Es scheint mir an der Zeit, den Blick nach etwas längerer Zeit der Abstinenz mal wieder nach Japan zu richten. Japan, das nach dem lauten Platzen seiner Immobilien- und Aktienblase im Jahr 1989 beständig gegen Deflation und ökonomische Stagnation angekämpft hat, bediente sich nach der Amtsübernahme von Shinzo Abe in 2012 eines Instruments, das als Abenomics bekannt geworden ist.

Ziel war es, die japanische Wirtschaft endlich wieder flott zu bekommen. Abenomics fußt auf drei Stützpfeilern, die dieses einst erklärte Ziel Realität werden lassen sollten. Dazu gehören eine ultralockere Geldpolitik der Bank of Japan, beständig wachsende Staatsausgaben und das Ausmisten von staatlichen Regulierungsanforderungen samt Bürokratieabbau, welche sowohl auf den Unternehmen als auch den privaten Verbrauchern lasteten.

Enorme Demographieprobleme

Nachdem Abenomics nun ins fünfte Jahr hineingeht, ist es vielleicht an der Zeit, einmal zu analysieren, ob sich das Wirtschaftsprogramm seit dessen Auflage tatsächlich auch Erfolge auf die eigenen Fahnen schreiben kann. Die Antwort lautet Jein. Viele Beobachter weisen darauf hin, dass Japan auf diese Weise das Abrutschen in eine neue und schwere Rezession bei einer sich noch stärkere ausbreitenden Deflation erspart geblieben sei.

Allerdings wurden die einst verkündeten Wachstumsziele der Tokioter Regierung bis dato bei weitem verfehlt. Hinzu kommt, dass Japan – das sich einer Migration aus dem Ausland nach wie vor verschließt – enormen Demographieproblemen ins Auge blickt. Ich hatte über dieses Thema damals im Jahr 2013 ein ausführliches Gespräch mit Peter Babucke, der an der Börse Tokio tätig ist, geführt.

Aus einem im Oktober letzten Jahres publizierten Bericht der Bank of Japan ging hervor, dass sich der eigene Ausblick in Bezug auf das japanische Realwirtschaftswachstum im Jahr 2017 auf eine Spanne von zwischen 1% und 1,5% verbessert hat. Aktuelle Schätzungen sehen das japanische Wirtschaftswachstum für das abgelaufene Gesamtjahr 2016 hingegen lediglich in einer Spanne von 0,7% bis 1%.

Kommt das dringend benötigte Wirtschaftswachstum?

Japan benötigt jedoch händeringend ein sich beschleunigendes Wirtschaftswachstum, um mit den massive wachsenden Staatsschulden Schritt zu halten. Unter Bezugnahme auf aktuelle Prognosen der OECD wird Japans Staatsverschuldung bis zum Jahr 2018 auf einen Wert von 240% in Relation zur jährlichen Wirtschaftsleistung geklettert sein. Und die Bank of Japan goss erst vor Kurzem Öl ins Feuer dieser Entwicklung.

Denn schon im Jahr 2018, so BoJ-Analysten, werde Japans Wirtschaftswachstum wieder auf das im Gesamtjahr 2016 gemessene Niveau zurückfallen. Ein Faktor könnte allen angestellten Prognosen jedoch mittelfristig in die Suppe spucken. Die Frage aller Fragen lautet, wie sich der japanische Yen gegenüber anderen wichtigen Papierwährungen – allen voran dem Dollar – in den nächsten beiden Jahren wird schlagen können.

Olympische Spiele 2020 - olympisch ist insbesondere der Preis...

Japans Wachstum blickt einer kurzfristigen Stimulierung entgegen. Im vergangenen Jahr gab die Tokioter Regierung bekannt, ein neues Konjunkturprogramm aufzulegen, dessen Mittel hauptsächlich in Infrastrukturprojekte fließen sollen. Die Gründe liegen auf der Hand. Denn im Jahr 2020 ist Japans Hauptstadt Tokio Gastgeber der Olympischen Spiele. Wer einen Blick auf vorherige Austragungsorte wirft, erkennt, dass viel Geld in den Sand gesetzt worden ist.

Dies gilt insbesondere mit Blick auf das jüngste Gastgeberland Brasilien. Doch auch ein Blick nach Südafrika, das im Jahr 2010 die Fußballweltmeisterschaft ausgetragen hatte, zeigt, dass der Bau von neuen Sportstadien und Megaaußenanlagen nicht nur sündhaft teuer war, sondern die meisten dieser Arenen heute auch überhaupt keinen ökonomischen Nutzen mehr haben. In Japan dürfte dies nach dem Jahr 2020 nicht anders sein.

Weitere Yen-Abwertung erwartet

An der Wall Street gehen viele Brokerhäuser zum Jahresbeginn davon aus, dass Tokio den Yen im laufenden Jahr weiter abwerten wird gegenüber dem US-Dollar. Damit begibt sich die japanische Regierung direkt auf Konfrontationskurs mit der Pekinger Staatsführung, die auch ein enormes Interesse daran hat, den Außenwert des Renminbi weiter abzuwerten. Sowohl Japans als auch Chinas Aktienmärkte könnten von dieser Abwertungsspirale profitieren. 

Nachfolgend möchte ich jeweils einen Blick auf die drei oben genannten Stützpfeiler von Abenomics und deren Entwicklung werfen:

1. Beginnen wir mit der Deflation. Überraschenderweise hat der deutlich schwächere Yen den Deflationsdruck in Japan in den letzten Jahren nicht wesentlich vermindert. Zwar machte der Verbraucherpreisindex im Jahr 2014 aufgrund einer Anhebung der Mehrwertsteuer von 5% auf 8% einen Sprung.


Doch schon nach nur kurzer Zeit ließ der Inflationsdruck – wie in der Vergangenheit berichtet – schon wieder nach. Seit dem Beginn des Jahres 2016 ging es dann mit den Verbraucherpreisen abermals stetig bergab, was sich zum Jahresende ein wenig relativierte.

Im Jahresvergleich sank der Verbraucherpreisindex unter Ausklammerung der Lebensmittelpreise erneut um 0,3%. Die beständig rückläufigen Reallöhne und -gehälter lasteten zudem wie ein Pfund Blei auf den japanischen Konsumausgaben. Kein Wunder, dass auch der das in die Wirtschaft vorherrschende Vertrauen messende Index auf einem sehr niedrigen Niveau verharrt.

Im Angesicht eines schleppenden Wachstums benötigt Japan höhere Steuereinnahmen, um seine wachsenden Staatsausgaben weiter finanzieren zu können. Eine erneute und für April 2017 angedachte Anhebung der Mehrwertsteuer wurde durch die Tokioter Regierung auf das Jahr 2019 verschoben, um den heimischen Konsum zu entlasten.

2. Kommen wir zu den rekordniedrigen Zinsen. Nach wie vor bekommt die Bank of Japan die deflationären Tendenzen trotz Negativzinsen und einer astronomisch anmutenden Monetisierung von Staatsanleihen nicht in den Griff. Nicht selten werden im Unternehmenssektor Kredite aufgenommen, um die frisch generierten Finanzmittel in den Ausbau von Produktionskapazitäten in asiatischen Nachbarländern zu stecken.

3. Demographie: Japans alternde Bevölkerung und dessen niedrige Geburtenrate belastet die heimischen Jobmärkte, da keine ausreichend große Anzahl an jungen Fachkräften nachrückt. Die Erwerbsbevölkerung schrumpfte seit dem Erreichen ihres Hochs bei etwas mehr als 67 Millionen Personen Ende der 1990iger Jahre bis dato um rund zwei Millionen Personen. Laut aktuellen Prognosen soll Japans Erwerbsbevölkerung bis zur Jahrhundertmitte auf rund 41 Millionen aktive Arbeitnehmer sinken. Bisher wird diese Entwicklung von Regierungsseite nicht durch eine Öffnung der heimischen Jobmärkte für Arbeitsuchende aus dem Ausland adressiert.

Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass die Anzahl jener japanischen Arbeitnehmer, die nur über Teilzeitarbeitsplätze oder Niedriglohnjobs verfügt, permanent am Steigen ist. Aus diesem Blickwinkel betrachtet stellt sich die Frage, inwieweit der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Regierung tatsächlich Glauben geschenkt werden kann, die eine Erwerbslosenzahl von gerade einmal 3,1% misst.

Unter Bezugnahme auf japanische Medien setzt sich die Erwerbsbevölkerung des Landes zum aktuellen Zeitpunkt bereits zu 41% aus Arbeitnehmern zusammen, die lediglich über unstete beziehungsweise zeitlich befristete Arbeitsverhältnissen verfügen. Dazu gesellt sich eine seit nun mehr als drei Jahren rückläufige Reallohnentwicklung.

Kann es der Export richten?

Nach wie vor setzt die Tokioter Regierung auf den eigenen Exportsektor, um Japan aus der wirtschaftlichen Stagnation herauszubefördern. In Relation zum realen Bruttoinlandsprodukt und einem auf dieser Basis gemessenen Exportanstieg im dritten Quartal 2016 ließen sich an dieser Front zuletzt Erfolge verbuchen.

Doch wie sieht es mit Blick auf andere wichtige privatwirtschaftliche Aktivitäten in Japan aus? Nicht allzu gut. So sanken im dritten Quartal 2016 die Privatinvestitionen um1,4%, die Importe gaben ebenfalls um 1,4% nach. Auf Basis der ultralockeren Geldpolitik der Bank of Japan wurde den Yen weiter im Außenwert geschwächt, was sich zumindest positiv auf die Exportaktivitäten auswirkte.

Seit Auflage von Abenomics in 2012 haben sich die japanischen Ausfuhren um knapp 15% erhöht. Gleichzeitig hat der Yen im Außenwert um mehr als 30% in Relation zum US-Dollar nachgegeben. Im Angesicht von zwei Zinsanhebungen in den USA seit Dezember 2015 und dem aktuellen Ausblick auf drei weitere Zinserhöhungen im laufenden Jahr dürfte der Yen unter Druck bleiben, wovon japanische Exportaktien profitieren dürften. 

Was nach Trumps US-Präsidentschaftswahlsieg im November letzten Jahres für China gilt, gilt nun gleichsam auch für Japan. Der bilaterale Handel zwischen den USA und Japan könnte vor großen Herausforderungen stehen. Vielerorts basieren die aktuellen Wachstumsprognosen für Japans Wirtschaft nämlich noch immer auf einem Einbezug des Freihandelsabkommens TPP, das Donald Trump laut eigener Aussage nicht umsetzen wird.

Es lässt sich damit rechnen, dass diese Entwicklung den japanischen Exportaktivitäten eine Menge Gegenwind ins Gesicht blasen dürfte. Vielleicht mag hierin auch der Grund zu finden sein, weswegen Shinzo Abe so schnell auf ein Treffen mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump in dessen Trump Tower gedrängt hatte.

Im Fall von Shinzo Abe handelte es sich um den ersten Auslandspremier, den Trump nach seinem Wahlsieg in New York persönlich empfangen hatte. Immerhin stellen die Vereinigten Staaten für Japan den mit Abstand größten Exportmarkt auf der Welt dar. Dahinter folgen China und Westeuropa.

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