Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wie eine Staatsregierung wie jene Italiens ihr finanzielles, wirtschaftliches und politisches Schicksal voll und ganz von erhofften Zusagen seitens der Europäischen Zentralbank und den Partnerländern in der EU abhängig machen kann? Nein?

Vielleicht sollten Sie dies einmal tun. Gehen wir auf jene leidigen Diskussionen später ein, um uns darüber gewahr zu werden, dass der drittgrößte Wirtschaftsraum innerhalb der EU nun gerade noch eine Stufe oberhalb von Junkstatus notiert. Denn bei Fitch scheint man kein Einsehen mit dem aus Rom alltäglich ertönenden Geheule und Gejammere zu haben.

Kreditbonität auf BBB- herabgestuft – Wirtschaftseinbruch um 8 Prozent für 2020 erwartet

Und so gab Fitch bekannt, Italiens Kreditbonität von ‘BBB’ auf ‘BBB-’ herabgestuft zu haben. In dieser Maßnahme spiegeln sich die wachsenden Zweifel unter vielen Marktakteuren, die sich um die Kreditwürdigkeit Italiens schon vor dem Ausbruch der Coronavirus-Krise besorgt gezeigt hatten.

Gewiss, Italien blickt, wie viele andere Länder auf der Welt auch, auf einen Scherbenhaufen, was mit finanziellen, wirtschaftlichen und sozialpolitischen Schmerzen einhergeht. Neueste Daten von den Fahrzeugmärkten zeigen beispielsweise, dass die Autoverkäufe in Italien im Monat April um 98 Prozent (!) eingebrochen sind.

Bei Fitch macht man sich mittlerweile große Sorgen um die Fiskalstabilität Italiens, zudem davon ausgehend, dass die Stiefel-Wirtschaft im Gesamtjahr 2020 um 8 Prozent einbrechen wird. Laut Schätzungen der deutschen Bundesregierung soll die prognostizierte Schrumpfung des BIPs in Deutschland 6,3 Prozent erreichen.

Bei Fitch hieß es, dass die Risiken unter Bezugnahme auf das eigene Grundannahmeszenario im Fall Italiens auf einen möglicherweise noch schärferen Rückgang hindeuteten. Denn unter Bezugnahme auf dieses Szenario würde die Ausbreitung des Coronavirus im zweiten Halbjahr eingedämmt und unter Kontrolle gebracht werden.

Zweite Infektionswelle dürfte zu weiterem Rückgang der Wirtschaftsleistung führen

Sollte es, so Fitch, zum Ausbruch einer zweiten Infektionswelle und einer Wiedereinführung von Abriegelungsmaßnahmen kommen, würde die italienische Wirtschaft im laufenden wie auch im nächsten Jahr noch stärker schrumpfen.

Man muss sich das vorstellen, berücksichtigend, dass Italien schon zu jenen Zeiten der globalen Finanzkrise und der sich darauf anschließenden Euro-Krise jeweils vor dem Umkippen stand. Nun sehen die Fitch-Prognosen einen Anstieg der Staatsverschuldung Italiens um weit mehr als 20 Prozentpunkte auf 156 Prozent in Relation zum BIP bis Ende 2020 vor!

Laut Fitch rücke die Nicht-Nachhaltigkeit der italienischen Verschuldungssituation nun mehr und mehr in den Fokus. Wir schlussfolgern, dass die Staatsschuldenkrise samt des Risikos eines Ausbruchs einer neuen Euro-Krise in der Eurozone vielleicht schon im Sommer zu einer veritablen Gefahr avancieren könnte. Fitch warnt vorbehaltlich schon einmal davor, dass man aufgrund der rapiden Verschlechterung der Kreditwürdigkeit Italiens nicht mehr länger bis zur nächsten anstehenden Überprüfung der Kreditbonität mit einer Herabstufung habe warten wollen.

Aus dieser Aussage geht eine ganze Menge hervor. Wir erinnern uns, dass die italienische Wirtschaft bereits vor dem Ausbruch der Covid-19-Krise am finanziellen und wirtschaftlichen Krückstock gelaufen ist, und sich in eine enorme Abhängigkeit von anhaltenden Bondkäufen durch die EZB begeben hatte. Diese Regierung in Rom ist doch in keiner Weise mehr dazu in der Lage, die Geschicke des eigenen Landes zu bestimmen.

BIP-Wachstum 2019 nur 0,3 Prozent – EZB weiterhin unter Druck

Im Gesamtjahr 2019 lag Italiens reales BIP-Wachstum bei gerade einmal 0,3 Prozent, womit die italienische Wirtschaft über den Verlauf der vergangenen beiden Jahren bereits stagnierte – und jetzt das! Letztendlich bedeutet das nichts anderes, als dass die EZB noch stärker das Gaspedal wird durchdrücken müssen, um Italiens Bondzinsen im Angesicht einer weiter stark zunehmenden Verschuldung auf einem erträglichen Niveau zu halten.

Fitch warnt davor, dass weitere Herabstufungen der italienischen Bonität drohen könnten, falls das Land jetzt keine glaubwürdigen und tragfähigen Strategien zu einer Ankurbelung des Wirtschaftswachstums bei strikter Fiskalkontrolle verabschieden wird. Also aus meiner Sicht schließt das eine das andere aus. Italien steckt in einer Schuldenfalle, weshalb in Rom auch dermaßen Krach geschlagen wird, um endlich Euro-Bonds durch die Hintertür einzuführen.

Italien mit höchster Zahl an Todesfällen

Italien blickt auf dem europäischen Kontinent zudem auf die höchste Anzahl von Todesfällen, die bislang durch die Covid-19-Krise verursacht worden sind. Die offiziell bekannt gegebene Anzahl der Todesfälle beläuft sich danach,laut Stand von gestern, auf landesweit 27.359. Es könnte allerdings nur die halbe Wahrheit sein, da sich die Stimmen mehren, die von einer weit höheren Anzahl der Todesfälle im Land ausgehen.

Es verwundert aus diesem Blickwinkel kaum, dass die politische Zersplitterung in Italien seit Beginn der Covid-19-Krise neue Höhen erreicht hat. Einerseits gibt die Covid-19- Krise dem politischen Establishment in Rom ausreichend Munition an die Hand, um einen Verbleib des Landes in der EU in Frage zu stellen.

Einmal abgesehen von den vielen Entschuldigungen, die seitens von EU-Kommissionschefin von der Leyen an die Ohren der Italiener dringen, sind Zusagen zu finanzieller Unterstützung durch Brüssel bislang eher Mangelware geblieben. Vielmehr ist der alte Konflikt um eine Einführung von Euro-Bonds nun zwischen den Nord- und Südländern offen ausgebrochen.

Eurobonds noch nicht vom Tisch

Wann, wenn nicht jetzt, hätten sich die in „Corona-Bonds“ umzutaufenden Euro-Bonds denn jemals besser hätten einführen lassen?! Wie dem auch sei, im Norden Europas scheint man eine solche Entwicklung kategorisch auszuschließen. Allen voran die Niederlande, Österreich und Deutschland stemmen sich gegen solche Zusagen. Wir erinnern uns in diesem Zuge bitte auch an die ehemalige Aussage von Angela Merkel, dass es „Euro-Bonds nur über meine Leiche geben wird“.

Nun gut, bislang ist die deutsche Kanzlerin nicht umgekippt, was die Anzahl der toxischen Debatten in Italien inzwischen auf die Spitze getrieben hat. Es handele sich um eine Debatte, die von der sich darbietenden Realität weit entfernt sei, wie Risikoberater Wolfango Piccoli zuletzt gegenüber CNBC erklärte.

Doch laut Piccoli habe sich diese Debatte aus Sicht von Premierminister Conte wie auch der politischen Opposition als hilfreich erwiesen, weil die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in Italien auf diese Weise von dem famosen Missmanagement der heimischen Gesundheitskrise auf andere Themen abgelenkt worden sei.

Darüber hinaus gebe es laut Piccoi keinerlei Anzeichen für irgendeine Art von Strategie auf ökonomischem Gebiet – und wie man die brachliegende Wirtschaft Italiens aus diesem Loch wieder hinauszufördern gedenkt. Anstelle dessen zentrierten sich die Debatten in Italien fast nur noch auf das Thema, was die EU für vor dem Abgrund stehende Länder wie Italien tun werde.

16 Milliarden Euro Soforthilfe – Noch kein Fiskal- und Stimulierungspaket

Italiens Regierung hat einen Ausgabeplan von 16 Milliarden Euro für Soforthilfen zugunsten der angeschlagenen Wirtschaft verabschiedet. Die Verabschiedung eines massiven Fiskal- und Stimulierungspakets ist aufgrund der massiv hohen Staatsverschuldung ausgeblieben. Vor wenigen Tagen einigten sich die Finanzminister der Euro-Länder auf die Verabschiedung eines gemeinsamen Fiskalpakets in einem Umfang von 240 Milliarden Euro.

Darin enthalten ist eine Kreditlinie des permanenten Krisenfonds ESM. Italien könnte sich also jederzeit Geld seitens des ESM leihen, um dieses Geld zu einem geringen Zinssatz zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft einzusetzen. Obwohl die EZB tagtäglich rund 6 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen ankauft, hatten sich die Zinsdifferenzen im Vergleich mit Deutschland zuletzt ausgeweitet.

Die Regierung in Rom muss ins Kalkül ziehen, dass sich die Anti-EU-Parteien vehement gegen eine Annahme von Krediten seitens des ESM durch Italien sperren. Warum? Weil kritisiert wird, dass eine Annahme dieser Kredite mit einer Aufgabe der Souveränität des Landes einhergehen würde. Darüber hinaus werde es zu jenem Zeitpunkt, zu dem sich die Krise unter Kontrolle befinde, zu massiven Austeritätsmaßnahmen in Italien kommen.

Anti-EU-Partei stellen in Zweifel, ob die italienische Gesellschaft eine solche Zerreißprobe überleben kann und würde. Premierminister Conte bleibt also nichts anderes, als einen Kredit seitens des ESM zu akzeptieren, was die Kritik an der Regierung in Rom in der Heimat auf die Spitze treiben würde, oder einen solchen Kredit auszuschlagen, was wiederum die Anti-EU-Stimmung im Angesicht einer zunehmenden Anzahl von Italienern, die eine zukünftige Mitgliedschaft in der EU ablehnen, anheizen würde.

Eine jüngst angestellte Umfrage Beratungsfirma Tecnè hatte zum Ergebnis, dass 42% der befragten Italiener die EU verlassen möchten. Im November 2018 lag dieser gemessene Wert bei 26%. Aus einer weiteren Umfrage von Politico ging hervor, dass das politische Lager der Anti-Immigrations-Parteien in Italien einen regen Zulauf hat. Ferner dürfen Anti-EU-Parteien danach mit deutlich wachsenden Ergebnissen im Zuge der nächsten Wahlen rechnen.

Aktuell ist die rechtslastige Lega von Matteo Salvini populärste Partei in Italien, gefolgt von der Demokratischen Partei. Doch es lässt sich nicht verkennen, dass auch die Unterstützung zugunsten der Rechtsaußen-Partei „Brothers of Italy“ nach nur kurzer Zeit ihrer Gründung schon fast so populär ist wie die Regierungspartei 5 Sterne.

Um auf Aussagen von Wolfgang Piccoli zurückzukommen, so geht dieser nicht davon aus, dass sich Premier Conte noch lange in seinem Amt wird halten können.

„Was heißt das konkret für mich?!“

Konkret heißt dies, dass eine Regierung, die den frühzeitigen Schutz ihrer Bevölkerung über deren ideologisch-wirtschaftliche Interessen gestellt hat, jetzt vor einem angerichteten Scherbenhaufen steht, der sich im Angesicht der aktuellen Entwicklungen nur schwerlich wieder wird zusammenfegen lassen.

Das neue Coronavirus hat sich lediglich als jener Stachel erwiesen, der die Finanz-, Börsen-, Wirtschafts- und Illusionsblase in Italien zum Platzen gebracht hat. Anstelle der Erkenntnis, selbst über die vergangenen Jahre weitreichende Fehler begangen zu haben, um auf Wahrheit und Wahrhaftigkeit aufbauend etwas Neues aus der Taufe zu heben, steht zu befürchten, dass sich Italiens Gesellschaft massiv radikalisieren wird.

Zu befürchten steht darüber hinaus, dass die Armut im Land bedeutsam zunehmen wird. Das gilt sowohl für den Nord- als auch den Südteil Italiens. Wirtschaftlich schwer getroffene Mikroökonomien wie beispielsweise Florenz, die sich über den Verlauf der letzten Jahre fast nur noch auf eine Monowirtschaft namens Tourismus spezialisiert hatten, blicken nun auf menschenleere Innenstädte, keine Einnahmen und daraus resultierend platzende Schulden und eine stark steigende Arbeitslosigkeit.

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