentralbank hat unlängst angekündigt, die eigenen Bondankäufe reduzieren zu wollen. In diesem Zuge sollen die wöchentlichen Bondankäufe der RBA um bis zu vier Milliarden australische Dollar gedrosselt werden.
Auch die Bank of Canada verkündete im Oktober letzten Jahres erstmals eine Reduzierung der eigenen Ankäufe von Bonds und Staatsanleihen – und zwar von fünf auf vier Milliarden kanadische Dollar. Darüber hinaus wurde vermeldet, einen Ankauf von mit Hypotheken besicherten Anleihen (MBS-Papiere) komplett zu beenden.
Im März dieses Jahres folgte die Ankündigung, eine Reihe von Liquiditätsfazilitäten komplett abzuwickeln und zu schließen. Der Grund? Laut Bank of Canada leiteten sich andernfalls auf Basis eines möglicherweise ausufernden Moral Hazard nicht mehr zu überschauende Risiken und Gefahren aus Perspektive der Finanzmärkte und der breiten Wirtschaft ab.
Gemeint waren hiermit wahrscheinlich vor allem die nationalen Häusermärkte des Ahorn-Landes, die angesichts der massiven und nie zuvor gesehenen Liquiditätsprogramme der Bank of Canada abermals preislich abgehoben waren.
Im April folgte dann die Meldung seitens der Bank of Canada, die Ankäufe von heimischen Staatsanleihen auf einen Betrag von drei Milliarden kanadischen Dollar reduzieren zu wollen. Ganz explizit wies die Bank of Canada darauf hin, dass diese Maßnahme unumgänglich sei, weil andernfalls ein ausuferndes Spekulationsverhalten unter Finanzmarktakteuren und an den heimischen Immobilienmärkten drohe.
Anhand dieser Worte lässt sich darauf schließen, auf welche Weise sich Zentralbanken über ihre Rolle bewusst und im Klaren sind. Das Aufpumpen von Finanzmarktblasen hat in der Historie stets zu einem Platzen dieser Blasen geführt, was auch aus heutiger Sicht nicht anders sein wird.
Sobald es zu einer solchen Entwicklung kommen sollte, droht auch die Restglaubwürdigkeit der Zentralbanken beerdigt zu werden, was dazu führen würde, dass Finanzmarktakteure ab diesem Zeitpunkt auf sich allein gestellt Entscheidungen – und somit ohne die Versicherung des sogenannten Fed-Puts – treffen und aktiv werden müssten - und entsprechend zum Handeln gezwungen wären.
Wie dem auch sei, auch die Bank of England (BoE) hatte im Mai angekündigt, die eigenen Bondankäufe von 4,4 Milliarden auf 3,4 Milliarden Pfund Sterling pro Woche zu drosseln. Trotz allem wies die BoE im Anschluss verbalkommunikativ darauf hin, die Drosselung der eigenen Bondankäufe nicht als allgemeine Rückführung des QE-Programms zu interpretieren.
Warum nicht, wenn es doch genau das ist?! Unter Bezugnahme auf die damaligen Worte von BoE-Gouverneur Bailey habe sich an dem durch die BoE anvisierten Jahreskaufbetrag in Höhe von knapp 900 Milliarden Pfund Sterling nichts geändert. Entschlossen habe man sich lediglich zu einer Reduzierung der wöchentlichen Ankäufe.
Auch aus diesen Worten schimmert die Furcht, dass nur schon kleinste Ankündigungen in Bezug auf eine Rückführung von QE zu größeren Kapitalmarktverwerfungen führen könnten. Diese Verwerfungen werden irgendwann kommen, so sicher wie das Amen in der Kirche, da sich solche Entscheidungen nicht ewig aufschieben lassen.
Dies zeigt sich unter anderem anhand der Entwicklungen in der Türkei, wo der Leitzins aufgrund einer in die Höhe schießenden Inflation mittlerweile bei 19 Prozent liegt. Auch die brasilianische Notenbank sah sich aufgrund einer galoppierenden Inflation dazu gezwungen, den eigenen Leitzins wieder auf 4,25 Prozent anzuheben.
In der Russischen Föderation hat die Zentralbank aus demselben Grund den eigenen Leitzins inzwischen wieder auf 5,5 Prozent angehoben. Laut eigener Aussage wird es mit Blick auf die nächsten Monate für wahrscheinlich gehalten, dass der russische Leitzins weiter klettern wird.
Während der Leitzins in Mexiko inzwischen ebenfalls wieder bei 4,25 Prozent liegt, hat die schwedische Riksbank angekündigt, das eigene QE-Programm bis Jahresende beenden zu wollen. All diese Entwicklungen fanden jüngst im Bericht
Immer mehr Schwellenländer sehen sich zu Zinserhöhungen gezwungen
Erörterung.„Was heißt das für mich konkret!?“
In den Vereinigten Staaten ist die Inflation zuletzt auf den höchsten Stand seit den frühen 1980iger Jahren geklettert, was bislang keinen Beitrag dazu leistete, die Mitglieder des Fed-Offenmarktausschusses zur Vernunft kommen zu lassen, um Änderungen hinsichtlich des eigens verfolgten Geld-Regimes zu beschließen.
Die Amerikaner und Amerikanerinnen werden dieses „Drücken vor wichtigen Entscheidungen“ durch einen wahrscheinlich weitaus tieferen Griff in deren Portemonnaies in Supermärkten, an Tankstellen und wo sonst auch immer bezahlen müssen.
Und Finanzmarktteilnehmer werden zur Kasse gebeten, indem die durch die Federal Reserve Bank verfolgte Geldpolitik die Finanzmärkte per se immer instabiler macht, was irgendwann zu einem Kollaps des Kartenhauses führen wird. Längst handelt es sich aus Sicht der Finanz- und Kapitalmärkte nicht mehr um Investmentmärkte, sondern reine Spekulationsmärkte. Im Casino gewinnt und verliert, wer auf rot oder schwarz setzt.
Dass es so weit aus Sicht der weltweit führenden Börsen gekommen ist, stimmt bedenklich, und entweiht darüber hinaus den Gedanken, weshalb Börsen einst einmal gegründet worden sind.
Kommentare
Also es handelt sich aktuell um bewußt durchgeführte Maßnahmen, die nicht verwundern sollten
In einem Ihrer Artikel haben Sie mal gesagt: "Es ist gut, von allem genug zu haben." Genau so sehe ich das auch .... und handel danach.
Beste Grüße!